Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Daß in den Räumen, die dem Auge leer scheinen, noch etwas vorhanden sey, das gefühlt werden kan, davon überzeugt uns unsere Empfindung, wenn wir dieses unsichtbare Etwas gegen uns treiben. Wir fühlen alsdann die Bewegung desselben, oder den Wind. Taucht man ein leeres Glas EFG, Taf. XIV. Fig. 1. mit unterwärts gekehrter Oefnung, im Gefäße ABCD so unter Wasser, daß der Rand des Glases FG beym Aufsetzen die Wasserfläche AB ringsherum zugleich berührt, so füllt das Wasser die Höhlung des Glases nicht ganz aus, ob es gleich nach den Gesetzen der Hydrostatik, wenn das Glas wirklich leer wäre, bis E eindringen müßte. Es muß daher im Glase etwas seyn, das das Eindringen des Wassers bis E hindert, etwas Ausgedehntes und Undurchdringliches, dem also die Eigenschaften eines Körpers zukommen. Aehnliche Erfahrungen überzeugen uns von der Gegenwart dieses unsichtbaren Körpers in allen leer scheinenden Räumen von der Erdfläche an bis auf die höchsten Berge. Wir schließen also, die ganze Erde sey mit einer unsichtbaren Materie umgeben, die wir Luft nennen. Die Flüßigkeit dieser Materie erhellet aus der Leichtigkeit, mit der sich ihre Theile trennen lassen, und aus der respectiven Beweglichkeit der Theile, die ihr ohne Widerrede zukömmt. Auch die heftigste Kälte benimmt ihr diese Kennzeichen der Flüßigkeit nicht, und überhaupt ist kein Mittel bekannt, die Luft in einen festen Körper zu verwandeln, wenn sie nicht gänzlich zersetzt wird, und ihre Bestandtheile in ganz neue Verbindungen treten. Die Elasticität der Luft kan ebenfalls durch leichte Versuche erwiesen werden. Eine mit Luft gefüllte Blase läßt sich zusammen drücken, dehnt sich aber, sobald der Druck aufhört, wieder aus. Einen genau schließenden Stempel in einem metallnen cylindrischen Rohre kan man um eine
Daß in den Raͤumen, die dem Auge leer ſcheinen, noch etwas vorhanden ſey, das gefuͤhlt werden kan, davon uͤberzeugt uns unſere Empfindung, wenn wir dieſes unſichtbare Etwas gegen uns treiben. Wir fuͤhlen alsdann die Bewegung deſſelben, oder den Wind. Taucht man ein leeres Glas EFG, Taf. XIV. Fig. 1. mit unterwaͤrts gekehrter Oefnung, im Gefaͤße ABCD ſo unter Waſſer, daß der Rand des Glaſes FG beym Aufſetzen die Waſſerflaͤche AB ringsherum zugleich beruͤhrt, ſo fuͤllt das Waſſer die Hoͤhlung des Glaſes nicht ganz aus, ob es gleich nach den Geſetzen der Hydroſtatik, wenn das Glas wirklich leer waͤre, bis E eindringen muͤßte. Es muß daher im Glaſe etwas ſeyn, das das Eindringen des Waſſers bis E hindert, etwas Ausgedehntes und Undurchdringliches, dem alſo die Eigenſchaften eines Koͤrpers zukommen. Aehnliche Erfahrungen uͤberzeugen uns von der Gegenwart dieſes unſichtbaren Koͤrpers in allen leer ſcheinenden Raͤumen von der Erdflaͤche an bis auf die hoͤchſten Berge. Wir ſchließen alſo, die ganze Erde ſey mit einer unſichtbaren Materie umgeben, die wir Luft nennen. Die Fluͤßigkeit dieſer Materie erhellet aus der Leichtigkeit, mit der ſich ihre Theile trennen laſſen, und aus der reſpectiven Beweglichkeit der Theile, die ihr ohne Widerrede zukoͤmmt. Auch die heftigſte Kaͤlte benimmt ihr dieſe Kennzeichen der Fluͤßigkeit nicht, und uͤberhaupt iſt kein Mittel bekannt, die Luft in einen feſten Koͤrper zu verwandeln, wenn ſie nicht gaͤnzlich zerſetzt wird, und ihre Beſtandtheile in ganz neue Verbindungen treten. Die Elaſticitaͤt der Luft kan ebenfalls durch leichte Verſuche erwieſen werden. Eine mit Luft gefuͤllte Blaſe laͤßt ſich zuſammen druͤcken, dehnt ſich aber, ſobald der Druck aufhoͤrt, wieder aus. Einen genau ſchließenden Stempel in einem metallnen cylindriſchen Rohre kan man um eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0011" xml:id="P.3.5" n="5"/><lb/> Eigenſchaften wegen im Luftkreiſe ſtatt findet, wird man beym Worte: <hi rendition="#b">Luftkreis</hi> antreffen. <hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Fluͤßigkeit, Elaſticitaͤt und Schwere der Luft.</hi></hi></p> <p>Daß in den Raͤumen, die dem Auge leer ſcheinen, noch etwas vorhanden ſey, das gefuͤhlt werden kan, davon uͤberzeugt uns unſere Empfindung, wenn wir dieſes unſichtbare Etwas gegen uns treiben. Wir fuͤhlen alsdann die Bewegung deſſelben, oder den <hi rendition="#b">Wind.</hi> Taucht man ein leeres Glas <hi rendition="#aq">EFG,</hi> Taf. <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Fig. 1. mit unterwaͤrts gekehrter Oefnung, im Gefaͤße <hi rendition="#aq">ABCD</hi> ſo unter Waſſer, daß der Rand des Glaſes <hi rendition="#aq">FG</hi> beym Aufſetzen die Waſſerflaͤche <hi rendition="#aq">AB</hi> ringsherum zugleich beruͤhrt, ſo fuͤllt das Waſſer die Hoͤhlung des Glaſes nicht ganz aus, ob es gleich nach den Geſetzen der Hydroſtatik, wenn das Glas wirklich leer waͤre, bis <hi rendition="#aq">E</hi> eindringen muͤßte. Es muß daher im Glaſe etwas ſeyn, das das Eindringen des Waſſers bis <hi rendition="#aq">E</hi> hindert, etwas Ausgedehntes und Undurchdringliches, dem alſo die Eigenſchaften eines Koͤrpers zukommen. Aehnliche Erfahrungen uͤberzeugen uns von der Gegenwart dieſes unſichtbaren Koͤrpers in allen leer ſcheinenden Raͤumen von der Erdflaͤche an bis auf die hoͤchſten Berge. Wir ſchließen alſo, die ganze Erde ſey mit einer unſichtbaren Materie umgeben, die wir <hi rendition="#b">Luft</hi> nennen.</p> <p>Die <hi rendition="#b">Fluͤßigkeit</hi> dieſer Materie erhellet aus der Leichtigkeit, mit der ſich ihre Theile trennen laſſen, und aus der reſpectiven Beweglichkeit der Theile, die ihr ohne Widerrede zukoͤmmt. Auch die heftigſte Kaͤlte benimmt ihr dieſe Kennzeichen der Fluͤßigkeit nicht, und uͤberhaupt iſt kein Mittel bekannt, die Luft in einen feſten Koͤrper zu verwandeln, wenn ſie nicht gaͤnzlich zerſetzt wird, und ihre Beſtandtheile in ganz neue Verbindungen treten.</p> <p>Die <hi rendition="#b">Elaſticitaͤt</hi> der Luft kan ebenfalls durch leichte Verſuche erwieſen werden. Eine mit Luft gefuͤllte Blaſe laͤßt ſich zuſammen druͤcken, dehnt ſich aber, ſobald der Druck aufhoͤrt, wieder aus. Einen genau ſchließenden Stempel in einem metallnen cylindriſchen Rohre kan man um eine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0011]
Eigenſchaften wegen im Luftkreiſe ſtatt findet, wird man beym Worte: Luftkreis antreffen. Fluͤßigkeit, Elaſticitaͤt und Schwere der Luft.
Daß in den Raͤumen, die dem Auge leer ſcheinen, noch etwas vorhanden ſey, das gefuͤhlt werden kan, davon uͤberzeugt uns unſere Empfindung, wenn wir dieſes unſichtbare Etwas gegen uns treiben. Wir fuͤhlen alsdann die Bewegung deſſelben, oder den Wind. Taucht man ein leeres Glas EFG, Taf. XIV. Fig. 1. mit unterwaͤrts gekehrter Oefnung, im Gefaͤße ABCD ſo unter Waſſer, daß der Rand des Glaſes FG beym Aufſetzen die Waſſerflaͤche AB ringsherum zugleich beruͤhrt, ſo fuͤllt das Waſſer die Hoͤhlung des Glaſes nicht ganz aus, ob es gleich nach den Geſetzen der Hydroſtatik, wenn das Glas wirklich leer waͤre, bis E eindringen muͤßte. Es muß daher im Glaſe etwas ſeyn, das das Eindringen des Waſſers bis E hindert, etwas Ausgedehntes und Undurchdringliches, dem alſo die Eigenſchaften eines Koͤrpers zukommen. Aehnliche Erfahrungen uͤberzeugen uns von der Gegenwart dieſes unſichtbaren Koͤrpers in allen leer ſcheinenden Raͤumen von der Erdflaͤche an bis auf die hoͤchſten Berge. Wir ſchließen alſo, die ganze Erde ſey mit einer unſichtbaren Materie umgeben, die wir Luft nennen.
Die Fluͤßigkeit dieſer Materie erhellet aus der Leichtigkeit, mit der ſich ihre Theile trennen laſſen, und aus der reſpectiven Beweglichkeit der Theile, die ihr ohne Widerrede zukoͤmmt. Auch die heftigſte Kaͤlte benimmt ihr dieſe Kennzeichen der Fluͤßigkeit nicht, und uͤberhaupt iſt kein Mittel bekannt, die Luft in einen feſten Koͤrper zu verwandeln, wenn ſie nicht gaͤnzlich zerſetzt wird, und ihre Beſtandtheile in ganz neue Verbindungen treten.
Die Elaſticitaͤt der Luft kan ebenfalls durch leichte Verſuche erwieſen werden. Eine mit Luft gefuͤllte Blaſe laͤßt ſich zuſammen druͤcken, dehnt ſich aber, ſobald der Druck aufhoͤrt, wieder aus. Einen genau ſchließenden Stempel in einem metallnen cylindriſchen Rohre kan man um eine
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