Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Bestimmung der Schwere durchs Pendel.

Die Schwere, als beschleunigende Kraft betrachtet, läßt sich nicht anders, als durch ihre Wirkungen, messen. Ihre Größe wird durch die Geschwindigkeit, die sie in einer bestimmten Zeit erzeugt, oder durch den Raum, dnrch den sie die Körper in dieser Zeit treibt, angegeben, s. Kraft, beschleunigende (Th. II. S. 800.). Triebe sie die Körper in eben der Zeit durch den doppelten, dreyfachen Raum, so würde man sie doppelt, dreymal so groß nennen. Ihre Größe verhält sich also, wie der ihr zugehörige Fallraum in einer Secunde Zeit, oder wie der Werth der Größe, die wir in allen unsern Formeln = g gesetzt haben.

Da nun g:b = 1/2 p:1, so findet zwischen der Größe des Fallraums und der Länge des Secundenpendels überall einerley Verhältniß statt. Findet man an zween Orten der Erde die Län en der Secundenpendel verschieden, so sind in ihnen auch die Fallräume in der ersten Secunde, mithin auch die Größen der Schwere verschieden. Und alsdann verhalten sich die Schweren, wie die Fallräume, und wie die Längen des Secundenpendels.

Richer's Entdeckung, s. Erdkugel (Th. II. S. 25.), lehrte im Jahre 1672, daß das Secundenpendel auf der Insel Cayenne um 1 1/4 Linie kürzer sey, als in Paris. Hieraus folgt, die Schwere sey in der Gegend des Aequators geringer, als in Europa, und zwar im Verhältnisse von 352:351 (weil 1 1/4Lin. den 352 sten Theil der ganzen Länge des von Richer angenommenen pariser Secundenpendels ausmacht.). Setzt man also die Schwere in unsern Gegenden, welche in der ersten Secunde durch 15,09568 pariser oder 15,625 rheinl. Fuß treibt, = 1, so ist die Schwere um den Aequator nach Richers Erfahrungen (351/352) = 0,99715.

So zeigt sich ein Mittel, die Schwere an verschiedenen Orten der Erde zu vcrgleichen. Weil die unmittelbare Messung der Länge des Secundenpendels viel Genauigkeit erfordert, so ist es bequemer, ein Pendel von einer gewissen Länge von einem Orte zum andern mit sich zu führen, und zu


Beſtimmung der Schwere durchs Pendel.

Die Schwere, als beſchleunigende Kraft betrachtet, laͤßt ſich nicht anders, als durch ihre Wirkungen, meſſen. Ihre Groͤße wird durch die Geſchwindigkeit, die ſie in einer beſtimmten Zeit erzeugt, oder durch den Raum, dnrch den ſie die Koͤrper in dieſer Zeit treibt, angegeben, ſ. Kraft, beſchleunigende (Th. II. S. 800.). Triebe ſie die Koͤrper in eben der Zeit durch den doppelten, dreyfachen Raum, ſo wuͤrde man ſie doppelt, dreymal ſo groß nennen. Ihre Groͤße verhaͤlt ſich alſo, wie der ihr zugehoͤrige Fallraum in einer Secunde Zeit, oder wie der Werth der Groͤße, die wir in allen unſern Formeln = g geſetzt haben.

Da nun g:b = 1/2 π:1, ſo findet zwiſchen der Groͤße des Fallraums und der Laͤnge des Secundenpendels uͤberall einerley Verhaͤltniß ſtatt. Findet man an zween Orten der Erde die Laͤn en der Secundenpendel verſchieden, ſo ſind in ihnen auch die Fallraͤume in der erſten Secunde, mithin auch die Groͤßen der Schwere verſchieden. Und alsdann verhalten ſich die Schweren, wie die Fallraͤume, und wie die Laͤngen des Secundenpendels.

Richer's Entdeckung, ſ. Erdkugel (Th. II. S. 25.), lehrte im Jahre 1672, daß das Secundenpendel auf der Inſel Cayenne um 1 1/4 Linie kuͤrzer ſey, als in Paris. Hieraus folgt, die Schwere ſey in der Gegend des Aequators geringer, als in Europa, und zwar im Verhaͤltniſſe von 352:351 (weil 1 1/4Lin. den 352 ſten Theil der ganzen Laͤnge des von Richer angenommenen pariſer Secundenpendels ausmacht.). Setzt man alſo die Schwere in unſern Gegenden, welche in der erſten Secunde durch 15,09568 pariſer oder 15,625 rheinl. Fuß treibt, = 1, ſo iſt die Schwere um den Aequator nach Richers Erfahrungen (351/352) = 0,99715.

So zeigt ſich ein Mittel, die Schwere an verſchiedenen Orten der Erde zu vcrgleichen. Weil die unmittelbare Meſſung der Laͤnge des Secundenpendels viel Genauigkeit erfordert, ſo iſt es bequemer, ein Pendel von einer gewiſſen Laͤnge von einem Orte zum andern mit ſich zu fuͤhren, und zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0432" xml:id="P.3.426" n="426"/><lb/> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Be&#x017F;timmung der Schwere durchs Pendel.</hi> </hi> </p>
            <p>Die Schwere, als be&#x017F;chleunigende Kraft betrachtet, la&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht anders, als durch ihre Wirkungen, me&#x017F;&#x017F;en. Ihre Gro&#x0364;ße wird durch die Ge&#x017F;chwindigkeit, die &#x017F;ie in einer be&#x017F;timmten Zeit erzeugt, oder durch den Raum, dnrch den &#x017F;ie die Ko&#x0364;rper in die&#x017F;er Zeit treibt, angegeben, &#x017F;. <hi rendition="#b">Kraft, be&#x017F;chleunigende</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 800.). Triebe &#x017F;ie die Ko&#x0364;rper in eben der Zeit durch den doppelten, dreyfachen Raum, &#x017F;o wu&#x0364;rde man &#x017F;ie doppelt, dreymal &#x017F;o groß nennen. Ihre Gro&#x0364;ße verha&#x0364;lt &#x017F;ich al&#x017F;o, wie der ihr zugeho&#x0364;rige Fallraum in einer Secunde Zeit, oder wie der Werth der Gro&#x0364;ße, die wir in allen un&#x017F;ern Formeln = <hi rendition="#aq">g</hi> ge&#x017F;etzt haben.</p>
            <p>Da nun <hi rendition="#aq">g:b</hi> = 1/2 <foreign xml:lang="grc">&#x03C0;</foreign>:1, &#x017F;o findet zwi&#x017F;chen der Gro&#x0364;ße des Fallraums und der La&#x0364;nge des Secundenpendels u&#x0364;berall einerley Verha&#x0364;ltniß &#x017F;tatt. Findet man an zween Orten der Erde die La&#x0364;n en der Secundenpendel ver&#x017F;chieden, &#x017F;o &#x017F;ind in ihnen auch die Fallra&#x0364;ume in der er&#x017F;ten Secunde, mithin auch die Gro&#x0364;ßen der Schwere ver&#x017F;chieden. Und alsdann <hi rendition="#b">verhalten &#x017F;ich die Schweren,</hi> wie die Fallra&#x0364;ume, und <hi rendition="#b">wie die La&#x0364;ngen des Secundenpendels.</hi></p>
            <p><hi rendition="#b">Richer's</hi> Entdeckung, &#x017F;. <hi rendition="#b">Erdkugel</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 25.), lehrte im Jahre 1672, daß das Secundenpendel auf der In&#x017F;el Cayenne um 1 1/4 Linie ku&#x0364;rzer &#x017F;ey, als in Paris. Hieraus folgt, die Schwere &#x017F;ey in der Gegend des Aequators geringer, als in Europa, und zwar im Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e von 352:351 (weil 1 1/4Lin. den 352 &#x017F;ten Theil der ganzen La&#x0364;nge des von Richer angenommenen pari&#x017F;er Secundenpendels ausmacht.). Setzt man al&#x017F;o die Schwere in un&#x017F;ern Gegenden, welche in der er&#x017F;ten Secunde durch 15,09568 pari&#x017F;er oder 15,625 rheinl. Fuß treibt, = 1, &#x017F;o i&#x017F;t die Schwere um den Aequator nach Richers Erfahrungen (351/352) = 0,99715.</p>
            <p>So zeigt &#x017F;ich ein Mittel, die Schwere an ver&#x017F;chiedenen Orten der Erde zu vcrgleichen. Weil die unmittelbare Me&#x017F;&#x017F;ung der La&#x0364;nge des Secundenpendels viel Genauigkeit erfordert, &#x017F;o i&#x017F;t es bequemer, ein Pendel von einer gewi&#x017F;&#x017F;en La&#x0364;nge von einem Orte zum andern mit &#x017F;ich zu fu&#x0364;hren, und zu<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0432] Beſtimmung der Schwere durchs Pendel. Die Schwere, als beſchleunigende Kraft betrachtet, laͤßt ſich nicht anders, als durch ihre Wirkungen, meſſen. Ihre Groͤße wird durch die Geſchwindigkeit, die ſie in einer beſtimmten Zeit erzeugt, oder durch den Raum, dnrch den ſie die Koͤrper in dieſer Zeit treibt, angegeben, ſ. Kraft, beſchleunigende (Th. II. S. 800.). Triebe ſie die Koͤrper in eben der Zeit durch den doppelten, dreyfachen Raum, ſo wuͤrde man ſie doppelt, dreymal ſo groß nennen. Ihre Groͤße verhaͤlt ſich alſo, wie der ihr zugehoͤrige Fallraum in einer Secunde Zeit, oder wie der Werth der Groͤße, die wir in allen unſern Formeln = g geſetzt haben. Da nun g:b = 1/2 π:1, ſo findet zwiſchen der Groͤße des Fallraums und der Laͤnge des Secundenpendels uͤberall einerley Verhaͤltniß ſtatt. Findet man an zween Orten der Erde die Laͤn en der Secundenpendel verſchieden, ſo ſind in ihnen auch die Fallraͤume in der erſten Secunde, mithin auch die Groͤßen der Schwere verſchieden. Und alsdann verhalten ſich die Schweren, wie die Fallraͤume, und wie die Laͤngen des Secundenpendels. Richer's Entdeckung, ſ. Erdkugel (Th. II. S. 25.), lehrte im Jahre 1672, daß das Secundenpendel auf der Inſel Cayenne um 1 1/4 Linie kuͤrzer ſey, als in Paris. Hieraus folgt, die Schwere ſey in der Gegend des Aequators geringer, als in Europa, und zwar im Verhaͤltniſſe von 352:351 (weil 1 1/4Lin. den 352 ſten Theil der ganzen Laͤnge des von Richer angenommenen pariſer Secundenpendels ausmacht.). Setzt man alſo die Schwere in unſern Gegenden, welche in der erſten Secunde durch 15,09568 pariſer oder 15,625 rheinl. Fuß treibt, = 1, ſo iſt die Schwere um den Aequator nach Richers Erfahrungen (351/352) = 0,99715. So zeigt ſich ein Mittel, die Schwere an verſchiedenen Orten der Erde zu vcrgleichen. Weil die unmittelbare Meſſung der Laͤnge des Secundenpendels viel Genauigkeit erfordert, ſo iſt es bequemer, ein Pendel von einer gewiſſen Laͤnge von einem Orte zum andern mit ſich zu fuͤhren, und zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/432
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/432>, abgerufen am 21.11.2024.