Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Fast keine Hypothese in der Physik ist mit so vielem Fleiße, Scharfsinn, Witz und Belesenheit ausgeführt worden, als die, nach welcher Herr v. Mairan (Traite physique et historique de l'aurore boreale in d. Mem. de Paris 1731. auch besonders Paris, 1733. 4. und sehr vermehrt 1754 gr. 4. ingl. Eclaircissemens sur le traite phy sique etc. par M. de Mairan, in d. Mem. de Paris, 1748. p. 363.) das Nordlicht aus Dämpfen der Sonnenatmosphäre herleitet, die wir sonst in der Gestalt des Zodiakallichts sehen, s. Atmosphäre der Sonne, Thierkreislicht. Da es als bestätigt angesehen wird, baß bisweilen die Erde in die Grenzen der Sonnenatmosphäre eintritt, so sucht Herr von Mairan den Grund des Nordlichts in der alsdann entstehenden Vermischung beyder Atmosphären der Sonne und der Erde. Die Theile der erstern, welche der Erde nahe genug kommen, um gegen sie mehr Schwere, als gegen die Sonne zu erhalten, fallen in den Luftkreis herab, werden durch die Umdrehung und Schwungkraft der Lufttheile gegen die Pole der Erde, wo kein Schwung statt findet, hingetrieben und bleiben in den höchsten Luftschichten schweben, mit denen sie gleiche specifische Schwere haben. Die niedrigern Schichten enthalten die gröbern dunklern Theile, welche das Segment und die dunkeln Wolken bilden, auf denen die Lichtsäulen aufstehen. Ueber diesen schwebt der feinere Stof, der entweder an sich brennend, oder durch Reibung und Gährung mit der Erdlust, entzündet ist. Dies alles geschieht in einer beträchtlichen Höhe über der Erde, daher das Licht noch sehr weit vom Nordpole gesehen werden kan. Die westliche Abweichung des Bogens wird sinnreich erklärt. Nemlich, da sich die Erde von Abend gegen Morgen drehet, so tritt die Abendgegend des Luftkreises, am spätsten in die Sonnenatmosphäre ein. Auf der Morgenseite hat der feine Stof den Tag über schon
Faſt keine Hypotheſe in der Phyſik iſt mit ſo vielem Fleiße, Scharfſinn, Witz und Beleſenheit ausgefuͤhrt worden, als die, nach welcher Herr v. Mairan (Traité phyſique et hiſtorique de l'aurore boreale in d. Mém. de Paris 1731. auch beſonders Paris, 1733. 4. und ſehr vermehrt 1754 gr. 4. ingl. Eclairciſſemens ſur le traité phy ſique etc. par M. de Mairan, in d. Mém. de Paris, 1748. p. 363.) das Nordlicht aus Daͤmpfen der Sonnenatmoſphaͤre herleitet, die wir ſonſt in der Geſtalt des Zodiakallichts ſehen, ſ. Atmoſphaͤre der Sonne, Thierkreislicht. Da es als beſtaͤtigt angeſehen wird, baß bisweilen die Erde in die Grenzen der Sonnenatmoſphaͤre eintritt, ſo ſucht Herr von Mairan den Grund des Nordlichts in der alsdann entſtehenden Vermiſchung beyder Atmoſphaͤren der Sonne und der Erde. Die Theile der erſtern, welche der Erde nahe genug kommen, um gegen ſie mehr Schwere, als gegen die Sonne zu erhalten, fallen in den Luftkreis herab, werden durch die Umdrehung und Schwungkraft der Lufttheile gegen die Pole der Erde, wo kein Schwung ſtatt findet, hingetrieben und bleiben in den hoͤchſten Luftſchichten ſchweben, mit denen ſie gleiche ſpecifiſche Schwere haben. Die niedrigern Schichten enthalten die groͤbern dunklern Theile, welche das Segment und die dunkeln Wolken bilden, auf denen die Lichtſaͤulen aufſtehen. Ueber dieſen ſchwebt der feinere Stof, der entweder an ſich brennend, oder durch Reibung und Gaͤhrung mit der Erdluſt, entzuͤndet iſt. Dies alles geſchieht in einer betraͤchtlichen Hoͤhe uͤber der Erde, daher das Licht noch ſehr weit vom Nordpole geſehen werden kan. Die weſtliche Abweichung des Bogens wird ſinnreich erklaͤrt. Nemlich, da ſich die Erde von Abend gegen Morgen drehet, ſo tritt die Abendgegend des Luftkreiſes, am ſpaͤtſten in die Sonnenatmoſphaͤre ein. Auf der Morgenſeite hat der feine Stof den Tag uͤber ſchon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0379" xml:id="P.3.373" n="373"/><lb/> Vielleicht iſt der Kern auch bewohnt, und da ihm die Sonne nicht leuchten kan, ſo haͤlt ſich zwiſchen Kern und Rinde eine eigne leuchtende Materie auf, von der bisweilen etwas durch unbekannte Oefnungen an den Polen, wo die Schale am duͤnnſten iſt, ausſtroͤmt, und uns als Nordlicht erſcheint.</p> <p>Faſt keine Hypotheſe in der Phyſik iſt mit ſo vielem Fleiße, Scharfſinn, Witz und Beleſenheit ausgefuͤhrt worden, als die, nach welcher Herr <hi rendition="#b">v. Mairan</hi> <hi rendition="#aq">(Traité phyſique et hiſtorique de l'aurore boreale</hi> in d. <hi rendition="#aq">Mém. de Paris 1731.</hi> auch beſonders <hi rendition="#aq">Paris, 1733. 4.</hi> und ſehr vermehrt 1754 gr. 4. ingl. <hi rendition="#aq">Eclairciſſemens ſur le traité phy ſique etc. par M. <hi rendition="#i">de Mairan,</hi></hi> in d. <hi rendition="#aq">Mém. de Paris, 1748. p. 363.)</hi> das Nordlicht aus Daͤmpfen der Sonnenatmoſphaͤre herleitet, die wir ſonſt in der Geſtalt des <hi rendition="#b">Zodiakallichts</hi> ſehen, ſ. <hi rendition="#b">Atmoſphaͤre der Sonne, Thierkreislicht.</hi> Da es als beſtaͤtigt angeſehen wird, baß bisweilen die Erde in die Grenzen der Sonnenatmoſphaͤre eintritt, ſo ſucht Herr von Mairan den Grund des Nordlichts in der alsdann entſtehenden Vermiſchung beyder Atmoſphaͤren der Sonne und der Erde. Die Theile der erſtern, welche der Erde nahe genug kommen, um gegen ſie mehr Schwere, als gegen die Sonne zu erhalten, fallen in den Luftkreis herab, werden durch die Umdrehung und Schwungkraft der Lufttheile gegen die Pole der Erde, wo kein Schwung ſtatt findet, hingetrieben und bleiben in den hoͤchſten Luftſchichten ſchweben, mit denen ſie gleiche ſpecifiſche Schwere haben. Die niedrigern Schichten enthalten die groͤbern dunklern Theile, welche das Segment und die dunkeln Wolken bilden, auf denen die Lichtſaͤulen aufſtehen. Ueber dieſen ſchwebt der feinere Stof, der entweder an ſich brennend, oder durch Reibung und Gaͤhrung mit der Erdluſt, entzuͤndet iſt. Dies alles geſchieht in einer betraͤchtlichen Hoͤhe uͤber der Erde, daher das Licht noch ſehr weit vom Nordpole geſehen werden kan. Die weſtliche Abweichung des Bogens wird ſinnreich erklaͤrt. Nemlich, da ſich die Erde von Abend gegen Morgen drehet, ſo tritt die Abendgegend des Luftkreiſes, am ſpaͤtſten in die Sonnenatmoſphaͤre ein. Auf der Morgenſeite hat der feine Stof den Tag uͤber ſchon<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [373/0379]
Vielleicht iſt der Kern auch bewohnt, und da ihm die Sonne nicht leuchten kan, ſo haͤlt ſich zwiſchen Kern und Rinde eine eigne leuchtende Materie auf, von der bisweilen etwas durch unbekannte Oefnungen an den Polen, wo die Schale am duͤnnſten iſt, ausſtroͤmt, und uns als Nordlicht erſcheint.
Faſt keine Hypotheſe in der Phyſik iſt mit ſo vielem Fleiße, Scharfſinn, Witz und Beleſenheit ausgefuͤhrt worden, als die, nach welcher Herr v. Mairan (Traité phyſique et hiſtorique de l'aurore boreale in d. Mém. de Paris 1731. auch beſonders Paris, 1733. 4. und ſehr vermehrt 1754 gr. 4. ingl. Eclairciſſemens ſur le traité phy ſique etc. par M. de Mairan, in d. Mém. de Paris, 1748. p. 363.) das Nordlicht aus Daͤmpfen der Sonnenatmoſphaͤre herleitet, die wir ſonſt in der Geſtalt des Zodiakallichts ſehen, ſ. Atmoſphaͤre der Sonne, Thierkreislicht. Da es als beſtaͤtigt angeſehen wird, baß bisweilen die Erde in die Grenzen der Sonnenatmoſphaͤre eintritt, ſo ſucht Herr von Mairan den Grund des Nordlichts in der alsdann entſtehenden Vermiſchung beyder Atmoſphaͤren der Sonne und der Erde. Die Theile der erſtern, welche der Erde nahe genug kommen, um gegen ſie mehr Schwere, als gegen die Sonne zu erhalten, fallen in den Luftkreis herab, werden durch die Umdrehung und Schwungkraft der Lufttheile gegen die Pole der Erde, wo kein Schwung ſtatt findet, hingetrieben und bleiben in den hoͤchſten Luftſchichten ſchweben, mit denen ſie gleiche ſpecifiſche Schwere haben. Die niedrigern Schichten enthalten die groͤbern dunklern Theile, welche das Segment und die dunkeln Wolken bilden, auf denen die Lichtſaͤulen aufſtehen. Ueber dieſen ſchwebt der feinere Stof, der entweder an ſich brennend, oder durch Reibung und Gaͤhrung mit der Erdluſt, entzuͤndet iſt. Dies alles geſchieht in einer betraͤchtlichen Hoͤhe uͤber der Erde, daher das Licht noch ſehr weit vom Nordpole geſehen werden kan. Die weſtliche Abweichung des Bogens wird ſinnreich erklaͤrt. Nemlich, da ſich die Erde von Abend gegen Morgen drehet, ſo tritt die Abendgegend des Luftkreiſes, am ſpaͤtſten in die Sonnenatmoſphaͤre ein. Auf der Morgenſeite hat der feine Stof den Tag uͤber ſchon
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