Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


ward dieser letztere Punkt der andere Brennpunkt der Ellipse; er fand, daß aus demselben die Bewegung zwar nicht völlig, aber doch beynahe gleichförmig erschiene; daß aber die Proportionalität der Sectoren, die aus der Sonne oder dem ersten Brennpunkte gezogen wurden, mit den Zeiträumen, in allen Beobachtungen genau statt fand. Durch diesen Gang der Ideen ward die zwote Regel zugleich mit der ersten entdeckt.

Nach diesen Regeln berechnete er nun seine Tafeln. Er nahm die ganze Fläche der elliptischen Bahn für 360° an, theilte sie in Gedanken vom Brennpunkte aus in 360 gleiche Sectoren, welche die mittlern Anomalien von Grad zu Grad vorstellten, und suchte die jedem Sector zukommenden Winkel an der Sonne, welche die wahren Anomalien gaben. Der Unterschied zwischen beyden ist die Aequation oder Gleichung der Bahn, durch welche er nach der vorhin angeführten Stelle den Planeten zu fesseln suchte, s. den Artikel: Anomalie.

Das dritte Gesetz, daß sich bey Körpern, welche um einerley Hauptkörper laufen, die Quadratzahlen der Umlaufszeiten, wie die Würfel der mittlern Entfernungen vom Hauptkörper verhalten, erfand dieser große Geometer etwas später, und durch eine Veranlassung, die er seinem Hange zum Wunderbaren zu danken hatte. Als ein Mann von lebhafter Phantasie, der auch nach dem Geschmacke der damaligen Zeit die Astrologie trieb, und allerhand besondere Uebereinstimmungen in Zahlen und Verhältnissen suchte, glaubte er nach Art der Pythagoräer eine eigne Harmonie zwischen den Tönen der Musik, den regulären Körpern der Geometrie und den Entfernungen und Größen der Planeten zu finden. Bey diesen Beschäftigungen fiel er darauf, die Umlaufszeiten der Planeten um die Sonne mit ihren Entfernungen von derselben zu vergleichen. Iupiter z. B. steht 5 1/5mal weiter von der Sonne ab, als die Erde, und braucht zu seinem Umlaufe 11 6/7mal mehr Zeit. Also verhalten sich die Umlaufszeiten nicht so, wie die Entfernungen. Aber vielleicht verhalten sich gewisse Potenzen oder Wurzeln dieser Größen auf einerley


ward dieſer letztere Punkt der andere Brennpunkt der Ellipſe; er fand, daß aus demſelben die Bewegung zwar nicht voͤllig, aber doch beynahe gleichfoͤrmig erſchiene; daß aber die Proportionalitaͤt der Sectoren, die aus der Sonne oder dem erſten Brennpunkte gezogen wurden, mit den Zeitraͤumen, in allen Beobachtungen genau ſtatt fand. Durch dieſen Gang der Ideen ward die zwote Regel zugleich mit der erſten entdeckt.

Nach dieſen Regeln berechnete er nun ſeine Tafeln. Er nahm die ganze Flaͤche der elliptiſchen Bahn fuͤr 360° an, theilte ſie in Gedanken vom Brennpunkte aus in 360 gleiche Sectoren, welche die mittlern Anomalien von Grad zu Grad vorſtellten, und ſuchte die jedem Sector zukommenden Winkel an der Sonne, welche die wahren Anomalien gaben. Der Unterſchied zwiſchen beyden iſt die Aequation oder Gleichung der Bahn, durch welche er nach der vorhin angefuͤhrten Stelle den Planeten zu feſſeln ſuchte, ſ. den Artikel: Anomalie.

Das dritte Geſetz, daß ſich bey Koͤrpern, welche um einerley Hauptkoͤrper laufen, die Quadratzahlen der Umlaufszeiten, wie die Wuͤrfel der mittlern Entfernungen vom Hauptkoͤrper verhalten, erfand dieſer große Geometer etwas ſpaͤter, und durch eine Veranlaſſung, die er ſeinem Hange zum Wunderbaren zu danken hatte. Als ein Mann von lebhafter Phantaſie, der auch nach dem Geſchmacke der damaligen Zeit die Aſtrologie trieb, und allerhand beſondere Uebereinſtimmungen in Zahlen und Verhaͤltniſſen ſuchte, glaubte er nach Art der Pythagoraͤer eine eigne Harmonie zwiſchen den Toͤnen der Muſik, den regulaͤren Koͤrpern der Geometrie und den Entfernungen und Groͤßen der Planeten zu finden. Bey dieſen Beſchaͤftigungen fiel er darauf, die Umlaufszeiten der Planeten um die Sonne mit ihren Entfernungen von derſelben zu vergleichen. Iupiter z. B. ſteht 5 1/5mal weiter von der Sonne ab, als die Erde, und braucht zu ſeinem Umlaufe 11 6/7mal mehr Zeit. Alſo verhalten ſich die Umlaufszeiten nicht ſo, wie die Entfernungen. Aber vielleicht verhalten ſich gewiſſe Potenzen oder Wurzeln dieſer Groͤßen auf einerley

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0759" xml:id="P.2.753" n="753"/><lb/>
ward die&#x017F;er letztere Punkt der andere Brennpunkt der Ellip&#x017F;e; er fand, daß aus dem&#x017F;elben die Bewegung zwar nicht vo&#x0364;llig, aber doch beynahe gleichfo&#x0364;rmig er&#x017F;chiene; daß aber die Proportionalita&#x0364;t der Sectoren, die aus der Sonne oder dem er&#x017F;ten Brennpunkte gezogen wurden, mit den Zeitra&#x0364;umen, in allen Beobachtungen genau &#x017F;tatt fand. Durch die&#x017F;en Gang der Ideen ward die zwote Regel zugleich mit der er&#x017F;ten entdeckt.</p>
            <p>Nach die&#x017F;en Regeln berechnete er nun &#x017F;eine Tafeln. Er nahm die ganze Fla&#x0364;che der ellipti&#x017F;chen Bahn fu&#x0364;r 360° an, theilte &#x017F;ie in Gedanken vom Brennpunkte aus in 360 gleiche Sectoren, welche die mittlern Anomalien von Grad zu Grad vor&#x017F;tellten, und &#x017F;uchte die jedem Sector zukommenden Winkel an der Sonne, welche die wahren Anomalien gaben. Der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen beyden i&#x017F;t die <hi rendition="#b">Aequation</hi> oder <hi rendition="#b">Gleichung der Bahn,</hi> durch welche er nach der vorhin angefu&#x0364;hrten Stelle den Planeten zu fe&#x017F;&#x017F;eln &#x017F;uchte, &#x017F;. den Artikel: <hi rendition="#b">Anomalie.</hi></p>
            <p>Das dritte Ge&#x017F;etz, <hi rendition="#b">daß &#x017F;ich</hi> bey Ko&#x0364;rpern, welche um einerley Hauptko&#x0364;rper laufen, <hi rendition="#b">die Quadratzahlen der Umlaufszeiten, wie die Wu&#x0364;rfel der mittlern Entfernungen</hi> vom Hauptko&#x0364;rper <hi rendition="#b">verhalten,</hi> erfand die&#x017F;er große Geometer etwas &#x017F;pa&#x0364;ter, und durch eine Veranla&#x017F;&#x017F;ung, die er &#x017F;einem Hange zum Wunderbaren zu danken hatte. Als ein Mann von lebhafter Phanta&#x017F;ie, der auch nach dem Ge&#x017F;chmacke der damaligen Zeit die A&#x017F;trologie trieb, und allerhand be&#x017F;ondere Ueberein&#x017F;timmungen in Zahlen und Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en &#x017F;uchte, glaubte er nach Art der Pythagora&#x0364;er eine eigne Harmonie zwi&#x017F;chen den To&#x0364;nen der Mu&#x017F;ik, den regula&#x0364;ren Ko&#x0364;rpern der Geometrie und den Entfernungen und Gro&#x0364;ßen der Planeten zu finden. Bey die&#x017F;en Be&#x017F;cha&#x0364;ftigungen fiel er darauf, die Umlaufszeiten der Planeten um die Sonne mit ihren Entfernungen von der&#x017F;elben zu vergleichen. <hi rendition="#b">Iupiter</hi> z. B. &#x017F;teht 5 1/5mal weiter von der Sonne ab, als die Erde, und braucht zu &#x017F;einem Umlaufe 11 6/7mal mehr Zeit. Al&#x017F;o verhalten &#x017F;ich die Umlaufszeiten nicht &#x017F;o, wie die Entfernungen. Aber vielleicht verhalten &#x017F;ich gewi&#x017F;&#x017F;e Potenzen oder Wurzeln die&#x017F;er Gro&#x0364;ßen auf einerley<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[753/0759] ward dieſer letztere Punkt der andere Brennpunkt der Ellipſe; er fand, daß aus demſelben die Bewegung zwar nicht voͤllig, aber doch beynahe gleichfoͤrmig erſchiene; daß aber die Proportionalitaͤt der Sectoren, die aus der Sonne oder dem erſten Brennpunkte gezogen wurden, mit den Zeitraͤumen, in allen Beobachtungen genau ſtatt fand. Durch dieſen Gang der Ideen ward die zwote Regel zugleich mit der erſten entdeckt. Nach dieſen Regeln berechnete er nun ſeine Tafeln. Er nahm die ganze Flaͤche der elliptiſchen Bahn fuͤr 360° an, theilte ſie in Gedanken vom Brennpunkte aus in 360 gleiche Sectoren, welche die mittlern Anomalien von Grad zu Grad vorſtellten, und ſuchte die jedem Sector zukommenden Winkel an der Sonne, welche die wahren Anomalien gaben. Der Unterſchied zwiſchen beyden iſt die Aequation oder Gleichung der Bahn, durch welche er nach der vorhin angefuͤhrten Stelle den Planeten zu feſſeln ſuchte, ſ. den Artikel: Anomalie. Das dritte Geſetz, daß ſich bey Koͤrpern, welche um einerley Hauptkoͤrper laufen, die Quadratzahlen der Umlaufszeiten, wie die Wuͤrfel der mittlern Entfernungen vom Hauptkoͤrper verhalten, erfand dieſer große Geometer etwas ſpaͤter, und durch eine Veranlaſſung, die er ſeinem Hange zum Wunderbaren zu danken hatte. Als ein Mann von lebhafter Phantaſie, der auch nach dem Geſchmacke der damaligen Zeit die Aſtrologie trieb, und allerhand beſondere Uebereinſtimmungen in Zahlen und Verhaͤltniſſen ſuchte, glaubte er nach Art der Pythagoraͤer eine eigne Harmonie zwiſchen den Toͤnen der Muſik, den regulaͤren Koͤrpern der Geometrie und den Entfernungen und Groͤßen der Planeten zu finden. Bey dieſen Beſchaͤftigungen fiel er darauf, die Umlaufszeiten der Planeten um die Sonne mit ihren Entfernungen von derſelben zu vergleichen. Iupiter z. B. ſteht 5 1/5mal weiter von der Sonne ab, als die Erde, und braucht zu ſeinem Umlaufe 11 6/7mal mehr Zeit. Alſo verhalten ſich die Umlaufszeiten nicht ſo, wie die Entfernungen. Aber vielleicht verhalten ſich gewiſſe Potenzen oder Wurzeln dieſer Groͤßen auf einerley

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/759
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 753. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/759>, abgerufen am 22.11.2024.