Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Der Ursprung mathematischer Kenntnisse ist ohne Zweifel ins höchste Alterthum zu setzen. Wahrscheinlich brachten Bedürfniß und Nothwendigfeit zuerst praktische Erfindungen hervor, aus welchen nachher scharfsinnige Köpfe die allgemeinen theoretischen Sätze abstrahirt haben. Nach den Zeugnissen der Alten soll dies zuerst bey den Phöniciern und Egyptiern geschehen seyn: jenen schrieb man nach dem Strabo (Geogr. L. XVII.) die Ersindung der Rechenkunst, diesen nach dem Herodot, Plato und Aristoteles die Entdeckung der Geometrie zu. Man sucht die Veranlassung geometrischer Erfindungen gewöhnlich in den jährlichen Ueberschwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwähnten Landabtheilung des Sesostris; wahrschelnlicher leitet Aristoteles (Metaphys. I. 1.) den Ursprung der Theorie aus dem geschäftlosen und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egyptischen Priester her. Dennoch scheinen diese gerühmten Kenntnisse der Egyptier kaum über die ersten Anfangsgründe hinausgegangen zu seyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehrsätze gehört erst den griechischen Weltweisen zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. s. w., welche insgemein eine so große Meinung von den mathematischen Einsichten dieses Volkes erregen, lassen sich, auch bey sehr mittelmäßigen praktischen Kenntnissen der Mathematik, leicht aus der Menge von Menschen erklären, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, s. Mechanik. Aus Egypten trugen Thales und Pythagoras die mathematischen Kenntnisse nach Griechenland über, und pflanzten sie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier erst hat der bewundernswürdige
Der Urſprung mathematiſcher Kenntniſſe iſt ohne Zweifel ins hoͤchſte Alterthum zu ſetzen. Wahrſcheinlich brachten Beduͤrfniß und Nothwendigfeit zuerſt praktiſche Erfindungen hervor, aus welchen nachher ſcharfſinnige Koͤpfe die allgemeinen theoretiſchen Saͤtze abſtrahirt haben. Nach den Zeugniſſen der Alten ſoll dies zuerſt bey den Phoͤniciern und Egyptiern geſchehen ſeyn: jenen ſchrieb man nach dem Strabo (Geogr. L. XVII.) die Erſindung der Rechenkunſt, dieſen nach dem Herodot, Plato und Ariſtoteles die Entdeckung der Geometrie zu. Man ſucht die Veranlaſſung geometriſcher Erfindungen gewoͤhnlich in den jaͤhrlichen Ueberſchwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwaͤhnten Landabtheilung des Seſoſtris; wahrſchelnlicher leitet Ariſtoteles (Metaphyſ. I. 1.) den Urſprung der Theorie aus dem geſchaͤftloſen und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egyptiſchen Prieſter her. Dennoch ſcheinen dieſe geruͤhmten Kenntniſſe der Egyptier kaum uͤber die erſten Anfangsgruͤnde hinausgegangen zu ſeyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehrſaͤtze gehoͤrt erſt den griechiſchen Weltweiſen zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. ſ. w., welche insgemein eine ſo große Meinung von den mathematiſchen Einſichten dieſes Volkes erregen, laſſen ſich, auch bey ſehr mittelmaͤßigen praktiſchen Kenntniſſen der Mathematik, leicht aus der Menge von Menſchen erklaͤren, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, ſ. Mechanik. Aus Egypten trugen Thales und Pythagoras die mathematiſchen Kenntniſſe nach Griechenland uͤber, und pflanzten ſie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier erſt hat der bewundernswuͤrdige <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0167" xml:id="P.3.161" n="161"/><lb/> chem. Abhandl. <hi rendition="#aq">I.</hi> Heft. Halle, 1786. 8. Num. 2.) hat hieruͤber leſenswuͤrdige Bemerkungen angeſtellt, ob er gleich in ſeiner Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur (Halle, 1783. 8.) die Abſonderung der mathematiſchen Lehren etwas zu weit getrieben, und nach einem Plane gearbeitet hat, in welchem ſich allzuſichtbare Luͤcken befinden.</p> <p>Der Urſprung mathematiſcher Kenntniſſe iſt ohne Zweifel ins hoͤchſte Alterthum zu ſetzen. Wahrſcheinlich brachten Beduͤrfniß und Nothwendigfeit zuerſt praktiſche Erfindungen hervor, aus welchen nachher ſcharfſinnige Koͤpfe die allgemeinen theoretiſchen Saͤtze abſtrahirt haben. Nach den Zeugniſſen der Alten ſoll dies zuerſt bey den Phoͤniciern und Egyptiern geſchehen ſeyn: jenen ſchrieb man nach dem <hi rendition="#b">Strabo</hi> <hi rendition="#aq">(Geogr. L. XVII.)</hi> die Erſindung der Rechenkunſt, dieſen nach dem <hi rendition="#b">Herodot, Plato</hi> und <hi rendition="#b">Ariſtoteles</hi> die Entdeckung der Geometrie zu. Man ſucht die Veranlaſſung geometriſcher Erfindungen gewoͤhnlich in den jaͤhrlichen Ueberſchwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwaͤhnten Landabtheilung des Seſoſtris; wahrſchelnlicher leitet <hi rendition="#b">Ariſtoteles</hi> <hi rendition="#aq">(Metaphyſ. I. 1.)</hi> den Urſprung der Theorie aus dem geſchaͤftloſen und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egyptiſchen Prieſter her. Dennoch ſcheinen dieſe geruͤhmten Kenntniſſe der Egyptier kaum uͤber die erſten Anfangsgruͤnde hinausgegangen zu ſeyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehrſaͤtze gehoͤrt erſt den griechiſchen Weltweiſen zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. ſ. w., welche insgemein eine ſo große Meinung von den mathematiſchen Einſichten dieſes Volkes erregen, laſſen ſich, auch bey ſehr mittelmaͤßigen praktiſchen Kenntniſſen der Mathematik, leicht aus der Menge von Menſchen erklaͤren, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, ſ. <hi rendition="#b">Mechanik.</hi></p> <p>Aus Egypten trugen <hi rendition="#b">Thales</hi> und <hi rendition="#b">Pythagoras die</hi> mathematiſchen Kenntniſſe nach Griechenland uͤber, und pflanzten ſie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier erſt hat der bewundernswuͤrdige<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [161/0167]
chem. Abhandl. I. Heft. Halle, 1786. 8. Num. 2.) hat hieruͤber leſenswuͤrdige Bemerkungen angeſtellt, ob er gleich in ſeiner Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur (Halle, 1783. 8.) die Abſonderung der mathematiſchen Lehren etwas zu weit getrieben, und nach einem Plane gearbeitet hat, in welchem ſich allzuſichtbare Luͤcken befinden.
Der Urſprung mathematiſcher Kenntniſſe iſt ohne Zweifel ins hoͤchſte Alterthum zu ſetzen. Wahrſcheinlich brachten Beduͤrfniß und Nothwendigfeit zuerſt praktiſche Erfindungen hervor, aus welchen nachher ſcharfſinnige Koͤpfe die allgemeinen theoretiſchen Saͤtze abſtrahirt haben. Nach den Zeugniſſen der Alten ſoll dies zuerſt bey den Phoͤniciern und Egyptiern geſchehen ſeyn: jenen ſchrieb man nach dem Strabo (Geogr. L. XVII.) die Erſindung der Rechenkunſt, dieſen nach dem Herodot, Plato und Ariſtoteles die Entdeckung der Geometrie zu. Man ſucht die Veranlaſſung geometriſcher Erfindungen gewoͤhnlich in den jaͤhrlichen Ueberſchwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwaͤhnten Landabtheilung des Seſoſtris; wahrſchelnlicher leitet Ariſtoteles (Metaphyſ. I. 1.) den Urſprung der Theorie aus dem geſchaͤftloſen und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egyptiſchen Prieſter her. Dennoch ſcheinen dieſe geruͤhmten Kenntniſſe der Egyptier kaum uͤber die erſten Anfangsgruͤnde hinausgegangen zu ſeyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehrſaͤtze gehoͤrt erſt den griechiſchen Weltweiſen zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. ſ. w., welche insgemein eine ſo große Meinung von den mathematiſchen Einſichten dieſes Volkes erregen, laſſen ſich, auch bey ſehr mittelmaͤßigen praktiſchen Kenntniſſen der Mathematik, leicht aus der Menge von Menſchen erklaͤren, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, ſ. Mechanik.
Aus Egypten trugen Thales und Pythagoras die mathematiſchen Kenntniſſe nach Griechenland uͤber, und pflanzten ſie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier erſt hat der bewundernswuͤrdige
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |