Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Diese Meinung des Vitruv hat Mariotte (Traite du mouvement des eaux et des autres corps fluides, in den Oeuvres de Mariotte. a Leide, 1717. 4. To. I. p. 326. sqq.) angenommen, und durch eine Berechnung wahrscheinlich zu machen gesucht, daß das Regen- und Schneewasser vollkommen hinreichend sey, alle Quellen und Flüsse zu unterhalten. Er zeigt aus Beobachtungen, daß in der Gegend von Dijon der ganze herabfallende Regen auf jeder Fläche jährlich eine Höhe von 17 Zoll einnehmen würde, wofür er jedoch nur 15 Zoll annehmen wolle. Demnach werden auf eine französische Quadratmeile (die Meile zu 2300 Toisen gerechnet) jährlich 15.72.2300 Cubikzoll, d. i. 15.3.2300 = 238050000 Cubikfuß Wasser fallen. Nun setzt er die Quellen der Seine 60 Meilen oberhalb Paris, und nimmt die Breite der Grenzen, in welchen die kleinen Flüsse und Bäche, die der Seine Wasser geben, enthalten sind, 50 Meilen an, so daß die ganze Fläche, von der die Seine bis Paris Wasser empfängt, 3000 Quadratmeilen beträgt. Auf diese Fläche fallen jährlich nach obiger Rechnung an Wasser 3000. 238050000 = 714150 Millionen Cubikfuß. Er hatte aber durch Ausmessungen gefunden, daß die Seine jährlich unter dem Pont royal in Paris nur 105120 Millionen Cubikfuß Wasser hindurchführe, welches noch nicht den sechsten Theil des berechneten Regen- und Schneewassers beträgt. Nimmt man also auch an, daß vom Regenwasser ein Drittel wieder verdünste, und ein Drittel zur Nahrung der Thiere und Pflanzen verbraucht werde, so bleibt doch dieser Rechnung nach das letzte Drittel zu Unterhaltung der Flüsse mehr als zureichend. Hiernächst beruft sich Mariotte auf die Erfahrung, daß die meisten Quellen mehr oder weniger Wasser geben, je nachdem es mehr oder weniger regnet, viele auch bey großer Dürre ganz vertrocknen, oder doch beträchtlich vermindert werden. Es glaubt, das Regenwasser dringe in die Erde durch kleine hohle Canäle und
Dieſe Meinung des Vitruv hat Mariotte (Traité du mouvement des eaux et des autres corps fluides, in den Oeuvres de Mariotte. à Leide, 1717. 4. To. I. p. 326. ſqq.) angenommen, und durch eine Berechnung wahrſcheinlich zu machen geſucht, daß das Regen- und Schneewaſſer vollkommen hinreichend ſey, alle Quellen und Fluͤſſe zu unterhalten. Er zeigt aus Beobachtungen, daß in der Gegend von Dijon der ganze herabfallende Regen auf jeder Flaͤche jaͤhrlich eine Hoͤhe von 17 Zoll einnehmen wuͤrde, wofuͤr er jedoch nur 15 Zoll annehmen wolle. Demnach werden auf eine franzoͤſiſche Quadratmeile (die Meile zu 2300 Toiſen gerechnet) jaͤhrlich 15.72.2300 Cubikzoll, d. i. 15.3.2300 = 238050000 Cubikfuß Waſſer fallen. Nun ſetzt er die Quellen der Seine 60 Meilen oberhalb Paris, und nimmt die Breite der Grenzen, in welchen die kleinen Fluͤſſe und Baͤche, die der Seine Waſſer geben, enthalten ſind, 50 Meilen an, ſo daß die ganze Flaͤche, von der die Seine bis Paris Waſſer empfaͤngt, 3000 Quadratmeilen betraͤgt. Auf dieſe Flaͤche fallen jaͤhrlich nach obiger Rechnung an Waſſer 3000. 238050000 = 714150 Millionen Cubikfuß. Er hatte aber durch Ausmeſſungen gefunden, daß die Seine jaͤhrlich unter dem Pont royal in Paris nur 105120 Millionen Cubikfuß Waſſer hindurchfuͤhre, welches noch nicht den ſechſten Theil des berechneten Regen- und Schneewaſſers betraͤgt. Nimmt man alſo auch an, daß vom Regenwaſſer ein Drittel wieder verduͤnſte, und ein Drittel zur Nahrung der Thiere und Pflanzen verbraucht werde, ſo bleibt doch dieſer Rechnung nach das letzte Drittel zu Unterhaltung der Fluͤſſe mehr als zureichend. Hiernaͤchſt beruft ſich Mariotte auf die Erfahrung, daß die meiſten Quellen mehr oder weniger Waſſer geben, je nachdem es mehr oder weniger regnet, viele auch bey großer Duͤrre ganz vertrocknen, oder doch betraͤchtlich vermindert werden. Es glaubt, das Regenwaſſer dringe in die Erde durch kleine hohle Canaͤle und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0610" xml:id="P.3.604" n="604"/><lb/> werde: dies gelte auch vom Schnee, der ſich beſonders auf den Baͤumen der Gebirge haͤufig anſammle, und nur langſam ſchmelze.</p> <p>Dieſe Meinung des Vitruv hat <hi rendition="#b">Mariotte</hi> <hi rendition="#aq">(Traité du mouvement des eaux et des autres corps fluides,</hi> in den <hi rendition="#aq">Oeuvres de <hi rendition="#i">Mariotte.</hi> à Leide, 1717. 4. To. I. p. 326. ſqq.)</hi> angenommen, und durch eine Berechnung wahrſcheinlich zu machen geſucht, daß das Regen- und Schneewaſſer vollkommen hinreichend ſey, alle Quellen und Fluͤſſe zu unterhalten. Er zeigt aus Beobachtungen, daß in der Gegend von Dijon der ganze herabfallende Regen auf jeder Flaͤche jaͤhrlich eine Hoͤhe von 17 Zoll einnehmen wuͤrde, wofuͤr er jedoch nur 15 Zoll annehmen wolle. Demnach werden auf eine franzoͤſiſche Quadratmeile (die Meile zu 2300 Toiſen gerechnet) jaͤhrlich 15.72.2300 Cubikzoll, d. i. 15.3.2300 = 238050000 Cubikfuß Waſſer fallen. Nun ſetzt er die Quellen der Seine 60 Meilen oberhalb Paris, und nimmt die Breite der Grenzen, in welchen die kleinen Fluͤſſe und Baͤche, die der Seine Waſſer geben, enthalten ſind, 50 Meilen an, ſo daß die ganze Flaͤche, von der die Seine bis Paris Waſſer empfaͤngt, 3000 Quadratmeilen betraͤgt. Auf dieſe Flaͤche fallen jaͤhrlich nach obiger Rechnung an Waſſer <hi rendition="#c">3000. 238050000 = 714150 Millionen Cubikfuß.</hi></p> <p>Er hatte aber durch Ausmeſſungen gefunden, daß die Seine jaͤhrlich unter dem Pont royal in Paris nur 105120 Millionen Cubikfuß Waſſer hindurchfuͤhre, welches noch nicht den ſechſten Theil des berechneten Regen- und Schneewaſſers betraͤgt. Nimmt man alſo auch an, daß vom Regenwaſſer ein Drittel wieder verduͤnſte, und ein Drittel zur Nahrung der Thiere und Pflanzen verbraucht werde, ſo bleibt doch dieſer Rechnung nach das letzte Drittel zu Unterhaltung der Fluͤſſe mehr als zureichend. Hiernaͤchſt beruft ſich Mariotte auf die Erfahrung, daß die meiſten Quellen mehr oder weniger Waſſer geben, je nachdem es mehr oder weniger regnet, viele auch bey großer Duͤrre ganz vertrocknen, oder doch betraͤchtlich vermindert werden. Es glaubt, das Regenwaſſer dringe in die Erde durch kleine hohle Canaͤle und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [604/0610]
werde: dies gelte auch vom Schnee, der ſich beſonders auf den Baͤumen der Gebirge haͤufig anſammle, und nur langſam ſchmelze.
Dieſe Meinung des Vitruv hat Mariotte (Traité du mouvement des eaux et des autres corps fluides, in den Oeuvres de Mariotte. à Leide, 1717. 4. To. I. p. 326. ſqq.) angenommen, und durch eine Berechnung wahrſcheinlich zu machen geſucht, daß das Regen- und Schneewaſſer vollkommen hinreichend ſey, alle Quellen und Fluͤſſe zu unterhalten. Er zeigt aus Beobachtungen, daß in der Gegend von Dijon der ganze herabfallende Regen auf jeder Flaͤche jaͤhrlich eine Hoͤhe von 17 Zoll einnehmen wuͤrde, wofuͤr er jedoch nur 15 Zoll annehmen wolle. Demnach werden auf eine franzoͤſiſche Quadratmeile (die Meile zu 2300 Toiſen gerechnet) jaͤhrlich 15.72.2300 Cubikzoll, d. i. 15.3.2300 = 238050000 Cubikfuß Waſſer fallen. Nun ſetzt er die Quellen der Seine 60 Meilen oberhalb Paris, und nimmt die Breite der Grenzen, in welchen die kleinen Fluͤſſe und Baͤche, die der Seine Waſſer geben, enthalten ſind, 50 Meilen an, ſo daß die ganze Flaͤche, von der die Seine bis Paris Waſſer empfaͤngt, 3000 Quadratmeilen betraͤgt. Auf dieſe Flaͤche fallen jaͤhrlich nach obiger Rechnung an Waſſer 3000. 238050000 = 714150 Millionen Cubikfuß.
Er hatte aber durch Ausmeſſungen gefunden, daß die Seine jaͤhrlich unter dem Pont royal in Paris nur 105120 Millionen Cubikfuß Waſſer hindurchfuͤhre, welches noch nicht den ſechſten Theil des berechneten Regen- und Schneewaſſers betraͤgt. Nimmt man alſo auch an, daß vom Regenwaſſer ein Drittel wieder verduͤnſte, und ein Drittel zur Nahrung der Thiere und Pflanzen verbraucht werde, ſo bleibt doch dieſer Rechnung nach das letzte Drittel zu Unterhaltung der Fluͤſſe mehr als zureichend. Hiernaͤchſt beruft ſich Mariotte auf die Erfahrung, daß die meiſten Quellen mehr oder weniger Waſſer geben, je nachdem es mehr oder weniger regnet, viele auch bey großer Duͤrre ganz vertrocknen, oder doch betraͤchtlich vermindert werden. Es glaubt, das Regenwaſſer dringe in die Erde durch kleine hohle Canaͤle und
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