Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.Weit wichtiger ist der Tadel, mit welchem der Professor Gabriel Cramer in Genf, einer der größten neuern Mathematiker, Newtons Theorie angegriffen hat. Er zeigt nemlich (Newtoni Princip. ex edit. P. P. Jacquier et le Sueur, ad L. II. Prop. 47. p. 364. sqq.), daß der Beweis der obigen 48sten Proposition (in den neuern Ausgaben ist es die 47ste) nicht schließend sey, weil man ihn mit eben so gutem Erfolg zur Demonstration ganz anderer und offenbar falscher Schlußfolgen brauchen könne. Er erweißt, um ein Beyspiel zu geben, ganz auf eben die Art, wie Newton, daß die hin- und hergehenden Theilchen nicht nach den Gesetzen des Pendels, sondern wie die freyfallenden und aufsteigenden schweren Körper, beschleunigt und retardirt werden müssen, welches doch offenbar falsch ist. Nun haben zwar die Commentatoren Newtons Satz durch eine weitläuftige Rechnung zu retten, und den Beweis mehr auf die Natur elastischer Mittel zu gründen gesucht; allein es ist auch hiebey noch zu viel Hypothetisches vorausgesetzt, als daß man diese an sich so schöne Theorie für fest gegründet und von allen Schwierigkeiten befreyt halten könnte, zumal, da sie von den Resultaten der Versuche so merklich abweicht. Herr D. Wünsch, anjetzt Professor zu Frankfurt an der Oder, (Initia novae doctrinae de natura soni. Lips. 1776. 4.) versuchte eine neue Theorie des Schalls zu geben, deren Gründe zu prüfen hier zu weitläuftig wäre. Er nimmt dabey eine der Luft eigne Geschwindigkeit an, mit der sie weicht, wenn man ihr Platz verstattet (celeritas cedendi), und zeigt nach einer eignen Vorstellungsart von der Fortpflanzung des Schalls, daß eben dieses auch die Geschwindigkeit des Schalls seyn müsse. Nach seiner Meinung dringt jede Luftsäule in leere Räume mit derjenigen Geschwindigkeit ein, welche der Höhe ihres Schwerpunkts zugehört. Schwerpunkt aber heißt bey ihm, etwas uneigentlich, derjenige Ort der Säule, der eben so viel Luft über sich, als unter sich, hat (wo z. B. das Barometer auf 14 Zoll steht, wenn es sich an der Erdfläche 28 Zoll hoch hält). Diese Höhe des Schwerpunkts der Luftsäulen über der Erdfläche bestimmt nun Herr Wünsch nach seiner Methode, die ich Weit wichtiger iſt der Tadel, mit welchem der Profeſſor Gabriel Cramer in Genf, einer der groͤßten neuern Mathematiker, Newtons Theorie angegriffen hat. Er zeigt nemlich (Newtoni Princip. ex edit. P. P. Jacquier et le Sueur, ad L. II. Prop. 47. p. 364. ſqq.), daß der Beweis der obigen 48ſten Propoſition (in den neuern Ausgaben iſt es die 47ſte) nicht ſchließend ſey, weil man ihn mit eben ſo gutem Erfolg zur Demonſtration ganz anderer und offenbar falſcher Schlußfolgen brauchen koͤnne. Er erweißt, um ein Beyſpiel zu geben, ganz auf eben die Art, wie Newton, daß die hin- und hergehenden Theilchen nicht nach den Geſetzen des Pendels, ſondern wie die freyfallenden und aufſteigenden ſchweren Koͤrper, beſchleunigt und retardirt werden muͤſſen, welches doch offenbar falſch iſt. Nun haben zwar die Commentatoren Newtons Satz durch eine weitlaͤuftige Rechnung zu retten, und den Beweis mehr auf die Natur elaſtiſcher Mittel zu gruͤnden geſucht; allein es iſt auch hiebey noch zu viel Hypothetiſches vorausgeſetzt, als daß man dieſe an ſich ſo ſchoͤne Theorie fuͤr feſt gegruͤndet und von allen Schwierigkeiten befreyt halten koͤnnte, zumal, da ſie von den Reſultaten der Verſuche ſo merklich abweicht. Herr D. Wuͤnſch, anjetzt Profeſſor zu Frankfurt an der Oder, (Initia novae doctrinae de natura ſoni. Lipſ. 1776. 4.) verſuchte eine neue Theorie des Schalls zu geben, deren Gruͤnde zu pruͤfen hier zu weitlaͤuftig waͤre. Er nimmt dabey eine der Luft eigne Geſchwindigkeit an, mit der ſie weicht, wenn man ihr Platz verſtattet (celeritas cedendi), und zeigt nach einer eignen Vorſtellungsart von der Fortpflanzung des Schalls, daß eben dieſes auch die Geſchwindigkeit des Schalls ſeyn muͤſſe. Nach ſeiner Meinung dringt jede Luftſaͤule in leere Raͤume mit derjenigen Geſchwindigkeit ein, welche der Hoͤhe ihres Schwerpunkts zugehoͤrt. Schwerpunkt aber heißt bey ihm, etwas uneigentlich, derjenige Ort der Saͤule, der eben ſo viel Luft uͤber ſich, als unter ſich, hat (wo z. B. das Barometer auf 14 Zoll ſteht, wenn es ſich an der Erdflaͤche 28 Zoll hoch haͤlt). 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Er erweißt, um ein Beyſpiel zu geben, ganz auf eben die Art, wie Newton, daß die hin- und hergehenden Theilchen nicht nach den Geſetzen des Pendels, ſondern wie die freyfallenden und aufſteigenden ſchweren Koͤrper, beſchleunigt und retardirt werden muͤſſen, welches doch offenbar falſch iſt. Nun haben zwar die Commentatoren Newtons Satz durch eine weitlaͤuftige Rechnung zu retten, und den Beweis mehr auf die Natur elaſtiſcher Mittel zu gruͤnden geſucht; allein es iſt auch hiebey noch zu viel Hypothetiſches vorausgeſetzt, als daß man dieſe an ſich ſo ſchoͤne Theorie fuͤr feſt gegruͤndet und von allen Schwierigkeiten befreyt halten koͤnnte, zumal, da ſie von den Reſultaten der Verſuche ſo merklich abweicht.</p> <p>Herr <hi rendition="#b">D. Wuͤnſch,</hi> anjetzt Profeſſor zu Frankfurt an der Oder, <hi rendition="#aq">(Initia novae doctrinae de natura ſoni. Lipſ. 1776. 4.)</hi> verſuchte eine neue Theorie des Schalls zu geben, deren Gruͤnde zu pruͤfen hier zu weitlaͤuftig waͤre. 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Weit wichtiger iſt der Tadel, mit welchem der Profeſſor Gabriel Cramer in Genf, einer der groͤßten neuern Mathematiker, Newtons Theorie angegriffen hat. Er zeigt nemlich (Newtoni Princip. ex edit. P. P. Jacquier et le Sueur, ad L. II. Prop. 47. p. 364. ſqq.), daß der Beweis der obigen 48ſten Propoſition (in den neuern Ausgaben iſt es die 47ſte) nicht ſchließend ſey, weil man ihn mit eben ſo gutem Erfolg zur Demonſtration ganz anderer und offenbar falſcher Schlußfolgen brauchen koͤnne. Er erweißt, um ein Beyſpiel zu geben, ganz auf eben die Art, wie Newton, daß die hin- und hergehenden Theilchen nicht nach den Geſetzen des Pendels, ſondern wie die freyfallenden und aufſteigenden ſchweren Koͤrper, beſchleunigt und retardirt werden muͤſſen, welches doch offenbar falſch iſt. Nun haben zwar die Commentatoren Newtons Satz durch eine weitlaͤuftige Rechnung zu retten, und den Beweis mehr auf die Natur elaſtiſcher Mittel zu gruͤnden geſucht; allein es iſt auch hiebey noch zu viel Hypothetiſches vorausgeſetzt, als daß man dieſe an ſich ſo ſchoͤne Theorie fuͤr feſt gegruͤndet und von allen Schwierigkeiten befreyt halten koͤnnte, zumal, da ſie von den Reſultaten der Verſuche ſo merklich abweicht.
Herr D. Wuͤnſch, anjetzt Profeſſor zu Frankfurt an der Oder, (Initia novae doctrinae de natura ſoni. Lipſ. 1776. 4.) verſuchte eine neue Theorie des Schalls zu geben, deren Gruͤnde zu pruͤfen hier zu weitlaͤuftig waͤre. Er nimmt dabey eine der Luft eigne Geſchwindigkeit an, mit der ſie weicht, wenn man ihr Platz verſtattet (celeritas cedendi), und zeigt nach einer eignen Vorſtellungsart von der Fortpflanzung des Schalls, daß eben dieſes auch die Geſchwindigkeit des Schalls ſeyn muͤſſe. Nach ſeiner Meinung dringt jede Luftſaͤule in leere Raͤume mit derjenigen Geſchwindigkeit ein, welche der Hoͤhe ihres Schwerpunkts zugehoͤrt. Schwerpunkt aber heißt bey ihm, etwas uneigentlich, derjenige Ort der Saͤule, der eben ſo viel Luft uͤber ſich, als unter ſich, hat (wo z. B. das Barometer auf 14 Zoll ſteht, wenn es ſich an der Erdflaͤche 28 Zoll hoch haͤlt). Dieſe Hoͤhe des Schwerpunkts der Luftſaͤulen uͤber der Erdflaͤche beſtimmt nun Herr Wuͤnſch nach ſeiner Methode, die ich
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