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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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wieder näherte. Wenn Taf. IX. Fig. 30. die Erde durch DAC gieng, und man also blos die Austritte bey m bemerkte, so wurden sie immer später gesehen, so daß der größte Unterschied, wenn die Erde bey C war, über 14 Min. betrug; dagegen erfolgten im Laufe durch CBD die Eintritte bey e immer früher, je weiter die Erde gegen D heran kam. Römer schloß hieraus, daß diese Ungleichheit, welche offenbar von dem Abstande der Erde und des Iupiters abhieng, eine Folge davon sey, daß das Licht auf seinem Wege zur Erde über 14 Min. eher in den Stellen bey D, als in denen bey C anlange, und also über 7 Min. Zeit brauche, um durch die Helfte der Linie CD, oder von der Sonne S bis zur Erde zu kommen. Diese Muthmaßung legten Cassini und er schon 1675 der pariser Akademie vor.

Descartes hatte aus den Sonnen- und Mondfinsternissen geschlossen, daß sich das Licht augenblicklich (in instanti) fortpflanze, und dieser Satz machte einen wesentlilichen Theil seiner Hypothese vom Lichte aus. Daher fand Römers Behauptung bey der Akademie, welche noch sehr cartesianisch gesinnt war, Widerspruch. Cassini selbst und Maraldi erklärten sich dagegen, und suchten die bemerkte Ungleichheit aus der Eccentricität der Bahn der Iupitersmonden herzuleiten (s. Weidler Hist. astr. p. 540.); Huygens und Newton aber nahmen diese Entdeckung mit Beyfall auf, und seitdem sie Bradley im I. 1728 so schön zur Erklärung der Aberration benützt hat, s. Abirrung des Lichts, zweifelt kein Sachverständiger mehr an ihrer vollkommenen Richtigkeit.

Das Licht pflanzt sich also nicht augenblicklich, sondern allmählig fort (propagatio successiva) d. i. so, daß es zu seiner Bewegung einige Zeit braucht. Bradley's genauere Bestimmungen (Philos. Trans. no. 485.) haben gezeigt, daß die Zeit, die es braucht, um durch DC oder den Durchmesser der Erdbahn zu kommen, 16 Min. 15 Sec. betrage, daher es von der Sonne bis zu uns in 8 Min. 7 1/2 Secunde gelangt. Diese Geschwindigkeit übertrifft an Größe alle andere, die wir kennen. Sie ist 10313mal größer als die, mit welcher die Erde um die Sonne läuft,


wieder naͤherte. Wenn Taf. IX. Fig. 30. die Erde durch DAC gieng, und man alſo blos die Austritte bey m bemerkte, ſo wurden ſie immer ſpaͤter geſehen, ſo daß der groͤßte Unterſchied, wenn die Erde bey C war, uͤber 14 Min. betrug; dagegen erfolgten im Laufe durch CBD die Eintritte bey e immer fruͤher, je weiter die Erde gegen D heran kam. Roͤmer ſchloß hieraus, daß dieſe Ungleichheit, welche offenbar von dem Abſtande der Erde und des Iupiters abhieng, eine Folge davon ſey, daß das Licht auf ſeinem Wege zur Erde uͤber 14 Min. eher in den Stellen bey D, als in denen bey C anlange, und alſo uͤber 7 Min. Zeit brauche, um durch die Helfte der Linie CD, oder von der Sonne S bis zur Erde zu kommen. Dieſe Muthmaßung legten Caſſini und er ſchon 1675 der pariſer Akademie vor.

Descartes hatte aus den Sonnen- und Mondfinſterniſſen geſchloſſen, daß ſich das Licht augenblicklich (in inſtanti) fortpflanze, und dieſer Satz machte einen weſentlilichen Theil ſeiner Hypotheſe vom Lichte aus. Daher fand Roͤmers Behauptung bey der Akademie, welche noch ſehr carteſianiſch geſinnt war, Widerſpruch. Caſſini ſelbſt und Maraldi erklaͤrten ſich dagegen, und ſuchten die bemerkte Ungleichheit aus der Eccentricitaͤt der Bahn der Iupitersmonden herzuleiten (ſ. Weidler Hiſt. aſtr. p. 540.); Huygens und Newton aber nahmen dieſe Entdeckung mit Beyfall auf, und ſeitdem ſie Bradley im I. 1728 ſo ſchoͤn zur Erklaͤrung der Aberration benuͤtzt hat, ſ. Abirrung des Lichts, zweifelt kein Sachverſtaͤndiger mehr an ihrer vollkommenen Richtigkeit.

Das Licht pflanzt ſich alſo nicht augenblicklich, ſondern allmaͤhlig fort (propagatio ſucceſſiva) d. i. ſo, daß es zu ſeiner Bewegung einige Zeit braucht. Bradley's genauere Beſtimmungen (Philoſ. Trans. no. 485.) haben gezeigt, daß die Zeit, die es braucht, um durch DC oder den Durchmeſſer der Erdbahn zu kommen, 16 Min. 15 Sec. betrage, daher es von der Sonne bis zu uns in 8 Min. 7 1/2 Secunde gelangt. Dieſe Geſchwindigkeit uͤbertrifft an Groͤße alle andere, die wir kennen. Sie iſt 10313mal groͤßer als die, mit welcher die Erde um die Sonne laͤuft,

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[888/0894] wieder naͤherte. Wenn Taf. IX. Fig. 30. die Erde durch DAC gieng, und man alſo blos die Austritte bey m bemerkte, ſo wurden ſie immer ſpaͤter geſehen, ſo daß der groͤßte Unterſchied, wenn die Erde bey C war, uͤber 14 Min. betrug; dagegen erfolgten im Laufe durch CBD die Eintritte bey e immer fruͤher, je weiter die Erde gegen D heran kam. Roͤmer ſchloß hieraus, daß dieſe Ungleichheit, welche offenbar von dem Abſtande der Erde und des Iupiters abhieng, eine Folge davon ſey, daß das Licht auf ſeinem Wege zur Erde uͤber 14 Min. eher in den Stellen bey D, als in denen bey C anlange, und alſo uͤber 7 Min. Zeit brauche, um durch die Helfte der Linie CD, oder von der Sonne S bis zur Erde zu kommen. Dieſe Muthmaßung legten Caſſini und er ſchon 1675 der pariſer Akademie vor. Descartes hatte aus den Sonnen- und Mondfinſterniſſen geſchloſſen, daß ſich das Licht augenblicklich (in inſtanti) fortpflanze, und dieſer Satz machte einen weſentlilichen Theil ſeiner Hypotheſe vom Lichte aus. Daher fand Roͤmers Behauptung bey der Akademie, welche noch ſehr carteſianiſch geſinnt war, Widerſpruch. Caſſini ſelbſt und Maraldi erklaͤrten ſich dagegen, und ſuchten die bemerkte Ungleichheit aus der Eccentricitaͤt der Bahn der Iupitersmonden herzuleiten (ſ. Weidler Hiſt. aſtr. p. 540.); Huygens und Newton aber nahmen dieſe Entdeckung mit Beyfall auf, und ſeitdem ſie Bradley im I. 1728 ſo ſchoͤn zur Erklaͤrung der Aberration benuͤtzt hat, ſ. Abirrung des Lichts, zweifelt kein Sachverſtaͤndiger mehr an ihrer vollkommenen Richtigkeit. Das Licht pflanzt ſich alſo nicht augenblicklich, ſondern allmaͤhlig fort (propagatio ſucceſſiva) d. i. ſo, daß es zu ſeiner Bewegung einige Zeit braucht. Bradley's genauere Beſtimmungen (Philoſ. Trans. no. 485.) haben gezeigt, daß die Zeit, die es braucht, um durch DC oder den Durchmeſſer der Erdbahn zu kommen, 16 Min. 15 Sec. betrage, daher es von der Sonne bis zu uns in 8 Min. 7 1/2 Secunde gelangt. Dieſe Geſchwindigkeit uͤbertrifft an Groͤße alle andere, die wir kennen. Sie iſt 10313mal groͤßer als die, mit welcher die Erde um die Sonne laͤuft,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 888. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/894>, abgerufen am 22.11.2024.