Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
So wird Taf. XIV. Fig. 8. das Wasser aus dem Gefäße CBD in die Röhre AG aufsteigen, wenn man den fest anschließenden Kolben EH bis F aufzieht. Man sagt alsdann, der Kolben sauge; es ist aber nicht der Kolben, der das Wasser nach sich zieht, sondern der Druck der über CE und HD liegenden Luft treibt die Wasserfläche EH in die Höhe, weil über ihr bis F ein luftleerer Raum ist, in dem keine gleich elastische Luft jenem Drucke entgegen wirkt. Wenn man mit dem Munde saugt, so bilden Lippen und Gaumen den Canal, und die fest anschließende Zunge den Kolben u. s. w. Das ganze Phänomen ist schon beym Worte Luftkreis (oben S. 43 u. f.) erklärt, wo auch die vormaligen falschen Erklärungen erwähnt werden. Eben so wird bey dem Einathmen durch Erweiterung oder Vergrößerung des Raums in der Brusthöhle und den Lungen die innere Luft verdünnt, und die dichtere äußere Luft durch das Uebergewicht ihrer Elasticität hineingetrieben. Wenn man mit dem Munde durch ein langes Rohr sauget, wird der Canal, den Lippen und Gaumen bilden, durch das Rohr verlängert; das Zurückziehen der Zunge verdünnt die Luft in demselben, und so treibt die äußere elastischere Luft das Wasser durch das Ende des Rohrs hinein. Dieses Saugen geschieht also nicht durch eine anziehende Kraft des Mundes, des Kolbens u. s. w., wie die gemeine Redensart Einziehen anzudeuten scheint, sondern blos durch den Druck der Luft. Im luftleeren Raume fällt alles Saugen weg, und selbst in der Atmosphäre hört es auf, sobald der Gegendruck, den die eingesogne Materie durch ihre Schwere ausübt, dem Drucke der äußern Luft gleich wird. Daher kan Wasser durch Saugen nicht viel
So wird Taf. XIV. Fig. 8. das Waſſer aus dem Gefaͤße CBD in die Roͤhre AG aufſteigen, wenn man den feſt anſchließenden Kolben EH bis F aufzieht. Man ſagt alsdann, der Kolben ſauge; es iſt aber nicht der Kolben, der das Waſſer nach ſich zieht, ſondern der Druck der uͤber CE und HD liegenden Luft treibt die Waſſerflaͤche EH in die Hoͤhe, weil uͤber ihr bis F ein luftleerer Raum iſt, in dem keine gleich elaſtiſche Luft jenem Drucke entgegen wirkt. Wenn man mit dem Munde ſaugt, ſo bilden Lippen und Gaumen den Canal, und die feſt anſchließende Zunge den Kolben u. ſ. w. Das ganze Phaͤnomen iſt ſchon beym Worte Luftkreis (oben S. 43 u. f.) erklaͤrt, wo auch die vormaligen falſchen Erklaͤrungen erwaͤhnt werden. Eben ſo wird bey dem Einathmen durch Erweiterung oder Vergroͤßerung des Raums in der Bruſthoͤhle und den Lungen die innere Luft verduͤnnt, und die dichtere aͤußere Luft durch das Uebergewicht ihrer Elaſticitaͤt hineingetrieben. Wenn man mit dem Munde durch ein langes Rohr ſauget, wird der Canal, den Lippen und Gaumen bilden, durch das Rohr verlaͤngert; das Zuruͤckziehen der Zunge verduͤnnt die Luft in demſelben, und ſo treibt die aͤußere elaſtiſchere Luft das Waſſer durch das Ende des Rohrs hinein. Dieſes Saugen geſchieht alſo nicht durch eine anziehende Kraft des Mundes, des Kolbens u. ſ. w., wie die gemeine Redensart Einziehen anzudeuten ſcheint, ſondern blos durch den Druck der Luft. Im luftleeren Raume faͤllt alles Saugen weg, und ſelbſt in der Atmoſphaͤre hoͤrt es auf, ſobald der Gegendruck, den die eingeſogne Materie durch ihre Schwere ausuͤbt, dem Drucke der aͤußern Luft gleich wird. Daher kan Waſſer durch Saugen nicht viel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0797" xml:id="P.3.791" n="791"/><lb/> Raum zwiſchen dieſem Koͤrper und dem Ende des Canals groͤßer wird, ſo treibt der Druck des Luftkreiſes alle Materien, beſonders fluͤßige, die mit dem erwaͤhnten Raume Gemeinſchaft haben, durch jede Oefnung nach allen Richtungen in denſelben, bis er ganz erfuͤllt iſt, und man kan dadurch fluͤßige Koͤrper nicht nur ſeitwaͤrts, ſondern auch auſwaͤrts in dieſen Raum bringen. Dieſe Wirkung heißt das <hi rendition="#b">Saugen.</hi></p> <p>So wird Taf. <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Fig. 8. das Waſſer aus dem Gefaͤße <hi rendition="#aq">CBD</hi> in die Roͤhre <hi rendition="#aq">AG</hi> aufſteigen, wenn man den feſt anſchließenden Kolben <hi rendition="#aq">EH</hi> bis <hi rendition="#aq">F</hi> aufzieht. Man ſagt alsdann, der Kolben <hi rendition="#b">ſauge;</hi> es iſt aber nicht der Kolben, der das Waſſer nach ſich zieht, ſondern der Druck der uͤber <hi rendition="#aq">CE</hi> und <hi rendition="#aq">HD</hi> liegenden Luft treibt die Waſſerflaͤche <hi rendition="#aq">EH</hi> in die Hoͤhe, weil uͤber ihr bis <hi rendition="#aq">F</hi> ein luftleerer Raum iſt, in dem keine gleich elaſtiſche Luft jenem Drucke entgegen wirkt. Wenn man mit dem Munde ſaugt, ſo bilden Lippen und Gaumen den Canal, und die feſt anſchließende Zunge den Kolben u. ſ. w. Das ganze Phaͤnomen iſt ſchon beym Worte <hi rendition="#b">Luftkreis</hi> (oben S. 43 u. f.) erklaͤrt, wo auch die vormaligen falſchen Erklaͤrungen erwaͤhnt werden.</p> <p>Eben ſo wird bey dem Einathmen durch Erweiterung oder Vergroͤßerung des Raums in der Bruſthoͤhle und den Lungen die innere Luft verduͤnnt, und die dichtere aͤußere Luft durch das Uebergewicht ihrer Elaſticitaͤt hineingetrieben. Wenn man mit dem Munde durch ein langes Rohr ſauget, wird der Canal, den Lippen und Gaumen bilden, durch das Rohr verlaͤngert; das Zuruͤckziehen der Zunge verduͤnnt die Luft in demſelben, und ſo treibt die aͤußere elaſtiſchere Luft das Waſſer durch das Ende des Rohrs hinein.</p> <p>Dieſes Saugen geſchieht alſo nicht durch eine anziehende Kraft des Mundes, des Kolbens u. ſ. w., wie die gemeine Redensart <hi rendition="#b">Einziehen</hi> anzudeuten ſcheint, ſondern blos durch den Druck der Luft. Im luftleeren Raume faͤllt alles Saugen weg, und ſelbſt in der Atmoſphaͤre hoͤrt es auf, ſobald der Gegendruck, den die eingeſogne Materie durch ihre Schwere ausuͤbt, dem Drucke der aͤußern Luft gleich wird. Daher kan Waſſer durch Saugen nicht viel<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [791/0797]
Raum zwiſchen dieſem Koͤrper und dem Ende des Canals groͤßer wird, ſo treibt der Druck des Luftkreiſes alle Materien, beſonders fluͤßige, die mit dem erwaͤhnten Raume Gemeinſchaft haben, durch jede Oefnung nach allen Richtungen in denſelben, bis er ganz erfuͤllt iſt, und man kan dadurch fluͤßige Koͤrper nicht nur ſeitwaͤrts, ſondern auch auſwaͤrts in dieſen Raum bringen. Dieſe Wirkung heißt das Saugen.
So wird Taf. XIV. Fig. 8. das Waſſer aus dem Gefaͤße CBD in die Roͤhre AG aufſteigen, wenn man den feſt anſchließenden Kolben EH bis F aufzieht. Man ſagt alsdann, der Kolben ſauge; es iſt aber nicht der Kolben, der das Waſſer nach ſich zieht, ſondern der Druck der uͤber CE und HD liegenden Luft treibt die Waſſerflaͤche EH in die Hoͤhe, weil uͤber ihr bis F ein luftleerer Raum iſt, in dem keine gleich elaſtiſche Luft jenem Drucke entgegen wirkt. Wenn man mit dem Munde ſaugt, ſo bilden Lippen und Gaumen den Canal, und die feſt anſchließende Zunge den Kolben u. ſ. w. Das ganze Phaͤnomen iſt ſchon beym Worte Luftkreis (oben S. 43 u. f.) erklaͤrt, wo auch die vormaligen falſchen Erklaͤrungen erwaͤhnt werden.
Eben ſo wird bey dem Einathmen durch Erweiterung oder Vergroͤßerung des Raums in der Bruſthoͤhle und den Lungen die innere Luft verduͤnnt, und die dichtere aͤußere Luft durch das Uebergewicht ihrer Elaſticitaͤt hineingetrieben. Wenn man mit dem Munde durch ein langes Rohr ſauget, wird der Canal, den Lippen und Gaumen bilden, durch das Rohr verlaͤngert; das Zuruͤckziehen der Zunge verduͤnnt die Luft in demſelben, und ſo treibt die aͤußere elaſtiſchere Luft das Waſſer durch das Ende des Rohrs hinein.
Dieſes Saugen geſchieht alſo nicht durch eine anziehende Kraft des Mundes, des Kolbens u. ſ. w., wie die gemeine Redensart Einziehen anzudeuten ſcheint, ſondern blos durch den Druck der Luft. Im luftleeren Raume faͤllt alles Saugen weg, und ſelbſt in der Atmoſphaͤre hoͤrt es auf, ſobald der Gegendruck, den die eingeſogne Materie durch ihre Schwere ausuͤbt, dem Drucke der aͤußern Luft gleich wird. Daher kan Waſſer durch Saugen nicht viel
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