Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Weil doch bey der Schiffahrt Richtung nach einerley Weltgegend, oder Rhumb, als Regel betrachtet, und auch in der Ausübung so lang als möglich beybehalten wird, so ist der regelmäßige Weg der Schiffe in den meisten Fällen loxodromisch. Auf solchen Karten also, die nach den gewöhnlichen Projectionen der Landkarten entworfen wären (s. Landkarten), würden diese Wege des Schiffs krummlinicht ausfallen. Der Seefahrer hingegen wünscht Karten, auf welchen ihm die gerade Linie von einem Orte zum andern zeigt, welche Richtung er nehmen müsse, um an den Ort seiner Bestimmung zu gelangen, d. h. er wünscht Karten, auf welchen die Loxodromien geradllnicht ausfallen. Man sieht leicht, daß diese Absicht erreicht wird, wenn man die Meridiane als parallele gerade Linien darstellt. Alsdann wird die Loxodromie, die sie alle unter gleichen Winkeln schneidet, auch eine gerade Linie. Hiebey aber bleiben freylich alle Parallelkreise, und ihre Grade, gleich groß, anstatt daß sie gegen den Pol zu in dem Verhältnisse abnehmen sollten, in welchem der Cosinus der geographischen Breite abnimmt, s. Parallelkreise. Um also doch das richtige Verhältniß zwischen ihnen und den Graden der Meridiane beyzubehalten, läßt man die letztern gegen die Pole zu im umgekehrten Verhältnisse, d. i. wie die Secante der Breite, wachsen. Anstatt z. B. daß in der Breite von 60° der Grad des Parallelkreises nur halb so groß seyn sollte, als der unveränderliche Grad des Mittagskreises, wird hier der letztere noch einmal so groß abgebildet, als der unveränderliche erstere. Daher heißen diese Karten Seekarten mit wachsenden Graden oder wach-
Weil doch bey der Schiffahrt Richtung nach einerley Weltgegend, oder Rhumb, als Regel betrachtet, und auch in der Ausuͤbung ſo lang als moͤglich beybehalten wird, ſo iſt der regelmaͤßige Weg der Schiffe in den meiſten Faͤllen loxodromiſch. Auf ſolchen Karten alſo, die nach den gewoͤhnlichen Projectionen der Landkarten entworfen waͤren (ſ. Landkarten), wuͤrden dieſe Wege des Schiffs krummlinicht ausfallen. Der Seefahrer hingegen wuͤnſcht Karten, auf welchen ihm die gerade Linie von einem Orte zum andern zeigt, welche Richtung er nehmen muͤſſe, um an den Ort ſeiner Beſtimmung zu gelangen, d. h. er wuͤnſcht Karten, auf welchen die Loxodromien geradllnicht ausfallen. Man ſieht leicht, daß dieſe Abſicht erreicht wird, wenn man die Meridiane als parallele gerade Linien darſtellt. Alsdann wird die Loxodromie, die ſie alle unter gleichen Winkeln ſchneidet, auch eine gerade Linie. Hiebey aber bleiben freylich alle Parallelkreiſe, und ihre Grade, gleich groß, anſtatt daß ſie gegen den Pol zu in dem Verhaͤltniſſe abnehmen ſollten, in welchem der Coſinus der geographiſchen Breite abnimmt, ſ. Parallelkreiſe. Um alſo doch das richtige Verhaͤltniß zwiſchen ihnen und den Graden der Meridiane beyzubehalten, laͤßt man die letztern gegen die Pole zu im umgekehrten Verhaͤltniſſe, d. i. wie die Secante der Breite, wachſen. Anſtatt z. B. daß in der Breite von 60° der Grad des Parallelkreiſes nur halb ſo groß ſeyn ſollte, als der unveraͤnderliche Grad des Mittagskreiſes, wird hier der letztere noch einmal ſo groß abgebildet, als der unveraͤnderliche erſtere. Daher heißen dieſe Karten Seekarten mit wachſenden Graden oder wach- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0009" xml:id="P.3.3" n="3"/><lb/> macht, deſto groͤßer wird auch der Umfang der Linie, und deſto langſamer die Annaͤherung an den Pol. <hi rendition="#b">Jac. Bernoulli</hi> <hi rendition="#aq">(Opp. No. 42; No. 90. §. 50; No. 91.)</hi> hat die Rechnung des Unendlichen auf die Beſtimmung der Loxodromien angewendet, und dabey die Erdkugel als vollkommen ſphaͤriſch betrachtet. Die Beſchaffenheit der Loxodromie auf den Sphaͤroid haben unter andern <hi rendition="#b">Maclaurin</hi> <hi rendition="#aq">(Treatiſe of Fluxions, §. 896.)</hi> und <hi rendition="#b">Walz</hi> <hi rendition="#aq">(Act. Erud. Lipſ. Maj. 1741.)</hi> unterſucht.</p> <p>Weil doch bey der Schiffahrt Richtung nach einerley Weltgegend, oder Rhumb, als Regel betrachtet, und auch in der Ausuͤbung ſo lang als moͤglich beybehalten wird, ſo iſt der regelmaͤßige Weg der Schiffe in den meiſten Faͤllen loxodromiſch. Auf ſolchen Karten alſo, die nach den gewoͤhnlichen Projectionen der Landkarten entworfen waͤren (ſ. <hi rendition="#b">Landkarten</hi>), wuͤrden dieſe Wege des Schiffs krummlinicht ausfallen. Der Seefahrer hingegen wuͤnſcht Karten, auf welchen ihm die <hi rendition="#b">gerade Linie</hi> von einem Orte zum andern zeigt, welche Richtung er nehmen muͤſſe, um an den Ort ſeiner Beſtimmung zu gelangen, d. h. er wuͤnſcht Karten, auf welchen die Loxodromien geradllnicht ausfallen.</p> <p>Man ſieht leicht, daß dieſe Abſicht erreicht wird, wenn man die Meridiane als parallele gerade Linien darſtellt. Alsdann wird die Loxodromie, die ſie alle unter gleichen Winkeln ſchneidet, auch eine gerade Linie. Hiebey aber bleiben freylich alle Parallelkreiſe, und ihre Grade, gleich groß, anſtatt daß ſie gegen den Pol zu in dem Verhaͤltniſſe abnehmen ſollten, in welchem der Coſinus der geographiſchen Breite abnimmt, ſ. <hi rendition="#b">Parallelkreiſe.</hi> Um alſo doch das richtige Verhaͤltniß zwiſchen ihnen und den Graden der Meridiane beyzubehalten, laͤßt man die letztern gegen die Pole zu im umgekehrten Verhaͤltniſſe, d. i. wie die Secante der Breite, <hi rendition="#b">wachſen.</hi> Anſtatt z. B. daß in der Breite von 60° der Grad des Parallelkreiſes nur halb ſo groß ſeyn ſollte, als der unveraͤnderliche Grad des Mittagskreiſes, wird hier der letztere noch einmal ſo groß abgebildet, als der unveraͤnderliche erſtere. Daher heißen dieſe Karten Seekarten mit <hi rendition="#b">wachſenden Graden</hi> oder <hi rendition="#b">wach-<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0009]
macht, deſto groͤßer wird auch der Umfang der Linie, und deſto langſamer die Annaͤherung an den Pol. Jac. Bernoulli (Opp. No. 42; No. 90. §. 50; No. 91.) hat die Rechnung des Unendlichen auf die Beſtimmung der Loxodromien angewendet, und dabey die Erdkugel als vollkommen ſphaͤriſch betrachtet. Die Beſchaffenheit der Loxodromie auf den Sphaͤroid haben unter andern Maclaurin (Treatiſe of Fluxions, §. 896.) und Walz (Act. Erud. Lipſ. Maj. 1741.) unterſucht.
Weil doch bey der Schiffahrt Richtung nach einerley Weltgegend, oder Rhumb, als Regel betrachtet, und auch in der Ausuͤbung ſo lang als moͤglich beybehalten wird, ſo iſt der regelmaͤßige Weg der Schiffe in den meiſten Faͤllen loxodromiſch. Auf ſolchen Karten alſo, die nach den gewoͤhnlichen Projectionen der Landkarten entworfen waͤren (ſ. Landkarten), wuͤrden dieſe Wege des Schiffs krummlinicht ausfallen. Der Seefahrer hingegen wuͤnſcht Karten, auf welchen ihm die gerade Linie von einem Orte zum andern zeigt, welche Richtung er nehmen muͤſſe, um an den Ort ſeiner Beſtimmung zu gelangen, d. h. er wuͤnſcht Karten, auf welchen die Loxodromien geradllnicht ausfallen.
Man ſieht leicht, daß dieſe Abſicht erreicht wird, wenn man die Meridiane als parallele gerade Linien darſtellt. Alsdann wird die Loxodromie, die ſie alle unter gleichen Winkeln ſchneidet, auch eine gerade Linie. Hiebey aber bleiben freylich alle Parallelkreiſe, und ihre Grade, gleich groß, anſtatt daß ſie gegen den Pol zu in dem Verhaͤltniſſe abnehmen ſollten, in welchem der Coſinus der geographiſchen Breite abnimmt, ſ. Parallelkreiſe. Um alſo doch das richtige Verhaͤltniß zwiſchen ihnen und den Graden der Meridiane beyzubehalten, laͤßt man die letztern gegen die Pole zu im umgekehrten Verhaͤltniſſe, d. i. wie die Secante der Breite, wachſen. Anſtatt z. B. daß in der Breite von 60° der Grad des Parallelkreiſes nur halb ſo groß ſeyn ſollte, als der unveraͤnderliche Grad des Mittagskreiſes, wird hier der letztere noch einmal ſo groß abgebildet, als der unveraͤnderliche erſtere. Daher heißen dieſe Karten Seekarten mit wachſenden Graden oder wach-
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