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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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das Dreyeck, als ein geometrischer Gegenstand, auf eine arithmetische Art behandelt wird. Arithmetik, Geometrie und Trigonometrie machen zusammen die Elementaroder gemeine Mathematik (Mathesis elementaris, Mathemata inferiora) aus.

Hiezu kommen noch unter dem Namen der höhern Mathematik (Mathesis sublimior, Mathemata superiora) verschiedene große Capitel einer aus Arithmetik und Geometrie zusammengesetzten Wissenschaft. Die Buchstabenrechnung oder allgemeine Kechenkunst (Arithmetica vniuersalis) lehrt allgemeine Zeichen so gebrauchen, daß das daraus Gefundene auf Zahlen sowohl, als auf Räume angewendet werden kan; die Analysis und Algebra lehren das Unbekannte aus seinem Verhalten gegen das Bekannte finden, und die dabey vorkommenden Gleichungen auflösen; die höhere Geometrie betrachtet die krummen Linien, welche nicht Kreise oder aus Theilen von Kreisen zusammengesetzt sind; die Rechnung des Unendlichen (calculus infinitesimalis, analy sis infinitorum) findet aus der Vergleichung zwischen veränderlichen Größen die Vergleichung zwischen den Geschwindigkeiten, mit denen sie sich ändern (Differentialrechnung), oder umgekehrt aus dieser Vergleichung jene (Integralrechnung). Alles bisher Erwähnte macht den ganzen Umfang der reinen Mathematik aus.

Die angewandte Mathematik hat keine andern Grenzen, als die Welt selbst, und kan so viel Wissenschaften enthalten, als es Gegenstände giebt, bey denen sich Größen durch Schlüsse bestimmen lassen. Der gewöhnlichsten Gegenstände dieser Art sind drey: die Kräfte und Bewegungen der Körper, das Licht, und die Himmelskörper. Nach diesen zerfällt die angewandte Mathematik beym gewöhnlichen Vortrage in die drey Hauptabschnitte der mechanischen, optischen und astronomischen Wissenschaften. Jeder Abschnitt enthält wiederum mehrere Theile, s. die Worte Mechanik, Optik, Astronomie. So wie sich aber unsere Kenntnisse der natürlichen Dinge immer vervielfältigen, so finden sich


das Dreyeck, als ein geometriſcher Gegenſtand, auf eine arithmetiſche Art behandelt wird. Arithmetik, Geometrie und Trigonometrie machen zuſammen die Elementaroder gemeine Mathematik (Matheſis elementaris, Mathemata inferiora) aus.

Hiezu kommen noch unter dem Namen der hoͤhern Mathematik (Matheſis ſublimior, Mathemata ſuperiora) verſchiedene große Capitel einer aus Arithmetik und Geometrie zuſammengeſetzten Wiſſenſchaft. Die Buchſtabenrechnung oder allgemeine Kechenkunſt (Arithmetica vniuerſalis) lehrt allgemeine Zeichen ſo gebrauchen, daß das daraus Gefundene auf Zahlen ſowohl, als auf Raͤume angewendet werden kan; die Analyſis und Algebra lehren das Unbekannte aus ſeinem Verhalten gegen das Bekannte finden, und die dabey vorkommenden Gleichungen aufloͤſen; die hoͤhere Geometrie betrachtet die krummen Linien, welche nicht Kreiſe oder aus Theilen von Kreiſen zuſammengeſetzt ſind; die Rechnung des Unendlichen (calculus infiniteſimalis, analy ſis infinitorum) findet aus der Vergleichung zwiſchen veraͤnderlichen Groͤßen die Vergleichung zwiſchen den Geſchwindigkeiten, mit denen ſie ſich aͤndern (Differentialrechnung), oder umgekehrt aus dieſer Vergleichung jene (Integralrechnung). Alles bisher Erwaͤhnte macht den ganzen Umfang der reinen Mathematik aus.

Die angewandte Mathematik hat keine andern Grenzen, als die Welt ſelbſt, und kan ſo viel Wiſſenſchaften enthalten, als es Gegenſtaͤnde giebt, bey denen ſich Groͤßen durch Schluͤſſe beſtimmen laſſen. Der gewoͤhnlichſten Gegenſtaͤnde dieſer Art ſind drey: die Kraͤfte und Bewegungen der Koͤrper, das Licht, und die Himmelskoͤrper. Nach dieſen zerfaͤllt die angewandte Mathematik beym gewoͤhnlichen Vortrage in die drey Hauptabſchnitte der mechaniſchen, optiſchen und aſtronomiſchen Wiſſenſchaften. Jeder Abſchnitt enthaͤlt wiederum mehrere Theile, ſ. die Worte Mechanik, Optik, Aſtronomie. So wie ſich aber unſere Kenntniſſe der natuͤrlichen Dinge immer vervielfaͤltigen, ſo finden ſich

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[158/0164] das Dreyeck, als ein geometriſcher Gegenſtand, auf eine arithmetiſche Art behandelt wird. Arithmetik, Geometrie und Trigonometrie machen zuſammen die Elementaroder gemeine Mathematik (Matheſis elementaris, Mathemata inferiora) aus. Hiezu kommen noch unter dem Namen der hoͤhern Mathematik (Matheſis ſublimior, Mathemata ſuperiora) verſchiedene große Capitel einer aus Arithmetik und Geometrie zuſammengeſetzten Wiſſenſchaft. Die Buchſtabenrechnung oder allgemeine Kechenkunſt (Arithmetica vniuerſalis) lehrt allgemeine Zeichen ſo gebrauchen, daß das daraus Gefundene auf Zahlen ſowohl, als auf Raͤume angewendet werden kan; die Analyſis und Algebra lehren das Unbekannte aus ſeinem Verhalten gegen das Bekannte finden, und die dabey vorkommenden Gleichungen aufloͤſen; die hoͤhere Geometrie betrachtet die krummen Linien, welche nicht Kreiſe oder aus Theilen von Kreiſen zuſammengeſetzt ſind; die Rechnung des Unendlichen (calculus infiniteſimalis, analy ſis infinitorum) findet aus der Vergleichung zwiſchen veraͤnderlichen Groͤßen die Vergleichung zwiſchen den Geſchwindigkeiten, mit denen ſie ſich aͤndern (Differentialrechnung), oder umgekehrt aus dieſer Vergleichung jene (Integralrechnung). Alles bisher Erwaͤhnte macht den ganzen Umfang der reinen Mathematik aus. Die angewandte Mathematik hat keine andern Grenzen, als die Welt ſelbſt, und kan ſo viel Wiſſenſchaften enthalten, als es Gegenſtaͤnde giebt, bey denen ſich Groͤßen durch Schluͤſſe beſtimmen laſſen. Der gewoͤhnlichſten Gegenſtaͤnde dieſer Art ſind drey: die Kraͤfte und Bewegungen der Koͤrper, das Licht, und die Himmelskoͤrper. Nach dieſen zerfaͤllt die angewandte Mathematik beym gewoͤhnlichen Vortrage in die drey Hauptabſchnitte der mechaniſchen, optiſchen und aſtronomiſchen Wiſſenſchaften. Jeder Abſchnitt enthaͤlt wiederum mehrere Theile, ſ. die Worte Mechanik, Optik, Aſtronomie. So wie ſich aber unſere Kenntniſſe der natuͤrlichen Dinge immer vervielfaͤltigen, ſo finden ſich

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/164>, abgerufen am 24.11.2024.