Abstande über uns gesehenen Gegenstände, s. Gesichtsbetrüge, Entfernung, scheinbare. Dem zufolge scheinen uns die niedrigen Stellen des Himmels weiter, die höhern näher zu seyn, und es entsteht daraus die Vorstellung einer stark eingedrückten Wölbung, deren Krümmung nach Folkes Bemerkung beym Smith (Vollst. Lehrbegriff der Optik, durch Kästner, S. 416.) die Gestalt einer Muschellinie hat. Smith (a. a. O. S. 55.) giebt eine Methode an, diese Gestalt und ihre Abmessungen genauer zu untersuchen. Er suchte nach dem Augenmaaße diejenige Stelle des Monds, wo derselbe vom Scheitel eben so weit, als vom Horizonte, abzustehen schien. Dies war an dem scheinbaren Gewölbe CDBA (Taf. XI. Fig. 70.) der Punkt B, wo CB=BA geschätzt wurde. Wenn er nun hierauf die wahre Höhe des Monds oder den Winkel BOA mit astronomischen Werkzeugen maß, so fand er ihn=23°, woraus sich vermittelst einer cubischen Gleichung, oder noch leichter durch geometrische Construction, OC:OA wie 3:10 oder nach Hrn. Kästners Anmerkung beynahe wie 1:3,23 findet. Er bemerkt auch, wenn die Sonne 30° hoch stehe, so scheine sie dem bloßen Auge schon näher am Zenith, als am Horizonte zu seyn, ob sie gleich in der That dem letztern weit näher steht. Und wenn ein Stern in der Höhe von 45°, also gerade zwischen Scheitel und Horizont in der Mitte steht, so wird er nach der Linie OD so gesehen, daß sein Ort D vom Horizonte A über dreymal weiter, als vom Zenith C, abzustehen scheint. Eine nothwendige Folge hievon ist, daß gleiche Winkel, z. B. von 15°, dem Auge am Horizonte weit größer, als am Zenith, aussehen. Ein solcher Winkel faßt am scheinbaren Gewölbe zwischen seinen Schenkeln am Horizonte den Bogen Aa, am Zenith den Bogen Cc, und man irrt sich erstaunlich, wenn man die wahre Größe des Winkels nach diesen Bogen beurtheilt.
Hieraus ergiebt sich nun sehr leicht, warum Sonne, Mond, Entfernungen der Sterne von einander, Breite des Regenbogens, und überhaupt alle scheinbare Größen am Himmel, beym Horizonte merklich größer, als in der
Abſtande uͤber uns geſehenen Gegenſtaͤnde, ſ. Geſichtsbetruͤge, Entfernung, ſcheinbare. Dem zufolge ſcheinen uns die niedrigen Stellen des Himmels weiter, die hoͤhern naͤher zu ſeyn, und es entſteht daraus die Vorſtellung einer ſtark eingedruͤckten Woͤlbung, deren Kruͤmmung nach Folkes Bemerkung beym Smith (Vollſt. Lehrbegriff der Optik, durch Kaͤſtner, S. 416.) die Geſtalt einer Muſchellinie hat. Smith (a. a. O. S. 55.) giebt eine Methode an, dieſe Geſtalt und ihre Abmeſſungen genauer zu unterſuchen. Er ſuchte nach dem Augenmaaße diejenige Stelle des Monds, wo derſelbe vom Scheitel eben ſo weit, als vom Horizonte, abzuſtehen ſchien. Dies war an dem ſcheinbaren Gewoͤlbe CDBA (Taf. XI. Fig. 70.) der Punkt B, wo CB=BA geſchaͤtzt wurde. Wenn er nun hierauf die wahre Hoͤhe des Monds oder den Winkel BOA mit aſtronomiſchen Werkzeugen maß, ſo fand er ihn=23°, woraus ſich vermittelſt einer cubiſchen Gleichung, oder noch leichter durch geometriſche Conſtruction, OC:OA wie 3:10 oder nach Hrn. Kaͤſtners Anmerkung beynahe wie 1:3,23 findet. Er bemerkt auch, wenn die Sonne 30° hoch ſtehe, ſo ſcheine ſie dem bloßen Auge ſchon naͤher am Zenith, als am Horizonte zu ſeyn, ob ſie gleich in der That dem letztern weit naͤher ſteht. Und wenn ein Stern in der Hoͤhe von 45°, alſo gerade zwiſchen Scheitel und Horizont in der Mitte ſteht, ſo wird er nach der Linie OD ſo geſehen, daß ſein Ort D vom Horizonte A uͤber dreymal weiter, als vom Zenith C, abzuſtehen ſcheint. Eine nothwendige Folge hievon iſt, daß gleiche Winkel, z. B. von 15°, dem Auge am Horizonte weit groͤßer, als am Zenith, ausſehen. Ein ſolcher Winkel faßt am ſcheinbaren Gewoͤlbe zwiſchen ſeinen Schenkeln am Horizonte den Bogen Aa, am Zenith den Bogen Cc, und man irrt ſich erſtaunlich, wenn man die wahre Groͤße des Winkels nach dieſen Bogen beurtheilt.
Hieraus ergiebt ſich nun ſehr leicht, warum Sonne, Mond, Entfernungen der Sterne von einander, Breite des Regenbogens, und uͤberhaupt alle ſcheinbare Groͤßen am Himmel, beym Horizonte merklich groͤßer, als in der
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Abſtande uͤber uns geſehenen Gegenſtaͤnde, ſ. Geſichtsbetruͤge, Entfernung, ſcheinbare. Dem zufolge ſcheinen uns die niedrigen Stellen des Himmels weiter, die hoͤhern naͤher zu ſeyn, und es entſteht daraus die Vorſtellung einer ſtark eingedruͤckten Woͤlbung, deren Kruͤmmung nach Folkes Bemerkung beym Smith (Vollſt. Lehrbegriff der Optik, durch Kaͤſtner, S. 416.) die Geſtalt einer Muſchellinie hat. Smith (a. a. O. S. 55.) giebt eine Methode an, dieſe Geſtalt und ihre Abmeſſungen genauer zu unterſuchen. Er ſuchte nach dem Augenmaaße diejenige Stelle des Monds, wo derſelbe vom Scheitel eben ſo weit, als vom Horizonte, abzuſtehen ſchien. Dies war an dem ſcheinbaren Gewoͤlbe CDBA (Taf. XI. Fig. 70.) der Punkt B, wo CB=BA geſchaͤtzt wurde. Wenn er nun hierauf die wahre Hoͤhe des Monds oder den Winkel BOA mit aſtronomiſchen Werkzeugen maß, ſo fand er ihn=23°, woraus ſich vermittelſt einer cubiſchen Gleichung, oder noch leichter durch geometriſche Conſtruction, OC:OA wie 3:10 oder nach Hrn. Kaͤſtners Anmerkung beynahe wie 1:3,23 findet. Er bemerkt auch, wenn die Sonne 30° hoch ſtehe, ſo ſcheine ſie dem bloßen Auge ſchon naͤher am Zenith, als am Horizonte zu ſeyn, ob ſie gleich in der That dem letztern weit naͤher ſteht. Und wenn ein Stern in der Hoͤhe von 45°, alſo gerade zwiſchen Scheitel und Horizont in der Mitte ſteht, ſo wird er nach der Linie OD ſo geſehen, daß ſein Ort D vom Horizonte A uͤber dreymal weiter, als vom Zenith C, abzuſtehen ſcheint. Eine nothwendige Folge hievon iſt, daß gleiche Winkel, z. B. von 15°, dem Auge am Horizonte weit groͤßer, als am Zenith, ausſehen. Ein ſolcher Winkel faßt am ſcheinbaren Gewoͤlbe zwiſchen ſeinen Schenkeln am Horizonte den Bogen Aa, am Zenith den Bogen Cc, und man irrt ſich erſtaunlich, wenn man die wahre Groͤße des Winkels nach dieſen Bogen beurtheilt.
Hieraus ergiebt ſich nun ſehr leicht, warum Sonne, Mond, Entfernungen der Sterne von einander, Breite des Regenbogens, und uͤberhaupt alle ſcheinbare Groͤßen am Himmel, beym Horizonte merklich groͤßer, als in der
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/600>, abgerufen am 22.11.2024.
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