Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Hebel vorgeht, nach dem Gesetze des Gleichgewichts dreyer Kräfte, s. Gleichgewicht. Wenn die Kräfte mit einander parallel wirken, so trägt die Unterlage beym Hebel der ersten Art die Summe beyder Kräfte; beym Hebel der zweyten Art trägt oder hält der Zapfen nur soviel, als der Unterschied beyder Kräfte ausmacht: ziehen aber die Kräste schief, wie Taf. XI. Fig. 58., so wird der Ruhepunkt C nach der Richtung CI (der mittlern Richtung der Kräfte) mit einer Kraft gedrückt, die sich zu den äußern Krästen D und E, wie Ie zu Id und de verhält, s. Hebel.

Man muß bey den Hebeln, und bey allen Maschinen überhaupt, dafür sorgen, daß Unterlagen und Zapfen an den Bewegungspunkten eine Festigkeit haben, welche den so berechneten Druck auszuhalten vermögend ist.

Hypothese, angenommener Satz, Voraussetzung, Hypothesis, Suppositio, Hypothese Supposition. Die wahren Ursachen der natürlichen Wirkungen und Erscheinungen sind oft sehr verborgen, und lassen sich nicht mit entschiedener Gewißheit angeben. In solchen Fällen nimmt man bey Erklärung der Phänomene seine Zuflucht zu selbst erdachten Vorstellungsarten; man nimmt an, die zu erklärende Naturbegebenheit geschehe aus dieser oder jener Ursache, auf diese oder jene Weise. Solche blos angenommene Ursachen und Vorstellungsarten führen den Namen der Hypothesen. So ist z. B. die wahre Ursache der elektrischen Erscheinungen verborgen, und wenn sich Franklin zu Erklärung derselben eine feine Materie denkt, und die Erscheinungen aus dem Ueberflusse oder Mangel derselben herleitet, so ist diese blos von ihm erdachte Vorstellung, deren Richtigkeit sich nicht gewiß erweisen läßt, eine physikalische Hypothese. Die Artikel dieses Wörterbuchs enthalten so zahlreiche Beyspiele hievon, daß es ganz unnöthig ist, hier mehrere davon anzuführen.

Wenn es gleich den Hypothesen an apodiktischer Gewißheit fehlt, so können sie doch oft zu einem sehr hohen Grade von Wahrscheinlichkeit erhoben werden. Hiezu wird erfordert, daß sie an sich nichts Widersprechendes, gegen


Hebel vorgeht, nach dem Geſetze des Gleichgewichts dreyer Kraͤfte, ſ. Gleichgewicht. Wenn die Kraͤfte mit einander parallel wirken, ſo traͤgt die Unterlage beym Hebel der erſten Art die Summe beyder Kraͤfte; beym Hebel der zweyten Art traͤgt oder haͤlt der Zapfen nur ſoviel, als der Unterſchied beyder Kraͤfte ausmacht: ziehen aber die Kraͤſte ſchief, wie Taf. XI. Fig. 58., ſo wird der Ruhepunkt C nach der Richtung CI (der mittlern Richtung der Kraͤfte) mit einer Kraft gedruͤckt, die ſich zu den aͤußern Kraͤſten D und E, wie Ie zu Id und de verhaͤlt, ſ. Hebel.

Man muß bey den Hebeln, und bey allen Maſchinen uͤberhaupt, dafuͤr ſorgen, daß Unterlagen und Zapfen an den Bewegungspunkten eine Feſtigkeit haben, welche den ſo berechneten Druck auszuhalten vermoͤgend iſt.

Hypotheſe, angenommener Satz, Vorausſetzung, Hypotheſis, Suppoſitio, Hypotheſe Suppoſition. Die wahren Urſachen der natuͤrlichen Wirkungen und Erſcheinungen ſind oft ſehr verborgen, und laſſen ſich nicht mit entſchiedener Gewißheit angeben. In ſolchen Faͤllen nimmt man bey Erklaͤrung der Phaͤnomene ſeine Zuflucht zu ſelbſt erdachten Vorſtellungsarten; man nimmt an, die zu erklaͤrende Naturbegebenheit geſchehe aus dieſer oder jener Urſache, auf dieſe oder jene Weiſe. Solche blos angenommene Urſachen und Vorſtellungsarten fuͤhren den Namen der Hypotheſen. So iſt z. B. die wahre Urſache der elektriſchen Erſcheinungen verborgen, und wenn ſich Franklin zu Erklaͤrung derſelben eine feine Materie denkt, und die Erſcheinungen aus dem Ueberfluſſe oder Mangel derſelben herleitet, ſo iſt dieſe blos von ihm erdachte Vorſtellung, deren Richtigkeit ſich nicht gewiß erwéiſen laͤßt, eine phyſikaliſche Hypotheſe. Die Artikel dieſes Woͤrterbuchs enthalten ſo zahlreiche Beyſpiele hievon, daß es ganz unnoͤthig iſt, hier mehrere davon anzufuͤhren.

Wenn es gleich den Hypotheſen an apodiktiſcher Gewißheit fehlt, ſo koͤnnen ſie doch oft zu einem ſehr hohen Grade von Wahrſcheinlichkeit erhoben werden. Hiezu wird erfordert, daß ſie an ſich nichts Widerſprechendes, gegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0681" xml:id="P.2.675" n="675"/><lb/>
Hebel vorgeht, nach dem Ge&#x017F;etze des Gleichgewichts dreyer Kra&#x0364;fte, <hi rendition="#b">&#x017F;. Gleichgewicht.</hi> Wenn die Kra&#x0364;fte mit einander parallel wirken, &#x017F;o tra&#x0364;gt die Unterlage beym Hebel der er&#x017F;ten Art die Summe beyder Kra&#x0364;fte; beym Hebel der zweyten Art tra&#x0364;gt oder ha&#x0364;lt der Zapfen nur &#x017F;oviel, als der Unter&#x017F;chied beyder Kra&#x0364;fte ausmacht: ziehen aber die Kra&#x0364;&#x017F;te &#x017F;chief, wie Taf. <hi rendition="#aq">XI.</hi> Fig. 58., &#x017F;o wird der Ruhepunkt <hi rendition="#aq">C</hi> nach der Richtung <hi rendition="#aq">CI</hi> (der mittlern Richtung der Kra&#x0364;fte) mit einer Kraft gedru&#x0364;ckt, die &#x017F;ich zu den a&#x0364;ußern Kra&#x0364;&#x017F;ten <hi rendition="#aq">D</hi> und <hi rendition="#aq">E,</hi> wie <hi rendition="#aq">Ie</hi> zu <hi rendition="#aq">Id</hi> und <hi rendition="#aq">de</hi> verha&#x0364;lt, <hi rendition="#b">&#x017F;. Hebel.</hi></p>
            <p>Man muß bey den Hebeln, und bey allen Ma&#x017F;chinen u&#x0364;berhaupt, dafu&#x0364;r &#x017F;orgen, daß Unterlagen und Zapfen an den Bewegungspunkten eine Fe&#x017F;tigkeit haben, welche den &#x017F;o berechneten Druck auszuhalten vermo&#x0364;gend i&#x017F;t.</p>
            <p><hi rendition="#b">Hypothe&#x017F;e, angenommener Satz, Voraus&#x017F;etzung,</hi><hi rendition="#aq">Hypothe&#x017F;is, Suppo&#x017F;itio, <hi rendition="#i">Hypothe&#x017F;e Suppo&#x017F;ition.</hi></hi> Die wahren Ur&#x017F;achen der natu&#x0364;rlichen Wirkungen und Er&#x017F;cheinungen &#x017F;ind oft &#x017F;ehr verborgen, und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht mit ent&#x017F;chiedener Gewißheit angeben. In &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen nimmt man bey Erkla&#x0364;rung der Pha&#x0364;nomene &#x017F;eine Zuflucht zu &#x017F;elb&#x017F;t erdachten Vor&#x017F;tellungsarten; man nimmt an, die zu erkla&#x0364;rende Naturbegebenheit ge&#x017F;chehe aus die&#x017F;er oder jener Ur&#x017F;ache, auf die&#x017F;e oder jene Wei&#x017F;e. Solche blos angenommene Ur&#x017F;achen und Vor&#x017F;tellungsarten fu&#x0364;hren den Namen der <hi rendition="#b">Hypothe&#x017F;en.</hi> So i&#x017F;t z. B. die wahre Ur&#x017F;ache der elektri&#x017F;chen Er&#x017F;cheinungen verborgen, und wenn &#x017F;ich <hi rendition="#b">Franklin</hi> zu Erkla&#x0364;rung der&#x017F;elben eine feine Materie denkt, und die Er&#x017F;cheinungen aus dem Ueberflu&#x017F;&#x017F;e oder Mangel der&#x017F;elben herleitet, &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;e blos von ihm erdachte Vor&#x017F;tellung, deren Richtigkeit &#x017F;ich nicht gewiß erwéi&#x017F;en la&#x0364;ßt, eine phy&#x017F;ikali&#x017F;che Hypothe&#x017F;e. Die Artikel die&#x017F;es Wo&#x0364;rterbuchs enthalten &#x017F;o zahlreiche Bey&#x017F;piele hievon, daß es ganz unno&#x0364;thig i&#x017F;t, hier mehrere davon anzufu&#x0364;hren.</p>
            <p>Wenn es gleich den Hypothe&#x017F;en an apodikti&#x017F;cher Gewißheit fehlt, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie doch oft zu einem &#x017F;ehr hohen Grade von <hi rendition="#b">Wahr&#x017F;cheinlichkeit</hi> erhoben werden. Hiezu wird erfordert, daß &#x017F;ie an &#x017F;ich nichts Wider&#x017F;prechendes, gegen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[675/0681] Hebel vorgeht, nach dem Geſetze des Gleichgewichts dreyer Kraͤfte, ſ. Gleichgewicht. Wenn die Kraͤfte mit einander parallel wirken, ſo traͤgt die Unterlage beym Hebel der erſten Art die Summe beyder Kraͤfte; beym Hebel der zweyten Art traͤgt oder haͤlt der Zapfen nur ſoviel, als der Unterſchied beyder Kraͤfte ausmacht: ziehen aber die Kraͤſte ſchief, wie Taf. XI. Fig. 58., ſo wird der Ruhepunkt C nach der Richtung CI (der mittlern Richtung der Kraͤfte) mit einer Kraft gedruͤckt, die ſich zu den aͤußern Kraͤſten D und E, wie Ie zu Id und de verhaͤlt, ſ. Hebel. Man muß bey den Hebeln, und bey allen Maſchinen uͤberhaupt, dafuͤr ſorgen, daß Unterlagen und Zapfen an den Bewegungspunkten eine Feſtigkeit haben, welche den ſo berechneten Druck auszuhalten vermoͤgend iſt. Hypotheſe, angenommener Satz, Vorausſetzung, Hypotheſis, Suppoſitio, Hypotheſe Suppoſition. Die wahren Urſachen der natuͤrlichen Wirkungen und Erſcheinungen ſind oft ſehr verborgen, und laſſen ſich nicht mit entſchiedener Gewißheit angeben. In ſolchen Faͤllen nimmt man bey Erklaͤrung der Phaͤnomene ſeine Zuflucht zu ſelbſt erdachten Vorſtellungsarten; man nimmt an, die zu erklaͤrende Naturbegebenheit geſchehe aus dieſer oder jener Urſache, auf dieſe oder jene Weiſe. Solche blos angenommene Urſachen und Vorſtellungsarten fuͤhren den Namen der Hypotheſen. So iſt z. B. die wahre Urſache der elektriſchen Erſcheinungen verborgen, und wenn ſich Franklin zu Erklaͤrung derſelben eine feine Materie denkt, und die Erſcheinungen aus dem Ueberfluſſe oder Mangel derſelben herleitet, ſo iſt dieſe blos von ihm erdachte Vorſtellung, deren Richtigkeit ſich nicht gewiß erwéiſen laͤßt, eine phyſikaliſche Hypotheſe. Die Artikel dieſes Woͤrterbuchs enthalten ſo zahlreiche Beyſpiele hievon, daß es ganz unnoͤthig iſt, hier mehrere davon anzufuͤhren. Wenn es gleich den Hypotheſen an apodiktiſcher Gewißheit fehlt, ſo koͤnnen ſie doch oft zu einem ſehr hohen Grade von Wahrſcheinlichkeit erhoben werden. Hiezu wird erfordert, daß ſie an ſich nichts Widerſprechendes, gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/681
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/681>, abgerufen am 22.11.2024.