man sagt, es sey Winter. Je weiter sie aber zu dem Zeichen des Widders hinaufrückt, desto mehr wächst ihre Mittagshöhe zugleich mit der Länge des Tages, ihre Stralen werden weniger schief, erwärmen stärker und länger, die erstorbene Natur fängt endlich von neuem an zu leben, und mit dem Eintritte der Sonne in den Widder hebt der Frühling an. Alle diese Wirkungen nehmen zu, bis beym Eintritte der Sonne in den Krebs ihre Mittagshöhe und die Tageslänge am größten werden, und die Stralen die stärkste Hitze verursachen. Alsdann sagt man, es sey Sommer. Von dieser Zeit an reifen die Früchte; die Sonne aber geht wiederum nach dem Aequator zurück in niedrigere Stellen, ihre Stralen werden schiefer, die Tage kürzer, und wir bekommen Herbst, wenn die Sonne in die Wage tritt. Endlich geht sie von hier aus in noch niedrigere Stellen der Ekliptik, die Tage werden noch kürzer, die Sonnenstralen fallen noch schiefer auf, die Witterung wird rauher und kälter, bis mit dem Eintritte der Sonne in den Steinbock der Winter wiederkehret. Die südliche gemäßigte Zone hat zu gleicher Zeit die entgegengesetzten Jahrszeiten.
Für die Bewohner der kalten Zonen lassen sich die Jahrszeiten eben so, wie für die benachbarten gemäßigten annehmen. Im Frühlinge giebt es für diese Orte eine Zeit, in der die Sonne gar nicht mehr untergeht, einen beständigen Tag, der sich bis in den Sommer hinein erstreckt, und desto länger dauert, je näher der Ort dem Pole liegt. Dagegen fängt im Herbste eine beständige Nacht an, welche bis in den Winter anhält.
Auf die Orte der heißen Zone aber läßt sich die Abtheilung in Jahrszeiten nicht mehr anwenden. Diesen Orten geht die Mittagssonne jährlich zweymal durch den Scheitel, und zweymal ist sie von demselben am weitsten entfernt. Dies würde zween Sommer und zween Winter, aber meistens von sehr ungleicher Dauer, geben: aber der Begrif von unsern Jahrszeiten läßt sich überhaupt nicht auf Orte anwenden, wo die Sonne fast immer hoch steht, wo die Abwechselungen der Temperatur und Tageslänge nicht
man ſagt, es ſey Winter. Je weiter ſie aber zu dem Zeichen des Widders hinaufruͤckt, deſto mehr waͤchſt ihre Mittagshoͤhe zugleich mit der Laͤnge des Tages, ihre Stralen werden weniger ſchief, erwaͤrmen ſtaͤrker und laͤnger, die erſtorbene Natur faͤngt endlich von neuem an zu leben, und mit dem Eintritte der Sonne in den Widder hebt der Fruͤhling an. Alle dieſe Wirkungen nehmen zu, bis beym Eintritte der Sonne in den Krebs ihre Mittagshoͤhe und die Tageslaͤnge am groͤßten werden, und die Stralen die ſtaͤrkſte Hitze verurſachen. Alsdann ſagt man, es ſey Sommer. Von dieſer Zeit an reifen die Fruͤchte; die Sonne aber geht wiederum nach dem Aequator zuruͤck in niedrigere Stellen, ihre Stralen werden ſchiefer, die Tage kuͤrzer, und wir bekommen Herbſt, wenn die Sonne in die Wage tritt. Endlich geht ſie von hier aus in noch niedrigere Stellen der Ekliptik, die Tage werden noch kuͤrzer, die Sonnenſtralen fallen noch ſchiefer auf, die Witterung wird rauher und kaͤlter, bis mit dem Eintritte der Sonne in den Steinbock der Winter wiederkehret. Die ſuͤdliche gemaͤßigte Zone hat zu gleicher Zeit die entgegengeſetzten Jahrszeiten.
Fuͤr die Bewohner der kalten Zonen laſſen ſich die Jahrszeiten eben ſo, wie fuͤr die benachbarten gemaͤßigten annehmen. Im Fruͤhlinge giebt es fuͤr dieſe Orte eine Zeit, in der die Sonne gar nicht mehr untergeht, einen beſtaͤndigen Tag, der ſich bis in den Sommer hinein erſtreckt, und deſto laͤnger dauert, je naͤher der Ort dem Pole liegt. Dagegen faͤngt im Herbſte eine beſtaͤndige Nacht an, welche bis in den Winter anhaͤlt.
Auf die Orte der heißen Zone aber laͤßt ſich die Abtheilung in Jahrszeiten nicht mehr anwenden. Dieſen Orten geht die Mittagsſonne jaͤhrlich zweymal durch den Scheitel, und zweymal iſt ſie von demſelben am weitſten entfernt. Dies wuͤrde zween Sommer und zween Winter, aber meiſtens von ſehr ungleicher Dauer, geben: aber der Begrif von unſern Jahrszeiten laͤßt ſich uͤberhaupt nicht auf Orte anwenden, wo die Sonne faſt immer hoch ſteht, wo die Abwechſelungen der Temperatur und Tageslaͤnge nicht
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man ſagt, es ſey Winter. Je weiter ſie aber zu dem Zeichen des Widders hinaufruͤckt, deſto mehr waͤchſt ihre Mittagshoͤhe zugleich mit der Laͤnge des Tages, ihre Stralen werden weniger ſchief, erwaͤrmen ſtaͤrker und laͤnger, die erſtorbene Natur faͤngt endlich von neuem an zu leben, und mit dem Eintritte der Sonne in den Widder hebt der Fruͤhling an. Alle dieſe Wirkungen nehmen zu, bis beym Eintritte der Sonne in den Krebs ihre Mittagshoͤhe und die Tageslaͤnge am groͤßten werden, und die Stralen die ſtaͤrkſte Hitze verurſachen. Alsdann ſagt man, es ſey Sommer. Von dieſer Zeit an reifen die Fruͤchte; die Sonne aber geht wiederum nach dem Aequator zuruͤck in niedrigere Stellen, ihre Stralen werden ſchiefer, die Tage kuͤrzer, und wir bekommen Herbſt, wenn die Sonne in die Wage tritt. Endlich geht ſie von hier aus in noch niedrigere Stellen der Ekliptik, die Tage werden noch kuͤrzer, die Sonnenſtralen fallen noch ſchiefer auf, die Witterung wird rauher und kaͤlter, bis mit dem Eintritte der Sonne in den Steinbock der Winter wiederkehret. Die ſuͤdliche gemaͤßigte Zone hat zu gleicher Zeit die entgegengeſetzten Jahrszeiten.
Fuͤr die Bewohner der kalten Zonen laſſen ſich die Jahrszeiten eben ſo, wie fuͤr die benachbarten gemaͤßigten annehmen. Im Fruͤhlinge giebt es fuͤr dieſe Orte eine Zeit, in der die Sonne gar nicht mehr untergeht, einen beſtaͤndigen Tag, der ſich bis in den Sommer hinein erſtreckt, und deſto laͤnger dauert, je naͤher der Ort dem Pole liegt. Dagegen faͤngt im Herbſte eine beſtaͤndige Nacht an, welche bis in den Winter anhaͤlt.
Auf die Orte der heißen Zone aber laͤßt ſich die Abtheilung in Jahrszeiten nicht mehr anwenden. Dieſen Orten geht die Mittagsſonne jaͤhrlich zweymal durch den Scheitel, und zweymal iſt ſie von demſelben am weitſten entfernt. Dies wuͤrde zween Sommer und zween Winter, aber meiſtens von ſehr ungleicher Dauer, geben: aber der Begrif von unſern Jahrszeiten laͤßt ſich uͤberhaupt nicht auf Orte anwenden, wo die Sonne faſt immer hoch ſteht, wo die Abwechſelungen der Temperatur und Tageslaͤnge nicht
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/693>, abgerufen am 22.11.2024.
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