Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Glatte Flächen hingegen lassen sich betrachten, als bestünden sie aus Ebenen, welche alle einerley Lage hätten, oder von welchen sich doch jede zwo an einander angrenzenden in unendlich wenig verschiedenen Lagen befänden. Die Folge hievon ist, daß jedes Theilchen einer solchen Fläche nur Stralen von einerley Punkte des Gegenstandes, das zunächst daneben liegende Theilchen Stralen von dem zunächst daneben liegenden Punkte u. s. w. ins Auge bringt. Daher kommen die Stralen in eben der Ordnung ins Auge, in welcher sie vom Gegenstande auf die Fläche kommen, und das Auge wird so gerührt, als sähe es den Gegenstand selbst, oder etwas ihm ähnliches. In diesem Falle sieht es ein Bild des Gegenstands, und bemerkt die zurückwerfende Fläche selbst gar nicht. Da es aber keine völlig glatten Flächen giebt, so behalten alle Spiegel, selbst die besten, noch etwas von der Eigenschaft rauher Flächen, d. h. sie zeigen nicht blos Bilder, sondern werden auch selbst sichtbar. Im Gegentheil giebt es rauhe Flächen, in denen doch viele Theile eine gewisse Glätte und übereinstimmende Lage haben, so daß sie, vornehmlich von leuchtenden oder stark erleuchteten Körpern, ein undeutliches Bild oder einen Widerschein, nach Art der Spiegel, zeigen. Spiegelflächen von der Sonne erleuchtet, zeigen nach der Richtung, nach der sie das Licht zurückwerfen, das Sonnenbild selbst mit einem änßerst lebhasten Glanze; aber seitwärts betrachtet, sehen sie weit dunkler aus, als gleich stark erleuchtete rauhe Flächen. Sie würden ganz unsichtbar seyn, wenn sie vollkommne Spiegel wären; und erscheinen daher desto dunkler, je glätter sie sind. Aus eben dem Grunde scheint das Meer bey Windstillen dunkler,
Glatte Flaͤchen hingegen laſſen ſich betrachten, als beſtuͤnden ſie aus Ebenen, welche alle einerley Lage haͤtten, oder von welchen ſich doch jede zwo an einander angrenzenden in unendlich wenig verſchiedenen Lagen befaͤnden. Die Folge hievon iſt, daß jedes Theilchen einer ſolchen Flaͤche nur Stralen von einerley Punkte des Gegenſtandes, das zunaͤchſt daneben liegende Theilchen Stralen von dem zunaͤchſt daneben liegenden Punkte u. ſ. w. ins Auge bringt. Daher kommen die Stralen in eben der Ordnung ins Auge, in welcher ſie vom Gegenſtande auf die Flaͤche kommen, und das Auge wird ſo geruͤhrt, als ſaͤhe es den Gegenſtand ſelbſt, oder etwas ihm aͤhnliches. In dieſem Falle ſieht es ein Bild des Gegenſtands, und bemerkt die zuruͤckwerfende Flaͤche ſelbſt gar nicht. Da es aber keine voͤllig glatten Flaͤchen giebt, ſo behalten alle Spiegel, ſelbſt die beſten, noch etwas von der Eigenſchaft rauher Flaͤchen, d. h. ſie zeigen nicht blos Bilder, ſondern werden auch ſelbſt ſichtbar. Im Gegentheil giebt es rauhe Flaͤchen, in denen doch viele Theile eine gewiſſe Glaͤtte und uͤbereinſtimmende Lage haben, ſo daß ſie, vornehmlich von leuchtenden oder ſtark erleuchteten Koͤrpern, ein undeutliches Bild oder einen Widerſchein, nach Art der Spiegel, zeigen. Spiegelflaͤchen von der Sonne erleuchtet, zeigen nach der Richtung, nach der ſie das Licht zuruͤckwerfen, das Sonnenbild ſelbſt mit einem aͤnßerſt lebhaſten Glanze; aber ſeitwaͤrts betrachtet, ſehen ſie weit dunkler aus, als gleich ſtark erleuchtete rauhe Flaͤchen. Sie wuͤrden ganz unſichtbar ſeyn, wenn ſie vollkommne Spiegel waͤren; und erſcheinen daher deſto dunkler, je glaͤtter ſie ſind. Aus eben dem Grunde ſcheint das Meer bey Windſtillen dunkler, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0131" xml:id="P.4.121" n="121"/><lb/> andern Gegenſtande, oder von einem andern Punkte bringt; und ſo erhaͤlt eben das Auge von einerley Theilchen der rauhen Flaͤche Licht aus <hi rendition="#b">verſchiedenen</hi> Gegenſtaͤnden oder aus <hi rendition="#b">verſchiedenen</hi> Punkten eines Gegenſtandes zugleich. Folglich empfindet das Auge nur Licht oder Schein, wodurch die rauhe Flaͤche ſelbſt ſichtbar wird, aber kein Bild.</p> <p>Glatte Flaͤchen hingegen laſſen ſich betrachten, als beſtuͤnden ſie aus Ebenen, welche alle einerley Lage haͤtten, oder von welchen ſich doch jede zwo an einander angrenzenden in unendlich wenig verſchiedenen Lagen befaͤnden. Die Folge hievon iſt, daß jedes Theilchen einer ſolchen Flaͤche nur Stralen von einerley Punkte des Gegenſtandes, das zunaͤchſt daneben liegende Theilchen Stralen von dem zunaͤchſt daneben liegenden Punkte u. ſ. w. ins Auge bringt. Daher kommen die Stralen in eben der Ordnung ins Auge, in welcher ſie vom Gegenſtande auf die Flaͤche kommen, und das Auge wird ſo geruͤhrt, als ſaͤhe es den Gegenſtand ſelbſt, oder etwas ihm aͤhnliches. In dieſem Falle ſieht es ein Bild des Gegenſtands, und bemerkt die zuruͤckwerfende Flaͤche ſelbſt gar nicht.</p> <p>Da es aber keine voͤllig glatten Flaͤchen giebt, ſo behalten alle Spiegel, ſelbſt die beſten, noch etwas von der Eigenſchaft rauher Flaͤchen, d. h. ſie zeigen nicht blos Bilder, ſondern werden auch ſelbſt ſichtbar. Im Gegentheil giebt es rauhe Flaͤchen, in denen doch viele Theile eine gewiſſe Glaͤtte und uͤbereinſtimmende Lage haben, ſo daß ſie, vornehmlich von leuchtenden oder ſtark erleuchteten Koͤrpern, ein undeutliches Bild oder einen Widerſchein, nach Art der Spiegel, zeigen.</p> <p>Spiegelflaͤchen von der Sonne erleuchtet, zeigen nach der Richtung, nach der ſie das Licht zuruͤckwerfen, das Sonnenbild ſelbſt mit einem aͤnßerſt lebhaſten Glanze; aber ſeitwaͤrts betrachtet, ſehen ſie weit dunkler aus, als gleich ſtark erleuchtete rauhe Flaͤchen. Sie wuͤrden ganz unſichtbar ſeyn, wenn ſie vollkommne Spiegel waͤren; und erſcheinen daher deſto dunkler, je glaͤtter ſie ſind. Aus eben dem Grunde ſcheint das Meer bey Windſtillen dunkler,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0131]
andern Gegenſtande, oder von einem andern Punkte bringt; und ſo erhaͤlt eben das Auge von einerley Theilchen der rauhen Flaͤche Licht aus verſchiedenen Gegenſtaͤnden oder aus verſchiedenen Punkten eines Gegenſtandes zugleich. Folglich empfindet das Auge nur Licht oder Schein, wodurch die rauhe Flaͤche ſelbſt ſichtbar wird, aber kein Bild.
Glatte Flaͤchen hingegen laſſen ſich betrachten, als beſtuͤnden ſie aus Ebenen, welche alle einerley Lage haͤtten, oder von welchen ſich doch jede zwo an einander angrenzenden in unendlich wenig verſchiedenen Lagen befaͤnden. Die Folge hievon iſt, daß jedes Theilchen einer ſolchen Flaͤche nur Stralen von einerley Punkte des Gegenſtandes, das zunaͤchſt daneben liegende Theilchen Stralen von dem zunaͤchſt daneben liegenden Punkte u. ſ. w. ins Auge bringt. Daher kommen die Stralen in eben der Ordnung ins Auge, in welcher ſie vom Gegenſtande auf die Flaͤche kommen, und das Auge wird ſo geruͤhrt, als ſaͤhe es den Gegenſtand ſelbſt, oder etwas ihm aͤhnliches. In dieſem Falle ſieht es ein Bild des Gegenſtands, und bemerkt die zuruͤckwerfende Flaͤche ſelbſt gar nicht.
Da es aber keine voͤllig glatten Flaͤchen giebt, ſo behalten alle Spiegel, ſelbſt die beſten, noch etwas von der Eigenſchaft rauher Flaͤchen, d. h. ſie zeigen nicht blos Bilder, ſondern werden auch ſelbſt ſichtbar. Im Gegentheil giebt es rauhe Flaͤchen, in denen doch viele Theile eine gewiſſe Glaͤtte und uͤbereinſtimmende Lage haben, ſo daß ſie, vornehmlich von leuchtenden oder ſtark erleuchteten Koͤrpern, ein undeutliches Bild oder einen Widerſchein, nach Art der Spiegel, zeigen.
Spiegelflaͤchen von der Sonne erleuchtet, zeigen nach der Richtung, nach der ſie das Licht zuruͤckwerfen, das Sonnenbild ſelbſt mit einem aͤnßerſt lebhaſten Glanze; aber ſeitwaͤrts betrachtet, ſehen ſie weit dunkler aus, als gleich ſtark erleuchtete rauhe Flaͤchen. Sie wuͤrden ganz unſichtbar ſeyn, wenn ſie vollkommne Spiegel waͤren; und erſcheinen daher deſto dunkler, je glaͤtter ſie ſind. Aus eben dem Grunde ſcheint das Meer bey Windſtillen dunkler,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |