Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Theorie an sich den Verstärkungen der Kräfte durch den Hebel gar keine Grenzen setzt.

Wenn sich die Kräfte verkehrt, wie ihre Entfernungen vom Ruhepunkte verhalten, so muß das Product der einen Kraft in ihre Entfernung, dem Producte der andern in die ihrige gleich seyn. Man nennt daher dieses Product das Moment (momentum staticum), und drückt das Gesetz des Gleichgewichts am Hebel auch so aus: Wenn die Momente auf beyden Seiten gleich sind, so erfolgt ein Gleichgewicht, und wenn ein Gleichgewicht erfolgen soll, so müssen die Momente gleich seyn.

Wird der im Gleichgewichte stehende Hebel bewegt, wie Taf. X. Fig. 54., so verhalten sich die Wege, welche die Kräfte in gleichen Zeiten zurücklegen, wie die Arme des Hebels CA und CB, d. i. verkehrt, wie die Kräfte selbst. Ein Pfund also, das vier Pfund bewegt, muß vier Schuh weit gehen, indem die vier Pfund nur einen Schuh durchlaufen; es muß sich also viermal so geschwind bewegen. Ie geringer die Kraft ist, womit die Last bewegt wird, desto größer muß die Geschwindigkeit der Kraft gegen die Geschwindigkeit der Last seyn. Man drückt diesen Satz so aus: Soviel man an Kraft|gewinnt, soviel verliert man an Geschwindigkeit. Dies ist ein allgemeines Gesetz der Maschinenlehre, und wer 100 Pfund mit 1 Pfund heben will, muß die Kraft durch 100 Schuhe gehen lassen, wenn die Last um 1 Schuh gehoben werden soll. Schiefer Zug der Kräfte.

Alles Bisherige ist nur von Kräften erwiesen worden, welche senkrecht an den Armen des Hebels wirken. Jetzt aber ziehe eine Kraft K, Taf. XI. Fig. 57. an dem Hebel CB unter dem schiefen Winkel CBK. Wenn man aus dem Ruhepunkte C auf die Richtung der Kraft BK das Perpendikel CP fället, und sich vorstellet, das rechtwinklichte Dreyeck CPB könne um C gedrehet werden, so wird die Kraft K, bey P an die Linie CP angebracht, an dieser Linie mit dem Momente KXCP wirken. Sobald sie aber CP dreht, dreht sie zugleich das ganze Dreyeck CPB


Theorie an ſich den Verſtaͤrkungen der Kraͤfte durch den Hebel gar keine Grenzen ſetzt.

Wenn ſich die Kraͤfte verkehrt, wie ihre Entfernungen vom Ruhepunkte verhalten, ſo muß das Product der einen Kraft in ihre Entfernung, dem Producte der andern in die ihrige gleich ſeyn. Man nennt daher dieſes Product das Moment (momentum ſtaticum), und druͤckt das Geſetz des Gleichgewichts am Hebel auch ſo aus: Wenn die Momente auf beyden Seiten gleich ſind, ſo erfolgt ein Gleichgewicht, und wenn ein Gleichgewicht erfolgen ſoll, ſo muͤſſen die Momente gleich ſeyn.

Wird der im Gleichgewichte ſtehende Hebel bewegt, wie Taf. X. Fig. 54., ſo verhalten ſich die Wege, welche die Kraͤfte in gleichen Zeiten zuruͤcklegen, wie die Arme des Hebels CA und CB, d. i. verkehrt, wie die Kraͤfte ſelbſt. Ein Pfund alſo, das vier Pfund bewegt, muß vier Schuh weit gehen, indem die vier Pfund nur einen Schuh durchlaufen; es muß ſich alſo viermal ſo geſchwind bewegen. Ie geringer die Kraft iſt, womit die Laſt bewegt wird, deſto groͤßer muß die Geſchwindigkeit der Kraft gegen die Geſchwindigkeit der Laſt ſeyn. Man druͤckt dieſen Satz ſo aus: Soviel man an Kraft|gewinnt, ſoviel verliert man an Geſchwindigkeit. Dies iſt ein allgemeines Geſetz der Maſchinenlehre, und wer 100 Pfund mit 1 Pfund heben will, muß die Kraft durch 100 Schuhe gehen laſſen, wenn die Laſt um 1 Schuh gehoben werden ſoll. Schiefer Zug der Kraͤfte.

Alles Bisherige iſt nur von Kraͤften erwieſen worden, welche ſenkrecht an den Armen des Hebels wirken. Jetzt aber ziehe eine Kraft K, Taf. XI. Fig. 57. an dem Hebel CB unter dem ſchiefen Winkel CBK. Wenn man aus dem Ruhepunkte C auf die Richtung der Kraft BK das Perpendikel CP faͤllet, und ſich vorſtellet, das rechtwinklichte Dreyeck CPB koͤnne um C gedrehet werden, ſo wird die Kraft K, bey P an die Linie CP angebracht, an dieſer Linie mit dem Momente KXCP wirken. Sobald ſie aber CP dreht, dreht ſie zugleich das ganze Dreyeck CPB

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0577" xml:id="P.2.571" n="571"/><lb/>
Theorie an &#x017F;ich den Ver&#x017F;ta&#x0364;rkungen der Kra&#x0364;fte durch den Hebel gar keine Grenzen &#x017F;etzt.</p>
            <p>Wenn &#x017F;ich die Kra&#x0364;fte verkehrt, wie ihre Entfernungen vom Ruhepunkte verhalten, &#x017F;o muß das Product der einen Kraft in ihre Entfernung, dem Producte der andern in die ihrige gleich &#x017F;eyn. Man nennt daher die&#x017F;es Product das <hi rendition="#b">Moment</hi> <hi rendition="#aq">(momentum &#x017F;taticum),</hi> und dru&#x0364;ckt das Ge&#x017F;etz des Gleichgewichts am Hebel auch &#x017F;o aus: <hi rendition="#b">Wenn</hi> die <hi rendition="#b">Momente auf beyden Seiten gleich &#x017F;ind, &#x017F;o erfolgt ein Gleichgewicht,</hi> und wenn ein Gleichgewicht erfolgen &#x017F;oll, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Momente gleich &#x017F;eyn.</p>
            <p>Wird der im Gleichgewichte &#x017F;tehende Hebel bewegt, wie Taf. <hi rendition="#aq">X.</hi> Fig. 54., &#x017F;o verhalten &#x017F;ich die Wege, welche die Kra&#x0364;fte in gleichen Zeiten zuru&#x0364;cklegen, wie die Arme des Hebels <hi rendition="#aq">CA</hi> und <hi rendition="#aq">CB,</hi> d. i. verkehrt, wie die Kra&#x0364;fte &#x017F;elb&#x017F;t. Ein Pfund al&#x017F;o, das vier Pfund bewegt, muß vier Schuh weit gehen, indem die vier Pfund nur einen Schuh durchlaufen; es muß &#x017F;ich al&#x017F;o viermal &#x017F;o ge&#x017F;chwind bewegen. Ie geringer die Kraft i&#x017F;t, womit die La&#x017F;t bewegt wird, de&#x017F;to gro&#x0364;ßer muß die Ge&#x017F;chwindigkeit der Kraft gegen die Ge&#x017F;chwindigkeit der La&#x017F;t &#x017F;eyn. Man dru&#x0364;ckt die&#x017F;en Satz &#x017F;o aus: <hi rendition="#b">Soviel man an Kraft|gewinnt, &#x017F;oviel verliert man an Ge&#x017F;chwindigkeit.</hi> Dies i&#x017F;t ein allgemeines Ge&#x017F;etz der Ma&#x017F;chinenlehre, und wer 100 Pfund mit 1 Pfund heben will, muß die Kraft durch 100 Schuhe gehen la&#x017F;&#x017F;en, wenn die La&#x017F;t um 1 Schuh gehoben werden &#x017F;oll. <hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Schiefer Zug der Kra&#x0364;fte.</hi></hi></p>
            <p>Alles Bisherige i&#x017F;t nur von Kra&#x0364;ften erwie&#x017F;en worden, welche <hi rendition="#b">&#x017F;enkrecht</hi> an den Armen des Hebels wirken. Jetzt aber ziehe eine Kraft <hi rendition="#aq">K,</hi> Taf. <hi rendition="#aq">XI.</hi> Fig. 57. an dem Hebel <hi rendition="#aq">CB</hi> unter dem <hi rendition="#b">&#x017F;chiefen</hi> Winkel <hi rendition="#aq">CBK.</hi> Wenn man aus dem Ruhepunkte <hi rendition="#aq">C</hi> auf die Richtung der Kraft <hi rendition="#aq">BK</hi> das Perpendikel <hi rendition="#aq">CP</hi> fa&#x0364;llet, und &#x017F;ich vor&#x017F;tellet, das rechtwinklichte Dreyeck <hi rendition="#aq">CPB</hi> ko&#x0364;nne um <hi rendition="#aq">C</hi> gedrehet werden, &#x017F;o wird die Kraft <hi rendition="#aq">K,</hi> bey <hi rendition="#aq">P</hi> an die Linie <hi rendition="#aq">CP</hi> angebracht, an die&#x017F;er Linie mit dem <hi rendition="#b">Momente</hi> <hi rendition="#aq">KXCP</hi> wirken. Sobald &#x017F;ie aber <hi rendition="#aq">CP</hi> dreht, dreht &#x017F;ie zugleich das ganze Dreyeck <hi rendition="#aq">CPB</hi><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[571/0577] Theorie an ſich den Verſtaͤrkungen der Kraͤfte durch den Hebel gar keine Grenzen ſetzt. Wenn ſich die Kraͤfte verkehrt, wie ihre Entfernungen vom Ruhepunkte verhalten, ſo muß das Product der einen Kraft in ihre Entfernung, dem Producte der andern in die ihrige gleich ſeyn. Man nennt daher dieſes Product das Moment (momentum ſtaticum), und druͤckt das Geſetz des Gleichgewichts am Hebel auch ſo aus: Wenn die Momente auf beyden Seiten gleich ſind, ſo erfolgt ein Gleichgewicht, und wenn ein Gleichgewicht erfolgen ſoll, ſo muͤſſen die Momente gleich ſeyn. Wird der im Gleichgewichte ſtehende Hebel bewegt, wie Taf. X. Fig. 54., ſo verhalten ſich die Wege, welche die Kraͤfte in gleichen Zeiten zuruͤcklegen, wie die Arme des Hebels CA und CB, d. i. verkehrt, wie die Kraͤfte ſelbſt. Ein Pfund alſo, das vier Pfund bewegt, muß vier Schuh weit gehen, indem die vier Pfund nur einen Schuh durchlaufen; es muß ſich alſo viermal ſo geſchwind bewegen. Ie geringer die Kraft iſt, womit die Laſt bewegt wird, deſto groͤßer muß die Geſchwindigkeit der Kraft gegen die Geſchwindigkeit der Laſt ſeyn. Man druͤckt dieſen Satz ſo aus: Soviel man an Kraft|gewinnt, ſoviel verliert man an Geſchwindigkeit. Dies iſt ein allgemeines Geſetz der Maſchinenlehre, und wer 100 Pfund mit 1 Pfund heben will, muß die Kraft durch 100 Schuhe gehen laſſen, wenn die Laſt um 1 Schuh gehoben werden ſoll. Schiefer Zug der Kraͤfte. Alles Bisherige iſt nur von Kraͤften erwieſen worden, welche ſenkrecht an den Armen des Hebels wirken. Jetzt aber ziehe eine Kraft K, Taf. XI. Fig. 57. an dem Hebel CB unter dem ſchiefen Winkel CBK. Wenn man aus dem Ruhepunkte C auf die Richtung der Kraft BK das Perpendikel CP faͤllet, und ſich vorſtellet, das rechtwinklichte Dreyeck CPB koͤnne um C gedrehet werden, ſo wird die Kraft K, bey P an die Linie CP angebracht, an dieſer Linie mit dem Momente KXCP wirken. Sobald ſie aber CP dreht, dreht ſie zugleich das ganze Dreyeck CPB

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/577
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/577>, abgerufen am 22.11.2024.