Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Die ersten Anlagen zu dieser so wichtigen Lehre, und die Entdeckung der vier zuletzt angeführten Gesetze sind wir dem Galilei schuldig, der sie zugleich mit der Lehre vom freyen Falle der Körper (Discorsi e dimostrazione matematiche intorno a due nuove scienze) in der ersten Helfte des vorigen Jahrhunderts bekannt machte. Schon in seiner srühsten Jugend hatte er den Isochronismus der Schwünge bey einerley Pendel mit Bewunderung wahrgenommen, und dabey beobachtet, daß ungleiche Pendel in einerley Zeitraume Schwünge vollbrachten, deren Anzahlen sich umgekehrt, wie die Quadratwurzeln der Längen erhielten. Er hatte dadurch ein Mittel gefunden, die Höhen der Kirchengewölbe zu messen, indem er die Schwünge der von selbigen herabhängenden Lampen (welche sehr kleine Bogen beschreiben) zählte, und mit den gleichzeitigen Schwingungsanzahlen eines Pendels von bekannter Länge verglich. Er verband nachher diese Erfahrungssätze mit seiner Theorie vom Falle der Körper, aus der sie als Folgerungen abfließen. Denn ungleiche Pendel, die ähnliche kleine Bogen beschreiben, sind ganz im Falle zweyer Gewichte, die auf gleich geneigten schiefen Ebenen rollen. Auf den letztern müßten sich nach Galilei Theorie die Zeiten des Falles, wie die Quadratwurzeln der Höhen, verhalten; bey den Pendeln aber verhielten sich die Höhen ähnlicher Bogen, wie ihre Halbmesser, oder wie die Längen der Pendel, woraus folgt, daß sich die Zeiten des Schwungs, wie die Quadratwurzeln aus diesen Längen, verhalten. Galilei sahe also, daß es auch hier nicht auf das Gewicht des Pendels ankomme, und bestritt den scholastischen Grundsatz, daß das Gewicht auf die Beschleunigung wirke, unter andern durch den Versuch mit Pendeln, die nicht schneller schwungen, ob man sie gleich mit mehr Gewicht beschwerte.
Die erſten Anlagen zu dieſer ſo wichtigen Lehre, und die Entdeckung der vier zuletzt angefuͤhrten Geſetze ſind wir dem Galilei ſchuldig, der ſie zugleich mit der Lehre vom freyen Falle der Koͤrper (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze) in der erſten Helfte des vorigen Jahrhunderts bekannt machte. Schon in ſeiner ſruͤhſten Jugend hatte er den Iſochronismus der Schwuͤnge bey einerley Pendel mit Bewunderung wahrgenommen, und dabey beobachtet, daß ungleiche Pendel in einerley Zeitraume Schwuͤnge vollbrachten, deren Anzahlen ſich umgekehrt, wie die Quadratwurzeln der Laͤngen erhielten. Er hatte dadurch ein Mittel gefunden, die Hoͤhen der Kirchengewoͤlbe zu meſſen, indem er die Schwuͤnge der von ſelbigen herabhaͤngenden Lampen (welche ſehr kleine Bogen beſchreiben) zaͤhlte, und mit den gleichzeitigen Schwingungsanzahlen eines Pendels von bekannter Laͤnge verglich. Er verband nachher dieſe Erfahrungsſaͤtze mit ſeiner Theorie vom Falle der Koͤrper, aus der ſie als Folgerungen abfließen. Denn ungleiche Pendel, die aͤhnliche kleine Bogen beſchreiben, ſind ganz im Falle zweyer Gewichte, die auf gleich geneigten ſchiefen Ebenen rollen. Auf den letztern muͤßten ſich nach Galilei Theorie die Zeiten des Falles, wie die Quadratwurzeln der Hoͤhen, verhalten; bey den Pendeln aber verhielten ſich die Hoͤhen aͤhnlicher Bogen, wie ihre Halbmeſſer, oder wie die Laͤngen der Pendel, woraus folgt, daß ſich die Zeiten des Schwungs, wie die Quadratwurzeln aus dieſen Laͤngen, verhalten. Galilei ſahe alſo, daß es auch hier nicht auf das Gewicht des Pendels ankomme, und beſtritt den ſcholaſtiſchen Grundſatz, daß das Gewicht auf die Beſchleunigung wirke, unter andern durch den Verſuch mit Pendeln, die nicht ſchneller ſchwungen, ob man ſie gleich mit mehr Gewicht beſchwerte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0426" xml:id="P.3.420" n="420"/><lb/> len. Und die Schwingungsanzahlen in gleichen Zeiten umgekehrt, wie die Quadratwurzeln aus den Laͤngen der Pendel.</hi> Macht ein Pendel 70 Schmuͤnge, indem ein zweytes 60 macht, ſo verhalten ſich die Laͤngen des erſten und zweyten, wie 36:49.</p> <p>Die erſten Anlagen zu dieſer ſo wichtigen Lehre, und die Entdeckung der vier zuletzt angefuͤhrten Geſetze ſind wir dem Galilei ſchuldig, der ſie zugleich mit der Lehre vom freyen Falle der Koͤrper <hi rendition="#aq">(Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze)</hi> in der erſten Helfte des vorigen Jahrhunderts bekannt machte. Schon in ſeiner ſruͤhſten Jugend hatte er den Iſochronismus der Schwuͤnge bey einerley Pendel mit Bewunderung wahrgenommen, und dabey beobachtet, daß ungleiche Pendel in einerley Zeitraume Schwuͤnge vollbrachten, deren Anzahlen ſich umgekehrt, wie die Quadratwurzeln der Laͤngen erhielten. Er hatte dadurch ein Mittel gefunden, die Hoͤhen der Kirchengewoͤlbe zu meſſen, indem er die Schwuͤnge der von ſelbigen herabhaͤngenden Lampen (welche ſehr kleine Bogen beſchreiben) zaͤhlte, und mit den gleichzeitigen Schwingungsanzahlen eines Pendels von bekannter Laͤnge verglich. Er verband nachher dieſe Erfahrungsſaͤtze mit ſeiner Theorie vom Falle der Koͤrper, aus der ſie als Folgerungen abfließen. Denn ungleiche Pendel, die aͤhnliche kleine Bogen beſchreiben, ſind ganz im Falle zweyer Gewichte, die auf gleich geneigten ſchiefen Ebenen rollen. Auf den letztern muͤßten ſich nach Galilei Theorie die Zeiten des Falles, wie die Quadratwurzeln der Hoͤhen, verhalten; bey den Pendeln aber verhielten ſich die Hoͤhen aͤhnlicher Bogen, wie ihre Halbmeſſer, oder wie die Laͤngen der Pendel, woraus folgt, daß ſich die Zeiten des Schwungs, wie die Quadratwurzeln aus dieſen Laͤngen, verhalten. <hi rendition="#b">Galilei</hi> ſahe alſo, daß es auch hier nicht auf das Gewicht des Pendels ankomme, und beſtritt den ſcholaſtiſchen Grundſatz, daß das Gewicht auf die Beſchleunigung wirke, unter andern durch den Verſuch mit Pendeln, die nicht ſchneller ſchwungen, ob man ſie gleich mit mehr Gewicht beſchwerte.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [420/0426]
len. Und die Schwingungsanzahlen in gleichen Zeiten umgekehrt, wie die Quadratwurzeln aus den Laͤngen der Pendel. Macht ein Pendel 70 Schmuͤnge, indem ein zweytes 60 macht, ſo verhalten ſich die Laͤngen des erſten und zweyten, wie 36:49.
Die erſten Anlagen zu dieſer ſo wichtigen Lehre, und die Entdeckung der vier zuletzt angefuͤhrten Geſetze ſind wir dem Galilei ſchuldig, der ſie zugleich mit der Lehre vom freyen Falle der Koͤrper (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze) in der erſten Helfte des vorigen Jahrhunderts bekannt machte. Schon in ſeiner ſruͤhſten Jugend hatte er den Iſochronismus der Schwuͤnge bey einerley Pendel mit Bewunderung wahrgenommen, und dabey beobachtet, daß ungleiche Pendel in einerley Zeitraume Schwuͤnge vollbrachten, deren Anzahlen ſich umgekehrt, wie die Quadratwurzeln der Laͤngen erhielten. Er hatte dadurch ein Mittel gefunden, die Hoͤhen der Kirchengewoͤlbe zu meſſen, indem er die Schwuͤnge der von ſelbigen herabhaͤngenden Lampen (welche ſehr kleine Bogen beſchreiben) zaͤhlte, und mit den gleichzeitigen Schwingungsanzahlen eines Pendels von bekannter Laͤnge verglich. Er verband nachher dieſe Erfahrungsſaͤtze mit ſeiner Theorie vom Falle der Koͤrper, aus der ſie als Folgerungen abfließen. Denn ungleiche Pendel, die aͤhnliche kleine Bogen beſchreiben, ſind ganz im Falle zweyer Gewichte, die auf gleich geneigten ſchiefen Ebenen rollen. Auf den letztern muͤßten ſich nach Galilei Theorie die Zeiten des Falles, wie die Quadratwurzeln der Hoͤhen, verhalten; bey den Pendeln aber verhielten ſich die Hoͤhen aͤhnlicher Bogen, wie ihre Halbmeſſer, oder wie die Laͤngen der Pendel, woraus folgt, daß ſich die Zeiten des Schwungs, wie die Quadratwurzeln aus dieſen Laͤngen, verhalten. Galilei ſahe alſo, daß es auch hier nicht auf das Gewicht des Pendels ankomme, und beſtritt den ſcholaſtiſchen Grundſatz, daß das Gewicht auf die Beſchleunigung wirke, unter andern durch den Verſuch mit Pendeln, die nicht ſchneller ſchwungen, ob man ſie gleich mit mehr Gewicht beſchwerte.
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