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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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beträchtlich sind, und die Fruchtbarkeit mehr auf Nässe und Trockenheit, als auf Wärme und Kälte, ankömmt. Wenn in der heißen Zone eigentlich Sommer seyn sollte, oder wenn sich die Sonne am meisten über den Horizont erhebt, so fallt die Regenzeit ein; die angenehmste Jahrszeit aber pflegt diejenige zu seyn, da die Sonne am niedrigsten steht.

Die Abwechselung der Jahrszeiten hängt lediglich davon ab, daß die Ekliptik mit dem Aequator nicht zusammenfällt, sondern gegen denselben unter einem Winkel von 23 1/2° geneigt ist; oder was eben so viel ist, davon, daß die Erde sich nicht ganz nach eben der Richtung um ihre Axe drehet, nach welcher sie ihre jährliche Bahn um die Sonne beschreibet. Eine sehr einfache Erklärung hievon giebt das copernikanische System, s. Weltsystem. Fielen Aequator und Ekliptik in eine Ebne zusammen, so würde die Sonne stets im Aequator stehen; es würde überall und immer der Tag der Nacht gleich seyn, und durchgängig ein beständiger Frühling herrschen.

Da die Erde nicht alle Theile ihrer Bahn mit gleicher Geschwindigkeit durchläuft, so sind auch die Jahrszeiten nicht von gleicher Länge. Frühling und Sommer dauren bey uns zusammen ohngefähr 186, Herbst und Winter 179 Tage.

Wärme, Kälte und Witterung hängen zwar großentheils, aber bey weitem nicht ganz, von der Wirkung der Sonne ab, sondern richten sich außerdem noch nach vielerley localen und zufälligen Ursachen. Daher werden sie nicht durch die Jahrszeiten allein bestimmt, und so kan es im Sommer sehr kalte, im Winter sehr warme Tage geben. Weil die Wirkungen erst dann am stärksten werden, wenn ihre Ursachen eine Zeit lang gedauert haben, so ist es nicht gerade dann am kältesten, wenn die Sonne am niedrigsten, oder am wärmsten, wenn dieselbe am höchsten steht; vielmehr fällt die größte Kälte und Hitze erst einige Zeit nach dem Anfange des Winters und Sommers ein, s. Klima.


betraͤchtlich ſind, und die Fruchtbarkeit mehr auf Naͤſſe und Trockenheit, als auf Waͤrme und Kaͤlte, ankoͤmmt. Wenn in der heißen Zone eigentlich Sommer ſeyn ſollte, oder wenn ſich die Sonne am meiſten uͤber den Horizont erhebt, ſo fallt die Regenzeit ein; die angenehmſte Jahrszeit aber pflegt diejenige zu ſeyn, da die Sonne am niedrigſten ſteht.

Die Abwechſelung der Jahrszeiten haͤngt lediglich davon ab, daß die Ekliptik mit dem Aequator nicht zuſammenfaͤllt, ſondern gegen denſelben unter einem Winkel von 23 1/2° geneigt iſt; oder was eben ſo viel iſt, davon, daß die Erde ſich nicht ganz nach eben der Richtung um ihre Axe drehet, nach welcher ſie ihre jaͤhrliche Bahn um die Sonne beſchreibet. Eine ſehr einfache Erklaͤrung hievon giebt das copernikaniſche Syſtem, ſ. Weltſyſtem. Fielen Aequator und Ekliptik in eine Ebne zuſammen, ſo wuͤrde die Sonne ſtets im Aequator ſtehen; es wuͤrde uͤberall und immer der Tag der Nacht gleich ſeyn, und durchgaͤngig ein beſtaͤndiger Fruͤhling herrſchen.

Da die Erde nicht alle Theile ihrer Bahn mit gleicher Geſchwindigkeit durchlaͤuft, ſo ſind auch die Jahrszeiten nicht von gleicher Laͤnge. Fruͤhling und Sommer dauren bey uns zuſammen ohngefaͤhr 186, Herbſt und Winter 179 Tage.

Waͤrme, Kaͤlte und Witterung haͤngen zwar großentheils, aber bey weitem nicht ganz, von der Wirkung der Sonne ab, ſondern richten ſich außerdem noch nach vielerley localen und zufaͤlligen Urſachen. Daher werden ſie nicht durch die Jahrszeiten allein beſtimmt, und ſo kan es im Sommer ſehr kalte, im Winter ſehr warme Tage geben. Weil die Wirkungen erſt dann am ſtaͤrkſten werden, wenn ihre Urſachen eine Zeit lang gedauert haben, ſo iſt es nicht gerade dann am kaͤlteſten, wenn die Sonne am niedrigſten, oder am waͤrmſten, wenn dieſelbe am hoͤchſten ſteht; vielmehr faͤllt die groͤßte Kaͤlte und Hitze erſt einige Zeit nach dem Anfange des Winters und Sommers ein, ſ. Klima.

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[688/0694] betraͤchtlich ſind, und die Fruchtbarkeit mehr auf Naͤſſe und Trockenheit, als auf Waͤrme und Kaͤlte, ankoͤmmt. Wenn in der heißen Zone eigentlich Sommer ſeyn ſollte, oder wenn ſich die Sonne am meiſten uͤber den Horizont erhebt, ſo fallt die Regenzeit ein; die angenehmſte Jahrszeit aber pflegt diejenige zu ſeyn, da die Sonne am niedrigſten ſteht. Die Abwechſelung der Jahrszeiten haͤngt lediglich davon ab, daß die Ekliptik mit dem Aequator nicht zuſammenfaͤllt, ſondern gegen denſelben unter einem Winkel von 23 1/2° geneigt iſt; oder was eben ſo viel iſt, davon, daß die Erde ſich nicht ganz nach eben der Richtung um ihre Axe drehet, nach welcher ſie ihre jaͤhrliche Bahn um die Sonne beſchreibet. Eine ſehr einfache Erklaͤrung hievon giebt das copernikaniſche Syſtem, ſ. Weltſyſtem. Fielen Aequator und Ekliptik in eine Ebne zuſammen, ſo wuͤrde die Sonne ſtets im Aequator ſtehen; es wuͤrde uͤberall und immer der Tag der Nacht gleich ſeyn, und durchgaͤngig ein beſtaͤndiger Fruͤhling herrſchen. Da die Erde nicht alle Theile ihrer Bahn mit gleicher Geſchwindigkeit durchlaͤuft, ſo ſind auch die Jahrszeiten nicht von gleicher Laͤnge. Fruͤhling und Sommer dauren bey uns zuſammen ohngefaͤhr 186, Herbſt und Winter 179 Tage. Waͤrme, Kaͤlte und Witterung haͤngen zwar großentheils, aber bey weitem nicht ganz, von der Wirkung der Sonne ab, ſondern richten ſich außerdem noch nach vielerley localen und zufaͤlligen Urſachen. Daher werden ſie nicht durch die Jahrszeiten allein beſtimmt, und ſo kan es im Sommer ſehr kalte, im Winter ſehr warme Tage geben. Weil die Wirkungen erſt dann am ſtaͤrkſten werden, wenn ihre Urſachen eine Zeit lang gedauert haben, ſo iſt es nicht gerade dann am kaͤlteſten, wenn die Sonne am niedrigſten, oder am waͤrmſten, wenn dieſelbe am hoͤchſten ſteht; vielmehr faͤllt die groͤßte Kaͤlte und Hitze erſt einige Zeit nach dem Anfange des Winters und Sommers ein, ſ. Klima.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/694>, abgerufen am 22.11.2024.