Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
"Die Sonne," sagt man, "müßte durch das unauf"hörliche Ausströmen einer Materie aus allen ihren Punk"ten und nach allen Seiten längst erschöpft seyn." Euler berechnet, wenn der Verlust der Sonne in 5000 Jahren unmerklich seyn sollte, so müsse die Dichte der Sonnenstralen an der Erde eine Trillion mal geringer seyn, als die Dichte der Sonne selbst, welches ihm unbegreiflich dünkt. Kan man aber wohl irgend einen Satz, blos einer großen Zahl halber, für unbegreiflich erklären? Ueberdies sind die Lichtstralen auch nicht für ununterbrochne Ströme anzunehmen, wie etwa die Wasserstralen eines Springbrunnens, mit denen sie Euler (Briefe an eine deutsche Prinz. 17 Brief.) sehr unbillig vergleicht. Was im Vorigen von der Feinheit des Lichts angeführt worden ist, beweißt, daß man die Masse der Lichtstralen über alle Vorstellung gering annehmen darf, und wenn der daselbst erwähnte Versuch von Michell richtig ist, so wird nach Priestley's Rechnung (Gesch. der Optik. S. 283.) jeder Quadratfuß auf der Oberfläche der Sonne in einem Tage nur zween Gran Masse verlieren, wodurch der Halbmesser der Sonne, wenn sie nur die Dichte des Wassers hätte, in 6000 Jahren nicht mehr, als etwa um 10 Fuß kleiner werden würde. Newton sieht es noch außerdem als möglich an, daß zu Ersetzung dieses Verlusts Kometen in die Sonne fallen können. Man hat ferner gefragt: "wo denn diese Menge von "Licht, welche unaufhörlich auf die Körper fällt, hernach "bleibe?" Aber zu geschweigen, daß der größte Theil der Stralen von der Erdfläche wieder zurück gesendet wird bringt auch das Licht in den Körpern selbst, in Absicht auf Wärme,
”Die Sonne,“ ſagt man, ”muͤßte durch das unauf”hoͤrliche Ausſtroͤmen einer Materie aus allen ihren Punk”ten und nach allen Seiten laͤngſt erſchoͤpft ſeyn.“ Euler berechnet, wenn der Verluſt der Sonne in 5000 Jahren unmerklich ſeyn ſollte, ſo muͤſſe die Dichte der Sonnenſtralen an der Erde eine Trillion mal geringer ſeyn, als die Dichte der Sonne ſelbſt, welches ihm unbegreiflich duͤnkt. Kan man aber wohl irgend einen Satz, blos einer großen Zahl halber, fuͤr unbegreiflich erklaͤren? Ueberdies ſind die Lichtſtralen auch nicht fuͤr ununterbrochne Stroͤme anzunehmen, wie etwa die Waſſerſtralen eines Springbrunnens, mit denen ſie Euler (Briefe an eine deutſche Prinz. 17 Brief.) ſehr unbillig vergleicht. Was im Vorigen von der Feinheit des Lichts angefuͤhrt worden iſt, beweißt, daß man die Maſſe der Lichtſtralen uͤber alle Vorſtellung gering annehmen darf, und wenn der daſelbſt erwaͤhnte Verſuch von Michell richtig iſt, ſo wird nach Prieſtley's Rechnung (Geſch. der Optik. S. 283.) jeder Quadratfuß auf der Oberflaͤche der Sonne in einem Tage nur zween Gran Maſſe verlieren, wodurch der Halbmeſſer der Sonne, wenn ſie nur die Dichte des Waſſers haͤtte, in 6000 Jahren nicht mehr, als etwa um 10 Fuß kleiner werden wuͤrde. Newton ſieht es noch außerdem als moͤglich an, daß zu Erſetzung dieſes Verluſts Kometen in die Sonne fallen koͤnnen. Man hat ferner gefragt: ”wo denn dieſe Menge von ”Licht, welche unaufhoͤrlich auf die Koͤrper faͤllt, hernach ”bleibe?“ Aber zu geſchweigen, daß der groͤßte Theil der Stralen von der Erdflaͤche wieder zuruͤck geſendet wird bringt auch das Licht in den Koͤrpern ſelbſt, in Abſicht auf Waͤrme, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0900" xml:id="P.2.894" n="894"/><lb/> ſich in keinem andern Syſteme eine gleich leichte und einfache an die Seite ſetzen laͤßt. Sie iſt wenigſtens ein ſchoͤnes Gleichniß, das man ſehr weit ausdehnen und gar nicht entbehren kan, wenn man von allen Phaͤnomenen des Lichts auf eine gleichfoͤrmige Art Rechenſchaft geben will. Man hat aber dieſes Emanationsſyſtem vornehmlich mit folgenden, meiſtens von <hi rendition="#b">Euler</hi> vorgebrachten, Gruͤnden beſtritten.</p> <p>”Die Sonne,“ ſagt man, ”muͤßte durch das unauf”hoͤrliche Ausſtroͤmen einer Materie aus allen ihren Punk”ten und nach allen Seiten laͤngſt erſchoͤpft ſeyn.“ <hi rendition="#b">Euler</hi> berechnet, wenn der Verluſt der Sonne in 5000 Jahren unmerklich ſeyn ſollte, ſo muͤſſe die Dichte der Sonnenſtralen an der Erde eine Trillion mal geringer ſeyn, als die Dichte der Sonne ſelbſt, welches ihm unbegreiflich duͤnkt. Kan man aber wohl irgend einen Satz, blos einer großen Zahl halber, fuͤr unbegreiflich erklaͤren? Ueberdies ſind die Lichtſtralen auch nicht fuͤr <hi rendition="#b">ununterbrochne Stroͤme</hi> anzunehmen, wie etwa die Waſſerſtralen eines Springbrunnens, mit denen ſie <hi rendition="#b">Euler</hi> (Briefe an eine deutſche Prinz. 17 Brief.) ſehr unbillig vergleicht. Was im Vorigen von der Feinheit des Lichts angefuͤhrt worden iſt, beweißt, daß man die Maſſe der Lichtſtralen uͤber alle Vorſtellung gering annehmen darf, und wenn der daſelbſt erwaͤhnte Verſuch von <hi rendition="#b">Michell</hi> richtig iſt, ſo wird nach <hi rendition="#b">Prieſtley's</hi> Rechnung (Geſch. der Optik. S. 283.) jeder Quadratfuß auf der Oberflaͤche der Sonne in einem Tage nur zween Gran Maſſe verlieren, wodurch der Halbmeſſer der Sonne, wenn ſie nur die Dichte des Waſſers haͤtte, in 6000 Jahren nicht mehr, als etwa um 10 Fuß kleiner werden wuͤrde. <hi rendition="#b">Newton</hi> ſieht es noch außerdem als moͤglich an, daß zu Erſetzung dieſes Verluſts Kometen in die Sonne fallen koͤnnen.</p> <p>Man hat ferner gefragt: ”wo denn dieſe Menge von ”Licht, welche unaufhoͤrlich auf die Koͤrper faͤllt, hernach ”bleibe?“ Aber zu geſchweigen, daß der groͤßte Theil der Stralen von der Erdflaͤche wieder zuruͤck geſendet wird bringt auch das Licht in den Koͤrpern ſelbſt, in Abſicht auf Waͤrme,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [894/0900]
ſich in keinem andern Syſteme eine gleich leichte und einfache an die Seite ſetzen laͤßt. Sie iſt wenigſtens ein ſchoͤnes Gleichniß, das man ſehr weit ausdehnen und gar nicht entbehren kan, wenn man von allen Phaͤnomenen des Lichts auf eine gleichfoͤrmige Art Rechenſchaft geben will. Man hat aber dieſes Emanationsſyſtem vornehmlich mit folgenden, meiſtens von Euler vorgebrachten, Gruͤnden beſtritten.
”Die Sonne,“ ſagt man, ”muͤßte durch das unauf”hoͤrliche Ausſtroͤmen einer Materie aus allen ihren Punk”ten und nach allen Seiten laͤngſt erſchoͤpft ſeyn.“ Euler berechnet, wenn der Verluſt der Sonne in 5000 Jahren unmerklich ſeyn ſollte, ſo muͤſſe die Dichte der Sonnenſtralen an der Erde eine Trillion mal geringer ſeyn, als die Dichte der Sonne ſelbſt, welches ihm unbegreiflich duͤnkt. Kan man aber wohl irgend einen Satz, blos einer großen Zahl halber, fuͤr unbegreiflich erklaͤren? Ueberdies ſind die Lichtſtralen auch nicht fuͤr ununterbrochne Stroͤme anzunehmen, wie etwa die Waſſerſtralen eines Springbrunnens, mit denen ſie Euler (Briefe an eine deutſche Prinz. 17 Brief.) ſehr unbillig vergleicht. Was im Vorigen von der Feinheit des Lichts angefuͤhrt worden iſt, beweißt, daß man die Maſſe der Lichtſtralen uͤber alle Vorſtellung gering annehmen darf, und wenn der daſelbſt erwaͤhnte Verſuch von Michell richtig iſt, ſo wird nach Prieſtley's Rechnung (Geſch. der Optik. S. 283.) jeder Quadratfuß auf der Oberflaͤche der Sonne in einem Tage nur zween Gran Maſſe verlieren, wodurch der Halbmeſſer der Sonne, wenn ſie nur die Dichte des Waſſers haͤtte, in 6000 Jahren nicht mehr, als etwa um 10 Fuß kleiner werden wuͤrde. Newton ſieht es noch außerdem als moͤglich an, daß zu Erſetzung dieſes Verluſts Kometen in die Sonne fallen koͤnnen.
Man hat ferner gefragt: ”wo denn dieſe Menge von ”Licht, welche unaufhoͤrlich auf die Koͤrper faͤllt, hernach ”bleibe?“ Aber zu geſchweigen, daß der groͤßte Theil der Stralen von der Erdflaͤche wieder zuruͤck geſendet wird bringt auch das Licht in den Koͤrpern ſelbſt, in Abſicht auf Waͤrme,
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