Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Taf. XVIII. Fig. 70. sey in S die Sonne [Abbildung] T [Abbildung] m die Erdbahn und die Erde in T, ein Planet stehe in M, so wird er von der Sonne nach SM, von der Erde nach TM gesehen, und eigentlich ist der Winkel TMS die Parallaxe der Erdbahn. Es ist aber bey der Planetentheorie gewöhnlich, den Ort des Planeten M durch ein auf die Ebene der Erdbahn gefälltes Loth MN auf die Ekliptik zu reduciren, wo nun die Linie SN m dessen heliocentrische, TNm die geocentrische Länge bestimmt, und dem gemäß nennt man den Unterschied dieser beyden Längen oder den Winkel TNS die Parallare der Erdbahn. Diese jährliche Parallaxe verursacht in der scheinbaren Bewegung der Planeten und Kometen die beträchtlichsten Veränderungen. Sie macht, daß uns ihr an sich ungleicher Lauf noch ungleicher erscheint, sie veranlaßt die scheinbaren Stillstände und Rückgänge derselben, da ihr Lauf aus der Sonne gesehen, sters rechtläufig seyn würde. An den Fixsternen hingegen hat man bisher noch nicht die geringste Wirkung einer jährlichen Parallaxe entdecken können. Sie erscheinen der Erde aus [Abbildung] eben so, wie aus [Abbildung] (wenn man die Wirkung ihrer bekannten kleinen Bewegungen abrechnet), und die Gesichtslinien nach eben demselben Fixsterne [Abbildung] L, [Abbildung] L zeigen keine merkliche Convergenz, obgleich die Stellen [Abbildung] und [Abbildung] auf 24000 Erddurchmesser weit aus einander sind. Sollte man eine Wirkung der jährlichen Parallaxe bey dem Fixsterne L bemerken, wobey z. B. die Gesichtslinie aus
[Abbildung]
nach
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l gerichtet wäre, so müßte die Breite des Sterns oder der Winkel der Gesichtslinie mit der Ebene der Ekliptik bey
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größer, als bey
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, seyn, weil l
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E größer ist, als L
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E. Das heißt: Der Fixstern müßte eine größere Breite haben, wenn er der Sonne gegen über gesehen wird und um Mitternacht culminirt, eine kleinere, wenn er bey der Sonne erscheint.
Taf. XVIII. Fig. 70. ſey in S die Sonne [Abbildung] T [Abbildung] m die Erdbahn und die Erde in T, ein Planet ſtehe in M, ſo wird er von der Sonne nach SM, von der Erde nach TM geſehen, und eigentlich iſt der Winkel TMS die Parallaxe der Erdbahn. Es iſt aber bey der Planetentheorie gewoͤhnlich, den Ort des Planeten M durch ein auf die Ebene der Erdbahn gefaͤlltes Loth MN auf die Ekliptik zu reduciren, wo nun die Linie SN m deſſen heliocentriſche, TNμ die geocentriſche Laͤnge beſtimmt, und dem gemaͤß nennt man den Unterſchied dieſer beyden Laͤngen oder den Winkel TNS die Parallare der Erdbahn. Dieſe jaͤhrliche Parallaxe verurſacht in der ſcheinbaren Bewegung der Planeten und Kometen die betraͤchtlichſten Veraͤnderungen. Sie macht, daß uns ihr an ſich ungleicher Lauf noch ungleicher erſcheint, ſie veranlaßt die ſcheinbaren Stillſtaͤnde und Ruͤckgaͤnge derſelben, da ihr Lauf aus der Sonne geſehen, ſters rechtlaͤufig ſeyn wuͤrde. An den Fixſternen hingegen hat man bisher noch nicht die geringſte Wirkung einer jaͤhrlichen Parallaxe entdecken koͤnnen. Sie erſcheinen der Erde aus [Abbildung] eben ſo, wie aus [Abbildung] (wenn man die Wirkung ihrer bekannten kleinen Bewegungen abrechnet), und die Geſichtslinien nach eben demſelben Fixſterne [Abbildung] L, [Abbildung] L zeigen keine merkliche Convergenz, obgleich die Stellen [Abbildung] und [Abbildung] auf 24000 Erddurchmeſſer weit aus einander ſind. Sollte man eine Wirkung der jaͤhrlichen Parallaxe bey dem Fixſterne L bemerken, wobey z. B. die Geſichtslinie aus
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nach
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λ gerichtet waͤre, ſo muͤßte die Breite des Sterns oder der Winkel der Geſichtslinie mit der Ebene der Ekliptik bey
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groͤßer, als bey
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, ſeyn, weil λ
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E groͤßer iſt, als L
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E. Das heißt: Der Fixſtern muͤßte eine groͤßere Breite haben, wenn er der Sonne gegen uͤber geſehen wird und um Mitternacht culminirt, eine kleinere, wenn er bey der Sonne erſcheint. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0411" xml:id="P.3.405" n="405"/><lb/> eines Orts der Erdflaͤche ein Punkt der Erdbahn genommen. Die jaͤhrliche Parallaxe iſt alſo der Unterſchied des heliocentriſchen und geocentriſchen Orts, ſ. <hi rendition="#b">Heliocentriſch, Geocentriſch.</hi></p> <p>Taf. <hi rendition="#aq">XVIII.</hi> Fig. 70. ſey in <hi rendition="#aq">S</hi> die Sonne <figure/> <hi rendition="#aq">T <figure/> m</hi> die Erdbahn und die Erde in <hi rendition="#aq">T,</hi> ein Planet ſtehe in <hi rendition="#aq">M,</hi> ſo wird er von der Sonne nach <hi rendition="#aq">SM,</hi> von der Erde nach <hi rendition="#aq">TM</hi> geſehen, und eigentlich iſt der Winkel <hi rendition="#aq">TMS</hi> die Parallaxe der Erdbahn. Es iſt aber bey der Planetentheorie gewoͤhnlich, den Ort des Planeten <hi rendition="#aq">M</hi> durch ein auf die Ebene der Erdbahn gefaͤlltes Loth <hi rendition="#aq">MN</hi> auf die Ekliptik zu reduciren, wo nun die Linie <hi rendition="#aq">SN m</hi> deſſen <hi rendition="#b">heliocentriſche,</hi> <hi rendition="#aq">TN</hi><foreign xml:lang="grc">μ</foreign> die <hi rendition="#b">geocentriſche Laͤnge</hi> beſtimmt, und dem gemaͤß nennt man den Unterſchied dieſer beyden Laͤngen oder den Winkel <hi rendition="#aq">TNS</hi> die <hi rendition="#b">Parallare der Erdbahn.</hi></p> <p>Dieſe jaͤhrliche Parallaxe verurſacht in der ſcheinbaren Bewegung der Planeten und Kometen die betraͤchtlichſten Veraͤnderungen. Sie macht, daß uns ihr an ſich ungleicher Lauf noch ungleicher erſcheint, ſie veranlaßt die ſcheinbaren Stillſtaͤnde und Ruͤckgaͤnge derſelben, da ihr Lauf aus der Sonne geſehen, ſters rechtlaͤufig ſeyn wuͤrde.</p> <p>An den Fixſternen hingegen hat man bisher noch nicht die geringſte Wirkung einer jaͤhrlichen Parallaxe entdecken koͤnnen. Sie erſcheinen der Erde aus <figure/> eben ſo, wie aus <figure/> (wenn man die Wirkung ihrer bekannten kleinen Bewegungen abrechnet), und die Geſichtslinien nach eben demſelben Fixſterne <figure/><hi rendition="#aq">L, <figure/> L</hi> zeigen keine merkliche Convergenz, obgleich die Stellen <figure/> und <figure/> auf 24000 Erddurchmeſſer weit aus einander ſind.</p> <p>Sollte man eine Wirkung der jaͤhrlichen Parallaxe bey dem Fixſterne <hi rendition="#aq">L</hi> bemerken, wobey z. B. die Geſichtslinie aus <figure/> nach <figure/> <foreign xml:lang="grc">λ</foreign> gerichtet waͤre, ſo muͤßte die Breite des Sterns oder der Winkel der Geſichtslinie mit der Ebene der Ekliptik bey <figure/> groͤßer, als bey <figure/>, ſeyn, weil <foreign xml:lang="grc">λ</foreign> <figure/> <hi rendition="#aq">E</hi> groͤßer iſt, als <hi rendition="#aq">L<figure/>E.</hi> Das heißt: Der Fixſtern muͤßte eine groͤßere Breite haben, wenn er der Sonne gegen uͤber geſehen wird und um Mitternacht culminirt, eine kleinere, wenn er bey der Sonne erſcheint.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [405/0411]
eines Orts der Erdflaͤche ein Punkt der Erdbahn genommen. Die jaͤhrliche Parallaxe iſt alſo der Unterſchied des heliocentriſchen und geocentriſchen Orts, ſ. Heliocentriſch, Geocentriſch.
Taf. XVIII. Fig. 70. ſey in S die Sonne
[Abbildung]
T
[Abbildung]
m die Erdbahn und die Erde in T, ein Planet ſtehe in M, ſo wird er von der Sonne nach SM, von der Erde nach TM geſehen, und eigentlich iſt der Winkel TMS die Parallaxe der Erdbahn. Es iſt aber bey der Planetentheorie gewoͤhnlich, den Ort des Planeten M durch ein auf die Ebene der Erdbahn gefaͤlltes Loth MN auf die Ekliptik zu reduciren, wo nun die Linie SN m deſſen heliocentriſche, TNμ die geocentriſche Laͤnge beſtimmt, und dem gemaͤß nennt man den Unterſchied dieſer beyden Laͤngen oder den Winkel TNS die Parallare der Erdbahn.
Dieſe jaͤhrliche Parallaxe verurſacht in der ſcheinbaren Bewegung der Planeten und Kometen die betraͤchtlichſten Veraͤnderungen. Sie macht, daß uns ihr an ſich ungleicher Lauf noch ungleicher erſcheint, ſie veranlaßt die ſcheinbaren Stillſtaͤnde und Ruͤckgaͤnge derſelben, da ihr Lauf aus der Sonne geſehen, ſters rechtlaͤufig ſeyn wuͤrde.
An den Fixſternen hingegen hat man bisher noch nicht die geringſte Wirkung einer jaͤhrlichen Parallaxe entdecken koͤnnen. Sie erſcheinen der Erde aus
[Abbildung]
eben ſo, wie aus
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(wenn man die Wirkung ihrer bekannten kleinen Bewegungen abrechnet), und die Geſichtslinien nach eben demſelben Fixſterne
[Abbildung]
L,
[Abbildung]
L zeigen keine merkliche Convergenz, obgleich die Stellen
[Abbildung]
und
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auf 24000 Erddurchmeſſer weit aus einander ſind.
Sollte man eine Wirkung der jaͤhrlichen Parallaxe bey dem Fixſterne L bemerken, wobey z. B. die Geſichtslinie aus
[Abbildung]
nach
[Abbildung]
λ gerichtet waͤre, ſo muͤßte die Breite des Sterns oder der Winkel der Geſichtslinie mit der Ebene der Ekliptik bey
[Abbildung]
groͤßer, als bey
[Abbildung]
, ſeyn, weil λ
[Abbildung]
E groͤßer iſt, als L
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E. Das heißt: Der Fixſtern muͤßte eine groͤßere Breite haben, wenn er der Sonne gegen uͤber geſehen wird und um Mitternacht culminirt, eine kleinere, wenn er bey der Sonne erſcheint.
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