Sechstel des Ganzen beträgt, hat die Theorertiker sehr beschäftiget. Newton selbst hilft sich, wie wir gesehen haben, mit der Dicke der Luftrtheilchen und mit den Dünsten, deren Wirkungen er gerade so groß annimmt, daß die richtigen Resultate herauskommen. Euler(Conjectura physica circa propagationem soni ac luminis. Berol. 1750. 4. §. VII.) ist damit gar nicht zufrieden, und meint, wenn der zehnte Theil der Luft aus harten Kügelchen bestünde, wie Newton annehme, so würde sich die Luft nicht über zehnmal verdichten lassen, welches wider die Erfahrung streite. Aber in Newtons Vorstellung liegt dieses gar nicht. Nach dieser Vorstellung macht zwar der Durchmesser des Lufttheilchens, der eine Linie ist, den 10ten Theil des Abstands vom nächsten Theilchen aus, aber die Summe der Kügelchen selbst, welche Körper sind, beträgt nicht den zehnten, sondern nur den tausendsten Theil des ganzen körperlichen Volumens: also folgt nur, daß sich die Luft nicht über 1000mal comprimiren lasse, welches nicht mehr mit der Erfahrung streitet. Das hätte ein Geometer, wie Euler, sonst auf den ersten Bick übersehen; er ist aber nie unbefangen, wenn er gegen Newton schreibt.
Inzwischen billigt Euler doch die Theorie selbst, und sucht nur die Erfahrungen auf einem andern Wege zu erklären. Er nimmt nemlich an, ein einzelner Pulsus werde zwar genau um 979 englische Fuß in einer Secunde fortgehen, und für diesen Fall sey die Theorie berechnet. Wenn aber mehrere successive Schläge in einer Reihe auf einander folgte, so werde die Geschwindigkeit der ersten Schläge durch den Stoß der folgenden vergrößert, und dies sey der Fall bey den Versuchen, wo also die Geschwindigkeit zugleich von der Anzahl der Schläge (frequentia pulsuum) abhänge. Hieraus würde folgen, daß höhere Töne sich schneller fortpflanzen, als tiefere, wovon man doch bey den Versuchen nichts bemerkt hat. Uebrigens legt Euler eben diese Theorie auch bey der Fortpflanzung des Lichts zum Grunde, und gebraucht da den Einfluß, den die Succession der Schläge auf die Geschwindigkeit der Wellen haben soll, mit zu den Erklärungen der Farbenzerstreuung.
Sechſtel des Ganzen betraͤgt, hat die Theorertiker ſehr beſchaͤftiget. Newton ſelbſt hilft ſich, wie wir geſehen haben, mit der Dicke der Luftrtheilchen und mit den Duͤnſten, deren Wirkungen er gerade ſo groß annimmt, daß die richtigen Reſultate herauskommen. Euler(Conjectura phyſica circa propagationem ſoni ac luminis. Berol. 1750. 4. §. VII.) iſt damit gar nicht zufrieden, und meint, wenn der zehnte Theil der Luft aus harten Kuͤgelchen beſtuͤnde, wie Newton annehme, ſo wuͤrde ſich die Luft nicht uͤber zehnmal verdichten laſſen, welches wider die Erfahrung ſtreite. Aber in Newtons Vorſtellung liegt dieſes gar nicht. Nach dieſer Vorſtellung macht zwar der Durchmeſſer des Lufttheilchens, der eine Linie iſt, den 10ten Theil des Abſtands vom naͤchſten Theilchen aus, aber die Summe der Kuͤgelchen ſelbſt, welche Koͤrper ſind, betraͤgt nicht den zehnten, ſondern nur den tauſendſten Theil des ganzen koͤrperlichen Volumens: alſo folgt nur, daß ſich die Luft nicht uͤber 1000mal comprimiren laſſe, welches nicht mehr mit der Erfahrung ſtreitet. Das haͤtte ein Geometer, wie Euler, ſonſt auf den erſten Bick uͤberſehen; er iſt aber nie unbefangen, wenn er gegen Newton ſchreibt.
Inzwiſchen billigt Euler doch die Theorie ſelbſt, und ſucht nur die Erfahrungen auf einem andern Wege zu erklaͤren. Er nimmt nemlich an, ein einzelner Pulſus werde zwar genau um 979 engliſche Fuß in einer Secunde fortgehen, und fuͤr dieſen Fall ſey die Theorie berechnet. Wenn aber mehrere ſucceſſive Schlaͤge in einer Reihe auf einander folgte, ſo werde die Geſchwindigkeit der erſten Schlaͤge durch den Stoß der folgenden vergroͤßert, und dies ſey der Fall bey den Verſuchen, wo alſo die Geſchwindigkeit zugleich von der Anzahl der Schlaͤge (frequentia pulſuum) abhaͤnge. Hieraus wuͤrde folgen, daß hoͤhere Toͤne ſich ſchneller fortpflanzen, als tiefere, wovon man doch bey den Verſuchen nichts bemerkt hat. Uebrigens legt Euler eben dieſe Theorie auch bey der Fortpflanzung des Lichts zum Grunde, und gebraucht da den Einfluß, den die Succeſſion der Schlaͤge auf die Geſchwindigkeit der Wellen haben ſoll, mit zu den Erklaͤrungen der Farbenzerſtreuung.
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Sechſtel des Ganzen betraͤgt, hat die Theorertiker ſehr beſchaͤftiget. Newton ſelbſt hilft ſich, wie wir geſehen haben, mit der Dicke der Luftrtheilchen und mit den Duͤnſten, deren Wirkungen er gerade ſo groß annimmt, daß die richtigen Reſultate herauskommen. Euler (Conjectura phyſica circa propagationem ſoni ac luminis. Berol. 1750. 4. §. VII.) iſt damit gar nicht zufrieden, und meint, wenn der zehnte Theil der Luft aus harten Kuͤgelchen beſtuͤnde, wie Newton annehme, ſo wuͤrde ſich die Luft nicht uͤber zehnmal verdichten laſſen, welches wider die Erfahrung ſtreite. Aber in Newtons Vorſtellung liegt dieſes gar nicht. Nach dieſer Vorſtellung macht zwar der Durchmeſſer des Lufttheilchens, der eine Linie iſt, den 10ten Theil des Abſtands vom naͤchſten Theilchen aus, aber die Summe der Kuͤgelchen ſelbſt, welche Koͤrper ſind, betraͤgt nicht den zehnten, ſondern nur den tauſendſten Theil des ganzen koͤrperlichen Volumens: alſo folgt nur, daß ſich die Luft nicht uͤber 1000mal comprimiren laſſe, welches nicht mehr mit der Erfahrung ſtreitet. Das haͤtte ein Geometer, wie Euler, ſonſt auf den erſten Bick uͤberſehen; er iſt aber nie unbefangen, wenn er gegen Newton ſchreibt.
Inzwiſchen billigt Euler doch die Theorie ſelbſt, und ſucht nur die Erfahrungen auf einem andern Wege zu erklaͤren. Er nimmt nemlich an, ein einzelner Pulſus werde zwar genau um 979 engliſche Fuß in einer Secunde fortgehen, und fuͤr dieſen Fall ſey die Theorie berechnet. Wenn aber mehrere ſucceſſive Schlaͤge in einer Reihe auf einander folgte, ſo werde die Geſchwindigkeit der erſten Schlaͤge durch den Stoß der folgenden vergroͤßert, und dies ſey der Fall bey den Verſuchen, wo alſo die Geſchwindigkeit zugleich von der Anzahl der Schlaͤge (frequentia pulſuum) abhaͤnge. Hieraus wuͤrde folgen, daß hoͤhere Toͤne ſich ſchneller fortpflanzen, als tiefere, wovon man doch bey den Verſuchen nichts bemerkt hat. Uebrigens legt Euler eben dieſe Theorie auch bey der Fortpflanzung des Lichts zum Grunde, und gebraucht da den Einfluß, den die Succeſſion der Schlaͤge auf die Geſchwindigkeit der Wellen haben ſoll, mit zu den Erklaͤrungen der Farbenzerſtreuung.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 811. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/817>, abgerufen am 22.11.2024.
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