Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Aus so falschen Begriffen von Trägheit mußten freylich unrichtige Gesetze des Stoßes folgen, s. Stoß. Die Erfinder der wahren Gesetze des Stoßes, besonders Huygens, verbreiteten richtigere Vorstellungen. Man sahe ein, daß einen Körper von seiner vorigen Bewegung seitwärts abzulenken oder gar zurückzutreiben, eine neue Ursache erfordert werde, daß also zur Bewegung in krummen Linien eine eigne alle Augenblecke ablenkende Kraft gehöre u. s. w. Diesen Grundsatz brachte auch schon D. Hook in seine Vorschläge einer neuen Mechanik der Himmelskörper s. Gravitation (Th. II. S. 520.). Endlich faßte Newton (Princip. L. I. Axiomata s. leges motus, Lex I.) die ganze Sache sehr schön und bestimmt in den kurzen Satz zusammen: "Corpus omne perseverare in "statu suo quiescendi vel movendi uniformiter in directum, "nisi quatenus a viribus impressis cogatur illum statum "mutare." Dieser Satz ist seitdem unter dem Namen des Gesetzes der Trägheit (lex inertiae, loi d' inertie) eines der ersten Grundgesetze der Mechanik geworden. Ihm zusolge wird Kraft erfordert, ruhende Körper zu bewegen, und der bewegten geradlinigte Richtung oder Geschwindigkeit zu ändern; so bald aber diese Kraft zu wirken aufhört, bleibt der Körper in dem letzten Zustande, in den sie ihn versetzt hatte, d. h. er behält die letzte Geschwindigkeit, und setzt mit derselben seine Bewegung nach der letzten Richtung gleichförmig und geradlinigt (uniformiter in directum) fort, bis neue Kräfte dieses ändern. Dies zeigt nun auch die Erfahrung. Wenn z. B. die Kräste, die einen Körper in der krnmmen Linie NM Taf. XXV. Fig. 58. erhielten, in M plötzlich aufhören, so fliegt derselbe mit der Geschwindigkeit, die er in M hat, nach der Richtung des letzten Theilchens der Curve, d. i. nach der Tangente MT, geradlinigt fort.
Aus ſo falſchen Begriffen von Traͤgheit mußten freylich unrichtige Geſetze des Stoßes folgen, ſ. Stoß. Die Erfinder der wahren Geſetze des Stoßes, beſonders Huygens, verbreiteten richtigere Vorſtellungen. Man ſahe ein, daß einen Koͤrper von ſeiner vorigen Bewegung ſeitwaͤrts abzulenken oder gar zuruͤckzutreiben, eine neue Urſache erfordert werde, daß alſo zur Bewegung in krummen Linien eine eigne alle Augenblecke ablenkende Kraft gehoͤre u. ſ. w. Dieſen Grundſatz brachte auch ſchon D. Hook in ſeine Vorſchlaͤge einer neuen Mechanik der Himmelskoͤrper ſ. Gravitation (Th. II. S. 520.). Endlich faßte Newton (Princip. L. I. Axiomata ſ. leges motus, Lex I.) die ganze Sache ſehr ſchoͤn und beſtimmt in den kurzen Satz zuſammen: ”Corpus omne perſeverare in ”ſtatu ſuo quieſcendi vel movendi uniformiter in directum, ”niſi quatenus a viribus impreſſis cogatur illum ſtatum ”mutare.“ Dieſer Satz iſt ſeitdem unter dem Namen des Geſetzes der Traͤgheit (lex inertiae, loi d' inertie) eines der erſten Grundgeſetze der Mechanik geworden. Ihm zuſolge wird Kraft erfordert, ruhende Koͤrper zu bewegen, und der bewegten geradlinigte Richtung oder Geſchwindigkeit zu aͤndern; ſo bald aber dieſe Kraft zu wirken aufhoͤrt, bleibt der Koͤrper in dem letzten Zuſtande, in den ſie ihn verſetzt hatte, d. h. er behaͤlt die letzte Geſchwindigkeit, und ſetzt mit derſelben ſeine Bewegung nach der letzten Richtung gleichfoͤrmig und geradlinigt (uniformiter in directum) fort, bis neue Kraͤfte dieſes aͤndern. Dies zeigt nun auch die Erfahrung. Wenn z. B. die Kraͤſte, die einen Koͤrper in der krnmmen Linie NM Taf. XXV. Fig. 58. erhielten, in M ploͤtzlich aufhoͤren, ſo fliegt derſelbe mit der Geſchwindigkeit, die er in M hat, nach der Richtung des letzten Theilchens der Curve, d. i. nach der Tangente MT, geradlinigt fort. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0402" xml:id="P.4.392" n="392"/><lb/> ſollte eine Kraft haben, ſeine Bewegung, wenn er vorwaͤrts zu gehen gehindert wuͤrde, ruͤckwaͤrts, ſeitwaͤrts, u. ſ. w. fortzuſetzen — eine Kraft, die ihn nur immer in Bewegung zu erhalten ſucht, gleich viel, ob es nach der vorigen Richtung, oder nach einer andern, geſchehe.</p> <p>Aus ſo falſchen Begriffen von Traͤgheit mußten freylich unrichtige Geſetze des Stoßes folgen, <hi rendition="#b">ſ. Stoß.</hi></p> <p>Die Erfinder der wahren Geſetze des Stoßes, beſonders <hi rendition="#b">Huygens,</hi> verbreiteten richtigere Vorſtellungen. Man ſahe ein, daß einen Koͤrper von ſeiner vorigen Bewegung ſeitwaͤrts abzulenken oder gar zuruͤckzutreiben, eine neue Urſache erfordert werde, daß alſo zur Bewegung in krummen Linien eine eigne alle Augenblecke ablenkende Kraft gehoͤre u. ſ. w. Dieſen Grundſatz brachte auch ſchon <hi rendition="#b">D. Hook</hi> in ſeine Vorſchlaͤge einer neuen Mechanik der Himmelskoͤrper <hi rendition="#b">ſ. Gravitation</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 520.). Endlich faßte <hi rendition="#b">Newton</hi> (<hi rendition="#aq">Princip. L. I. Axiomata ſ. leges motus, Lex I.</hi>) die ganze Sache ſehr ſchoͤn und beſtimmt in den kurzen Satz zuſammen: <hi rendition="#aq">”Corpus omne perſeverare in ”ſtatu ſuo <hi rendition="#i">quieſcendi</hi> vel <hi rendition="#i">movendi uniformiter in directum,</hi> ”niſi quatenus a viribus impreſſis cogatur illum ſtatum ”mutare.“</hi></p> <p>Dieſer Satz iſt ſeitdem unter dem Namen des <hi rendition="#b">Geſetzes der Traͤgheit</hi> (<hi rendition="#aq">lex inertiae, <hi rendition="#i">loi d' inertie</hi></hi>) eines der erſten Grundgeſetze der Mechanik geworden. Ihm zuſolge wird Kraft erfordert, ruhende Koͤrper zu bewegen, und der bewegten geradlinigte Richtung oder Geſchwindigkeit zu aͤndern; ſo bald aber dieſe Kraft zu wirken aufhoͤrt, bleibt der Koͤrper in dem letzten Zuſtande, in den ſie ihn verſetzt hatte, d. h. er behaͤlt die letzte Geſchwindigkeit, und ſetzt mit derſelben ſeine Bewegung nach der letzten Richtung gleichfoͤrmig und geradlinigt (<hi rendition="#aq">uniformiter in directum</hi>) fort, bis neue Kraͤfte dieſes aͤndern. Dies zeigt nun auch die Erfahrung. Wenn z. B. die Kraͤſte, die einen Koͤrper in der krnmmen Linie <hi rendition="#aq">NM</hi> Taf. <hi rendition="#aq">XXV.</hi> Fig. 58. erhielten, in <hi rendition="#aq">M</hi> ploͤtzlich aufhoͤren, ſo fliegt derſelbe mit der Geſchwindigkeit, die er in <hi rendition="#aq">M</hi> hat, nach der Richtung des letzten Theilchens der Curve, d. i. nach der Tangente <hi rendition="#aq">MT,</hi> geradlinigt fort.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [392/0402]
ſollte eine Kraft haben, ſeine Bewegung, wenn er vorwaͤrts zu gehen gehindert wuͤrde, ruͤckwaͤrts, ſeitwaͤrts, u. ſ. w. fortzuſetzen — eine Kraft, die ihn nur immer in Bewegung zu erhalten ſucht, gleich viel, ob es nach der vorigen Richtung, oder nach einer andern, geſchehe.
Aus ſo falſchen Begriffen von Traͤgheit mußten freylich unrichtige Geſetze des Stoßes folgen, ſ. Stoß.
Die Erfinder der wahren Geſetze des Stoßes, beſonders Huygens, verbreiteten richtigere Vorſtellungen. Man ſahe ein, daß einen Koͤrper von ſeiner vorigen Bewegung ſeitwaͤrts abzulenken oder gar zuruͤckzutreiben, eine neue Urſache erfordert werde, daß alſo zur Bewegung in krummen Linien eine eigne alle Augenblecke ablenkende Kraft gehoͤre u. ſ. w. Dieſen Grundſatz brachte auch ſchon D. Hook in ſeine Vorſchlaͤge einer neuen Mechanik der Himmelskoͤrper ſ. Gravitation (Th. II. S. 520.). Endlich faßte Newton (Princip. L. I. Axiomata ſ. leges motus, Lex I.) die ganze Sache ſehr ſchoͤn und beſtimmt in den kurzen Satz zuſammen: ”Corpus omne perſeverare in ”ſtatu ſuo quieſcendi vel movendi uniformiter in directum, ”niſi quatenus a viribus impreſſis cogatur illum ſtatum ”mutare.“
Dieſer Satz iſt ſeitdem unter dem Namen des Geſetzes der Traͤgheit (lex inertiae, loi d' inertie) eines der erſten Grundgeſetze der Mechanik geworden. Ihm zuſolge wird Kraft erfordert, ruhende Koͤrper zu bewegen, und der bewegten geradlinigte Richtung oder Geſchwindigkeit zu aͤndern; ſo bald aber dieſe Kraft zu wirken aufhoͤrt, bleibt der Koͤrper in dem letzten Zuſtande, in den ſie ihn verſetzt hatte, d. h. er behaͤlt die letzte Geſchwindigkeit, und ſetzt mit derſelben ſeine Bewegung nach der letzten Richtung gleichfoͤrmig und geradlinigt (uniformiter in directum) fort, bis neue Kraͤfte dieſes aͤndern. Dies zeigt nun auch die Erfahrung. Wenn z. B. die Kraͤſte, die einen Koͤrper in der krnmmen Linie NM Taf. XXV. Fig. 58. erhielten, in M ploͤtzlich aufhoͤren, ſo fliegt derſelbe mit der Geſchwindigkeit, die er in M hat, nach der Richtung des letzten Theilchens der Curve, d. i. nach der Tangente MT, geradlinigt fort.
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