Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Sedileau (Mem. de l'acad. roy. de Paris, 1693. p. 117. sqq.) bestreitet die von Mariotte gemachte Berechnung. Er erklärt die Breite der Gegend von 50 Meilen, deren Wasser zu Unterhaltung der Seine dienen soll, für ganz willkührlich angenommen, und meint, wenn man so technen wollte, so könnte man Flüsse finden, deren Wasser nicht den dreyßigsten Theil des Regenwassers ihrer Gegend abführte, dagegen sie an andern Orten so dicht zusammen lägen, daß alles Regen- und Schneewasser der Gegend zu ihrer Unterhaltung viel zu wenig seyn würde. Um richtig zu rechnen, müßte man eine Insel, z. B. England und Schottland, wählen, um das auf ihre Fläche fallende Regenwasser mit dem, was sich durch die Mündungen aller ihrer Flüsse ins Meer ergießt, zu vergleichen. Sedileau findet nach einem Ueberschlage, den er auf einige Sätze des Riccioli (Geogr. reform. L. X. c. 7.) gründet, aber selbst nicht für zuverläßig hält, daß auf England und Schottland kaum halb soviel Wasser aus der Luft falle, als zu Unterhaltung ihrer Flüsse nöthig sey. Endlich ist zwar nicht zu längnen, daß viele Quellen mehr Wasser geben, wenn es stark geregnet hat, und daß in dem wüsten Arabien und einem Theile von Afrika, wo es nie regnet, die Quellen und Flüsse selten sind. Allein es giebt auch viele Quellen, welche zu allen Jahrszeiten gleich viel, oder wohl gar in großer Hitze mehr Wasser geben, als bey nasser Witterung. Zudem sind beträchtliche Quellen und stehende Gewässer auf hohen Bergen, welche ihren Ursprung unmöglich ganz vom Regen und Schnee haben können. Es scheint also wenigstens außer dieser Ursache der Quellen noch mehrere zu geben. Halley (Of the circulation of the watry vapours of the sea and the cause of springs, in den Philos. Trans. num. 102. p. 468.) hält den Regen und Schnee für unzureichend, und leitet dagegen die Quellen von den aus dem Meere aufgestiegnen
Sedileau (Mém. de l'acad. roy. de Paris, 1693. p. 117. ſqq.) beſtreitet die von Mariotte gemachte Berechnung. Er erklaͤrt die Breite der Gegend von 50 Meilen, deren Waſſer zu Unterhaltung der Seine dienen ſoll, fuͤr ganz willkuͤhrlich angenommen, und meint, wenn man ſo technen wollte, ſo koͤnnte man Fluͤſſe finden, deren Waſſer nicht den dreyßigſten Theil des Regenwaſſers ihrer Gegend abfuͤhrte, dagegen ſie an andern Orten ſo dicht zuſammen laͤgen, daß alles Regen- und Schneewaſſer der Gegend zu ihrer Unterhaltung viel zu wenig ſeyn wuͤrde. Um richtig zu rechnen, muͤßte man eine Inſel, z. B. England und Schottland, waͤhlen, um das auf ihre Flaͤche fallende Regenwaſſer mit dem, was ſich durch die Muͤndungen aller ihrer Fluͤſſe ins Meer ergießt, zu vergleichen. Sedileau findet nach einem Ueberſchlage, den er auf einige Saͤtze des Riccioli (Geogr. reform. L. X. c. 7.) gruͤndet, aber ſelbſt nicht fuͤr zuverlaͤßig haͤlt, daß auf England und Schottland kaum halb ſoviel Waſſer aus der Luft falle, als zu Unterhaltung ihrer Fluͤſſe noͤthig ſey. Endlich iſt zwar nicht zu laͤngnen, daß viele Quellen mehr Waſſer geben, wenn es ſtark geregnet hat, und daß in dem wuͤſten Arabien und einem Theile von Afrika, wo es nie regnet, die Quellen und Fluͤſſe ſelten ſind. Allein es giebt auch viele Quellen, welche zu allen Jahrszeiten gleich viel, oder wohl gar in großer Hitze mehr Waſſer geben, als bey naſſer Witterung. Zudem ſind betraͤchtliche Quellen und ſtehende Gewaͤſſer auf hohen Bergen, welche ihren Urſprung unmoͤglich ganz vom Regen und Schnee haben koͤnnen. Es ſcheint alſo wenigſtens außer dieſer Urſache der Quellen noch mehrere zu geben. Halley (Of the circulation of the watry vapours of the ſea and the cauſe of ſprings, in den Philoſ. Trans. num. 102. p. 468.) haͤlt den Regen und Schnee fuͤr unzureichend, und leitet dagegen die Quellen von den aus dem Meere aufgeſtiegnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0612" xml:id="P.3.606" n="606"/><lb/> die Waͤnde der Keller der pariſer Sternwarte, aus denen nach ſtarkem Regen. Waſſer herablaͤuft. Man hat auch wirklich Beyſpiele davon, daß an manchen Orten das Regenwaſſer tiefer, als an andern, eindringt.</p> <p><hi rendition="#b">Sedileau</hi><hi rendition="#aq">(Mém. de l'acad. roy. de Paris, 1693. p. 117. ſqq.)</hi> beſtreitet die von Mariotte gemachte Berechnung. Er erklaͤrt die Breite der Gegend von 50 Meilen, deren Waſſer zu Unterhaltung der Seine dienen ſoll, fuͤr ganz willkuͤhrlich angenommen, und meint, wenn man ſo technen wollte, ſo koͤnnte man Fluͤſſe finden, deren Waſſer nicht den dreyßigſten Theil des Regenwaſſers ihrer Gegend abfuͤhrte, dagegen ſie an andern Orten ſo dicht zuſammen laͤgen, daß alles Regen- und Schneewaſſer der Gegend zu ihrer Unterhaltung viel zu wenig ſeyn wuͤrde. Um richtig zu rechnen, muͤßte man eine Inſel, z. B. England und Schottland, waͤhlen, um das auf ihre Flaͤche fallende Regenwaſſer mit dem, was ſich durch die Muͤndungen aller ihrer Fluͤſſe ins Meer ergießt, zu vergleichen. <hi rendition="#b">Sedileau</hi> findet nach einem Ueberſchlage, den er auf einige Saͤtze des <hi rendition="#b">Riccioli</hi> <hi rendition="#aq">(Geogr. reform. L. X. c. 7.)</hi> gruͤndet, aber ſelbſt nicht fuͤr zuverlaͤßig haͤlt, daß auf England und Schottland kaum halb ſoviel Waſſer aus der Luft falle, als zu Unterhaltung ihrer Fluͤſſe noͤthig ſey.</p> <p>Endlich iſt zwar nicht zu laͤngnen, daß viele Quellen mehr Waſſer geben, wenn es ſtark geregnet hat, und daß in dem wuͤſten Arabien und einem Theile von Afrika, wo es nie regnet, die Quellen und Fluͤſſe ſelten ſind. Allein es giebt auch viele Quellen, welche zu allen Jahrszeiten gleich viel, oder wohl gar in großer Hitze mehr Waſſer geben, als bey naſſer Witterung. Zudem ſind betraͤchtliche Quellen und ſtehende Gewaͤſſer auf hohen Bergen, welche ihren Urſprung unmoͤglich ganz vom Regen und Schnee haben koͤnnen. Es ſcheint alſo wenigſtens außer dieſer Urſache der Quellen noch mehrere zu geben.</p> <p><hi rendition="#b">Halley</hi><hi rendition="#aq">(Of the circulation of the watry vapours of the ſea and the cauſe of ſprings,</hi> in den <hi rendition="#aq">Philoſ. Trans. num. 102. p. 468.)</hi> haͤlt den Regen und Schnee fuͤr unzureichend, und leitet dagegen die Quellen von den aus dem Meere aufgeſtiegnen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [606/0612]
die Waͤnde der Keller der pariſer Sternwarte, aus denen nach ſtarkem Regen. Waſſer herablaͤuft. Man hat auch wirklich Beyſpiele davon, daß an manchen Orten das Regenwaſſer tiefer, als an andern, eindringt.
Sedileau (Mém. de l'acad. roy. de Paris, 1693. p. 117. ſqq.) beſtreitet die von Mariotte gemachte Berechnung. Er erklaͤrt die Breite der Gegend von 50 Meilen, deren Waſſer zu Unterhaltung der Seine dienen ſoll, fuͤr ganz willkuͤhrlich angenommen, und meint, wenn man ſo technen wollte, ſo koͤnnte man Fluͤſſe finden, deren Waſſer nicht den dreyßigſten Theil des Regenwaſſers ihrer Gegend abfuͤhrte, dagegen ſie an andern Orten ſo dicht zuſammen laͤgen, daß alles Regen- und Schneewaſſer der Gegend zu ihrer Unterhaltung viel zu wenig ſeyn wuͤrde. Um richtig zu rechnen, muͤßte man eine Inſel, z. B. England und Schottland, waͤhlen, um das auf ihre Flaͤche fallende Regenwaſſer mit dem, was ſich durch die Muͤndungen aller ihrer Fluͤſſe ins Meer ergießt, zu vergleichen. Sedileau findet nach einem Ueberſchlage, den er auf einige Saͤtze des Riccioli (Geogr. reform. L. X. c. 7.) gruͤndet, aber ſelbſt nicht fuͤr zuverlaͤßig haͤlt, daß auf England und Schottland kaum halb ſoviel Waſſer aus der Luft falle, als zu Unterhaltung ihrer Fluͤſſe noͤthig ſey.
Endlich iſt zwar nicht zu laͤngnen, daß viele Quellen mehr Waſſer geben, wenn es ſtark geregnet hat, und daß in dem wuͤſten Arabien und einem Theile von Afrika, wo es nie regnet, die Quellen und Fluͤſſe ſelten ſind. Allein es giebt auch viele Quellen, welche zu allen Jahrszeiten gleich viel, oder wohl gar in großer Hitze mehr Waſſer geben, als bey naſſer Witterung. Zudem ſind betraͤchtliche Quellen und ſtehende Gewaͤſſer auf hohen Bergen, welche ihren Urſprung unmoͤglich ganz vom Regen und Schnee haben koͤnnen. Es ſcheint alſo wenigſtens außer dieſer Urſache der Quellen noch mehrere zu geben.
Halley (Of the circulation of the watry vapours of the ſea and the cauſe of ſprings, in den Philoſ. Trans. num. 102. p. 468.) haͤlt den Regen und Schnee fuͤr unzureichend, und leitet dagegen die Quellen von den aus dem Meere aufgeſtiegnen
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