Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.Qualitäten, Eigenschaften, Beschaffenheiten der Körper Qualitates s. Proprietates corporum, Qualites on Proprietes des corps. Alles, was an einem Körper in die Sinne fällt, und dadurch einen Begrif erweckt, kan eine Qualität oder Eigenschaft des Körpers genannt werden. In diesem Sinne des Worts sind Härte, Leuchten, Bitterkeit u. s. w. Qualitäten der Körper, weil sie durch Gefühl, Gesicht, Geschmack in uns Empfindungen erregen und Begriffe erwecken. Vergleicht man diese Definition mit der Erklärung des Worts Phänomene, so wird man beyde ziemlich übereinstimmend finden. Jede Einwirkung des Körpers auf unsere Sinne ist auch im Grunde ein Phänomen oder eine Naturbegebenheit; und so ist zwischen Phänomenen und Qualitäten der einzige Unterschied dieser, daß man Phänomen das nennt, was wir durch die Sinne empfinden, Qualität oder Eigenschaft aber das, was wirklich im Körper vorhanden seyn und die Ursache unserer Empfindung enthalten soll. Nun ist zwar jeder Mensch geneigt, das, was ihm seine Sinne darstellen, für wirklich zu halten, und also in den Körpern selbst etwas anzunehmen, was seinen Empfindungen von denselben analog ist. Man schreibt in allen Vorfällen und Handlungen des Lebens dem Zeugnisse der Sinne die größte Evidenz u, und gewöhnt sich dadurch, von Erscheinungen ohne alles Bedenken auf übereinstimmende Wirklichkeiten zu schließen. Aber diese Schlußart, die für das gemeine Leben so zureichend und unentbehrlich ist, würde bey der wissenschaftlichen Untersuchung der Natur zu den gröbsten Irrthümern verleiten. Der Physiker muß sich zwar ebenfalls an den allgemeinen sinnlichen Schein halten, s. Materie; aber er darf doch nie vergessen, daß derselbe nur Schein ist; er darf also nicht jedes Phänomen für eine wirkliche Qualität der Körper erklären, weil das Wesen der letztern gar leicht etwas anders seyn könnte, als es uns zu seyn scheint. Man geht daher immer sicherer, wenn man mehr von Phänomenen, als von Qualitäten spricht, wenigstens Qualitaͤten, Eigenſchaften, Beſchaffenheiten der Koͤrper Qualitates ſ. Proprietates corporum, Qualités on Proprietés des corps. Alles, was an einem Koͤrper in die Sinne faͤllt, und dadurch einen Begrif erweckt, kan eine Qualitaͤt oder Eigenſchaft des Koͤrpers genannt werden. In dieſem Sinne des Worts ſind Haͤrte, Leuchten, Bitterkeit u. ſ. w. Qualitaͤten der Koͤrper, weil ſie durch Gefuͤhl, Geſicht, Geſchmack in uns Empfindungen erregen und Begriffe erwecken. Vergleicht man dieſe Definition mit der Erklaͤrung des Worts Phaͤnomene, ſo wird man beyde ziemlich uͤbereinſtimmend finden. Jede Einwirkung des Koͤrpers auf unſere Sinne iſt auch im Grunde ein Phaͤnomen oder eine Naturbegebenheit; und ſo iſt zwiſchen Phaͤnomenen und Qualitaͤten der einzige Unterſchied dieſer, daß man Phaͤnomen das nennt, was wir durch die Sinne empfinden, Qualitaͤt oder Eigenſchaft aber das, was wirklich im Koͤrper vorhanden ſeyn und die Urſache unſerer Empfindung enthalten ſoll. Nun iſt zwar jeder Menſch geneigt, das, was ihm ſeine Sinne darſtellen, fuͤr wirklich zu halten, und alſo in den Koͤrpern ſelbſt etwas anzunehmen, was ſeinen Empfindungen von denſelben analog iſt. Man ſchreibt in allen Vorfaͤllen und Handlungen des Lebens dem Zeugniſſe der Sinne die groͤßte Evidenz u, und gewoͤhnt ſich dadurch, von Erſcheinungen ohne alles Bedenken auf uͤbereinſtimmende Wirklichkeiten zu ſchließen. Aber dieſe Schlußart, die fuͤr das gemeine Leben ſo zureichend und unentbehrlich iſt, wuͤrde bey der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung der Natur zu den groͤbſten Irrthuͤmern verleiten. Der Phyſiker muß ſich zwar ebenfalls an den allgemeinen ſinnlichen Schein halten, ſ. Materie; aber er darf doch nie vergeſſen, daß derſelbe nur Schein iſt; er darf alſo nicht jedes Phaͤnomen fuͤr eine wirkliche Qualitaͤt der Koͤrper erklaͤren, weil das Weſen der letztern gar leicht etwas anders ſeyn koͤnnte, als es uns zu ſeyn ſcheint. Man geht daher immer ſicherer, wenn man mehr von Phaͤnomenen, als von Qualitaͤten ſpricht, wenigſtens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0596" xml:id="P.3.590" n="590"/><lb/> </p> </div> <div n="3"> <head>Qualitaͤten, Eigenſchaften, Beſchaffenheiten der Koͤrper</head><lb/> <p><hi rendition="#aq">Qualitates ſ. 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Qualitaͤten, Eigenſchaften, Beſchaffenheiten der Koͤrper
Qualitates ſ. Proprietates corporum, Qualités on Proprietés des corps. Alles, was an einem Koͤrper in die Sinne faͤllt, und dadurch einen Begrif erweckt, kan eine Qualitaͤt oder Eigenſchaft des Koͤrpers genannt werden. In dieſem Sinne des Worts ſind Haͤrte, Leuchten, Bitterkeit u. ſ. w. Qualitaͤten der Koͤrper, weil ſie durch Gefuͤhl, Geſicht, Geſchmack in uns Empfindungen erregen und Begriffe erwecken.
Vergleicht man dieſe Definition mit der Erklaͤrung des Worts Phaͤnomene, ſo wird man beyde ziemlich uͤbereinſtimmend finden. Jede Einwirkung des Koͤrpers auf unſere Sinne iſt auch im Grunde ein Phaͤnomen oder eine Naturbegebenheit; und ſo iſt zwiſchen Phaͤnomenen und Qualitaͤten der einzige Unterſchied dieſer, daß man Phaͤnomen das nennt, was wir durch die Sinne empfinden, Qualitaͤt oder Eigenſchaft aber das, was wirklich im Koͤrper vorhanden ſeyn und die Urſache unſerer Empfindung enthalten ſoll.
Nun iſt zwar jeder Menſch geneigt, das, was ihm ſeine Sinne darſtellen, fuͤr wirklich zu halten, und alſo in den Koͤrpern ſelbſt etwas anzunehmen, was ſeinen Empfindungen von denſelben analog iſt. Man ſchreibt in allen Vorfaͤllen und Handlungen des Lebens dem Zeugniſſe der Sinne die groͤßte Evidenz u, und gewoͤhnt ſich dadurch, von Erſcheinungen ohne alles Bedenken auf uͤbereinſtimmende Wirklichkeiten zu ſchließen. Aber dieſe Schlußart, die fuͤr das gemeine Leben ſo zureichend und unentbehrlich iſt, wuͤrde bey der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung der Natur zu den groͤbſten Irrthuͤmern verleiten. Der Phyſiker muß ſich zwar ebenfalls an den allgemeinen ſinnlichen Schein halten, ſ. Materie; aber er darf doch nie vergeſſen, daß derſelbe nur Schein iſt; er darf alſo nicht jedes Phaͤnomen fuͤr eine wirkliche Qualitaͤt der Koͤrper erklaͤren, weil das Weſen der letztern gar leicht etwas anders ſeyn koͤnnte, als es uns zu ſeyn ſcheint. Man geht daher immer ſicherer, wenn man mehr von Phaͤnomenen, als von Qualitaͤten ſpricht, wenigſtens
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