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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Ein Pendel kan durch hinzukommende Kräfte in so starke Schwungbewegung versetzt werden, daß die Bogen, die es beschreibt, nicht nur völlige Halbkreise werden, sondern auch noch mehr betragen, und das Pendel sogar bis zur lothrechten Stellung über den Aufhängungspunkt gehoben wird. In diesem Falle kan es nicht wieder zurückgehen, sondern muß in der andern Helfte des Kreifes niederfallen, wofern die Stange unbiegsam, oder die Kraft stark genug ist, den Faden hinlänglich zu spannen. Es beschreibt alsdann einen ganzen verticalen Kreis oder mehrere Kreise, wenn die treibende Kraft stark genug oder fortdaurend ist. So kan man einen Stein an einem Faden oder in der Schleuder in verticalen, auch in schiesen Kreisen, oder so bewegen, daß der Faden eine Kegelfläche beschreibt. Solchen Bewegungen giebt man im gemeinen Leben auch den Namen des Schwingens oder Schwungs, obgleich der Körper nicht hin und her geht, sondern ununterbrochen in der Peripherie eines Kreises umläuft. Man findet von diesen Bewegungen etwas bey dem Worte Schwungkraft.

Dies hat auch Veranlassung gegeben, dem Widerstreben bewegter Körper gegen die Krümmung ihres Weges, welches sich bey allen Centralbewegungen äußert, und als eine nach der Richtung der Normallinie wirkende Krast betrachtet wird, den Namen der Schwungkraft beyzulegen, s. Centralkräfte, Schwungkraft. Jch habe an einer andern Stelle (Th. I. S. 488. u. f.) einige Betrachtungen über diese Kraft angestellt, und Gründe angeführt, sie von andern Kräften zu unterscheiden, wobey man ihr den Namen des Schwungs um gewisse Punkte geben könnte.

Schwungbewegung, s. Pendel.

Schwungkraft, Centrifugalkrafe, Fliehkraft

Vis centrifuga, Force centrifuge. Man giebt diesen Namen dem Bestreben, mit welchem sich bey Centralbewegungen der bewegte Körper vom Mittelpunkte des Krümmungskreises, oder überhaupt von den in der Normallinie liegenden Punkten, zu entfernen sucht. Dieses Bestreben rührt von der dem Körper mitgetheilten Bewegung her, die er


Ein Pendel kan durch hinzukommende Kraͤfte in ſo ſtarke Schwungbewegung verſetzt werden, daß die Bogen, die es beſchreibt, nicht nur voͤllige Halbkreiſe werden, ſondern auch noch mehr betragen, und das Pendel ſogar bis zur lothrechten Stellung uͤber den Aufhaͤngungspunkt gehoben wird. In dieſem Falle kan es nicht wieder zuruͤckgehen, ſondern muß in der andern Helfte des Kreifes niederfallen, wofern die Stange unbiegſam, oder die Kraft ſtark genug iſt, den Faden hinlaͤnglich zu ſpannen. Es beſchreibt alsdann einen ganzen verticalen Kreis oder mehrere Kreiſe, wenn die treibende Kraft ſtark genug oder fortdaurend iſt. So kan man einen Stein an einem Faden oder in der Schleuder in verticalen, auch in ſchieſen Kreiſen, oder ſo bewegen, daß der Faden eine Kegelflaͤche beſchreibt. Solchen Bewegungen giebt man im gemeinen Leben auch den Namen des Schwingens oder Schwungs, obgleich der Koͤrper nicht hin und her geht, ſondern ununterbrochen in der Peripherie eines Kreiſes umlaͤuft. Man findet von dieſen Bewegungen etwas bey dem Worte Schwungkraft.

Dies hat auch Veranlaſſung gegeben, dem Widerſtreben bewegter Koͤrper gegen die Kruͤmmung ihres Weges, welches ſich bey allen Centralbewegungen aͤußert, und als eine nach der Richtung der Normallinie wirkende Kraſt betrachtet wird, den Namen der Schwungkraft beyzulegen, ſ. Centralkraͤfte, Schwungkraft. Jch habe an einer andern Stelle (Th. I. S. 488. u. f.) einige Betrachtungen uͤber dieſe Kraft angeſtellt, und Gruͤnde angefuͤhrt, ſie von andern Kraͤften zu unterſcheiden, wobey man ihr den Namen des Schwungs um gewiſſe Punkte geben koͤnnte.

Schwungbewegung, ſ. Pendel.

Schwungkraft, Centrifugalkrafe, Fliehkraft

Vis centrifuga, Force centrifuge. Man giebt dieſen Namen dem Beſtreben, mit welchem ſich bey Centralbewegungen der bewegte Koͤrper vom Mittelpunkte des Kruͤmmungskreiſes, oder uͤberhaupt von den in der Normallinie liegenden Punkten, zu entfernen ſucht. Dieſes Beſtreben ruͤhrt von der dem Koͤrper mitgetheilten Bewegung her, die er

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[946/0952] Ein Pendel kan durch hinzukommende Kraͤfte in ſo ſtarke Schwungbewegung verſetzt werden, daß die Bogen, die es beſchreibt, nicht nur voͤllige Halbkreiſe werden, ſondern auch noch mehr betragen, und das Pendel ſogar bis zur lothrechten Stellung uͤber den Aufhaͤngungspunkt gehoben wird. In dieſem Falle kan es nicht wieder zuruͤckgehen, ſondern muß in der andern Helfte des Kreifes niederfallen, wofern die Stange unbiegſam, oder die Kraft ſtark genug iſt, den Faden hinlaͤnglich zu ſpannen. Es beſchreibt alsdann einen ganzen verticalen Kreis oder mehrere Kreiſe, wenn die treibende Kraft ſtark genug oder fortdaurend iſt. So kan man einen Stein an einem Faden oder in der Schleuder in verticalen, auch in ſchieſen Kreiſen, oder ſo bewegen, daß der Faden eine Kegelflaͤche beſchreibt. Solchen Bewegungen giebt man im gemeinen Leben auch den Namen des Schwingens oder Schwungs, obgleich der Koͤrper nicht hin und her geht, ſondern ununterbrochen in der Peripherie eines Kreiſes umlaͤuft. Man findet von dieſen Bewegungen etwas bey dem Worte Schwungkraft. Dies hat auch Veranlaſſung gegeben, dem Widerſtreben bewegter Koͤrper gegen die Kruͤmmung ihres Weges, welches ſich bey allen Centralbewegungen aͤußert, und als eine nach der Richtung der Normallinie wirkende Kraſt betrachtet wird, den Namen der Schwungkraft beyzulegen, ſ. Centralkraͤfte, Schwungkraft. Jch habe an einer andern Stelle (Th. I. S. 488. u. f.) einige Betrachtungen uͤber dieſe Kraft angeſtellt, und Gruͤnde angefuͤhrt, ſie von andern Kraͤften zu unterſcheiden, wobey man ihr den Namen des Schwungs um gewiſſe Punkte geben koͤnnte. Schwungbewegung, ſ. Pendel. Schwungkraft, Centrifugalkrafe, Fliehkraft Vis centrifuga, Force centrifuge. Man giebt dieſen Namen dem Beſtreben, mit welchem ſich bey Centralbewegungen der bewegte Koͤrper vom Mittelpunkte des Kruͤmmungskreiſes, oder uͤberhaupt von den in der Normallinie liegenden Punkten, zu entfernen ſucht. Dieſes Beſtreben ruͤhrt von der dem Koͤrper mitgetheilten Bewegung her, die er

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 946. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/952>, abgerufen am 23.11.2024.