Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Es ist bey dem Worte Cohäsion (Th. I. S. 519.) bemerkt worden, daß die Körper bey unmittelbarer Berührung desto stärker zusammenhängen, je größer ihre sich berührenden Flächen sind, oder je mehr die Anzahl ihrer Berührungspunkte anwächst. Nun stelle man sich eine Schicht von Sand oder erdichten Trümmern vor, durch welche sich Wasser durchseihet. So lang sich die Sandkörner nur an wenigen und kleinen Stellen berühren, ist ihr Zusammenhang kaum merklich. Giebt es aber darunter verschiedene Sorten kleinerer Körner, oder liegt über dieser Sandschicht eine andere seinere, so führt das Wasser nach und nach kleinere Körner zwischen die großen, und noch kleinere zwischen jene: dadurch werden die Berührungspunkte vermehrt, die Cohäsion wird verstärkt, und endlich wird die ganze Masse Stein. Es ist schon dort (Th. I. S. 520.) angeführt, daß wir auf eben die Art unser Mauerwerk bereiten, und daß die sogenannte Breccia (zusammengebacknes Gestein) eine Art von natürlichem Mauerwerk ist. Diese Erklärung ist wenigstens begreiflicher, als die durch einen versteinernden Saft, der im Grunde so etwas ist, wie die einschläfernde Kraft des Opiums beym Moliere, und die Qualitäten der Scholastiker. Herr de Lüc fand in Piemont Sandhügel, die selbst nicht versteinert sind, aber viel versteinertes Holz und Muscheln mit Steinkernen enthalten. Hier scheint die Feuchtigkeit nur einen seinen Staub mit sich zu führen, der sich im Sande, wo der Weg frey ist, nicht absetzt; dahingegen in den Canälen des Holzes und in dem feinern Sande der Muschelschalen ihr Lauf langsamer wird, und die Theilchen Zeit gewinnen, sich abzusondern und die Versteinerung zu vollenden. In lockern Sandhügeln findet man häufig einzelne Sandsteine (gres), die aus dem Sande der Hügel zusammengesetzt sind. Diese Erscheinung erklärt sich aus dem an einzelnen Stellen aufgehaltenen Laufe der Feuchtigkeit. Lagen einige Sandkörner so, daß sie die Feuchtigkeit nicht
Es iſt bey dem Worte Cohaͤſion (Th. I. S. 519.) bemerkt worden, daß die Koͤrper bey unmittelbarer Beruͤhrung deſto ſtaͤrker zuſammenhaͤngen, je groͤßer ihre ſich beruͤhrenden Flaͤchen ſind, oder je mehr die Anzahl ihrer Beruͤhrungspunkte anwaͤchſt. Nun ſtelle man ſich eine Schicht von Sand oder erdichten Truͤmmern vor, durch welche ſich Waſſer durchſeihet. So lang ſich die Sandkoͤrner nur an wenigen und kleinen Stellen beruͤhren, iſt ihr Zuſammenhang kaum merklich. Giebt es aber darunter verſchiedene Sorten kleinerer Koͤrner, oder liegt uͤber dieſer Sandſchicht eine andere ſeinere, ſo fuͤhrt das Waſſer nach und nach kleinere Koͤrner zwiſchen die großen, und noch kleinere zwiſchen jene: dadurch werden die Beruͤhrungspunkte vermehrt, die Cohaͤſion wird verſtaͤrkt, und endlich wird die ganze Maſſe Stein. Es iſt ſchon dort (Th. I. S. 520.) angefuͤhrt, daß wir auf eben die Art unſer Mauerwerk bereiten, und daß die ſogenannte Breccia (zuſammengebacknes Geſtein) eine Art von natuͤrlichem Mauerwerk iſt. Dieſe Erklaͤrung iſt wenigſtens begreiflicher, als die durch einen verſteinernden Saft, der im Grunde ſo etwas iſt, wie die einſchlaͤfernde Kraft des Opiums beym Moliere, und die Qualitaͤten der Scholaſtiker. Herr de Luͤc fand in Piemont Sandhuͤgel, die ſelbſt nicht verſteinert ſind, aber viel verſteinertes Holz und Muſcheln mit Steinkernen enthalten. Hier ſcheint die Feuchtigkeit nur einen ſeinen Staub mit ſich zu fuͤhren, der ſich im Sande, wo der Weg frey iſt, nicht abſetzt; dahingegen in den Canaͤlen des Holzes und in dem feinern Sande der Muſchelſchalen ihr Lauf langſamer wird, und die Theilchen Zeit gewinnen, ſich abzuſondern und die Verſteinerung zu vollenden. In lockern Sandhuͤgeln findet man haͤufig einzelne Sandſteine (grés), die aus dem Sande der Huͤgel zuſammengeſetzt ſind. Dieſe Erſcheinung erklaͤrt ſich aus dem an einzelnen Stellen aufgehaltenen Laufe der Feuchtigkeit. Lagen einige Sandkoͤrner ſo, daß ſie die Feuchtigkeit nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0477" xml:id="P.4.467" n="467"/><lb/> Zutritt der Feuchtigkeit, in zuſammenhaͤngende feſte Steinmaſſen verwandelt werden.</p> <p>Es iſt bey dem Worte <hi rendition="#b">Cohaͤſion</hi> (Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 519.) bemerkt worden, daß die Koͤrper bey unmittelbarer Beruͤhrung deſto ſtaͤrker zuſammenhaͤngen, je groͤßer ihre ſich beruͤhrenden Flaͤchen ſind, oder je mehr die Anzahl ihrer Beruͤhrungspunkte anwaͤchſt. Nun ſtelle man ſich eine Schicht von Sand oder erdichten Truͤmmern vor, durch welche ſich Waſſer durchſeihet. So lang ſich die Sandkoͤrner nur an wenigen und kleinen Stellen beruͤhren, iſt ihr Zuſammenhang kaum merklich. Giebt es aber darunter verſchiedene Sorten kleinerer Koͤrner, oder liegt uͤber dieſer Sandſchicht eine andere ſeinere, ſo fuͤhrt das Waſſer nach und nach kleinere Koͤrner zwiſchen die großen, und noch kleinere zwiſchen jene: dadurch werden die Beruͤhrungspunkte vermehrt, die Cohaͤſion wird verſtaͤrkt, und endlich wird die ganze Maſſe <hi rendition="#b">Stein.</hi> Es iſt ſchon dort (Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 520.) angefuͤhrt, daß wir auf eben die Art unſer Mauerwerk bereiten, und daß die ſogenannte <hi rendition="#b">Breccia</hi> (zuſammengebacknes Geſtein) eine Art von natuͤrlichem Mauerwerk iſt. Dieſe Erklaͤrung iſt wenigſtens begreiflicher, als die durch einen <hi rendition="#b">verſteinernden Saft,</hi> der im Grunde ſo etwas iſt, wie die einſchlaͤfernde Kraft des Opiums beym Moliere, und die Qualitaͤten der Scholaſtiker.</p> <p>Herr <hi rendition="#b">de Luͤc</hi> fand in Piemont Sandhuͤgel, die ſelbſt nicht verſteinert ſind, aber viel verſteinertes Holz und Muſcheln mit Steinkernen enthalten. Hier ſcheint die Feuchtigkeit nur einen ſeinen Staub mit ſich zu fuͤhren, der ſich im Sande, wo der Weg frey iſt, nicht abſetzt; dahingegen in den Canaͤlen des Holzes und in dem feinern Sande der Muſchelſchalen ihr Lauf langſamer wird, und die Theilchen Zeit gewinnen, ſich abzuſondern und die Verſteinerung zu vollenden.</p> <p>In lockern Sandhuͤgeln findet man haͤufig <hi rendition="#b">einzelne Sandſteine</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">grés</hi></hi>), die aus dem Sande der Huͤgel zuſammengeſetzt ſind. Dieſe Erſcheinung erklaͤrt ſich aus dem an einzelnen Stellen aufgehaltenen Laufe der Feuchtigkeit. Lagen einige Sandkoͤrner ſo, daß ſie die Feuchtigkeit nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [467/0477]
Zutritt der Feuchtigkeit, in zuſammenhaͤngende feſte Steinmaſſen verwandelt werden.
Es iſt bey dem Worte Cohaͤſion (Th. I. S. 519.) bemerkt worden, daß die Koͤrper bey unmittelbarer Beruͤhrung deſto ſtaͤrker zuſammenhaͤngen, je groͤßer ihre ſich beruͤhrenden Flaͤchen ſind, oder je mehr die Anzahl ihrer Beruͤhrungspunkte anwaͤchſt. Nun ſtelle man ſich eine Schicht von Sand oder erdichten Truͤmmern vor, durch welche ſich Waſſer durchſeihet. So lang ſich die Sandkoͤrner nur an wenigen und kleinen Stellen beruͤhren, iſt ihr Zuſammenhang kaum merklich. Giebt es aber darunter verſchiedene Sorten kleinerer Koͤrner, oder liegt uͤber dieſer Sandſchicht eine andere ſeinere, ſo fuͤhrt das Waſſer nach und nach kleinere Koͤrner zwiſchen die großen, und noch kleinere zwiſchen jene: dadurch werden die Beruͤhrungspunkte vermehrt, die Cohaͤſion wird verſtaͤrkt, und endlich wird die ganze Maſſe Stein. Es iſt ſchon dort (Th. I. S. 520.) angefuͤhrt, daß wir auf eben die Art unſer Mauerwerk bereiten, und daß die ſogenannte Breccia (zuſammengebacknes Geſtein) eine Art von natuͤrlichem Mauerwerk iſt. Dieſe Erklaͤrung iſt wenigſtens begreiflicher, als die durch einen verſteinernden Saft, der im Grunde ſo etwas iſt, wie die einſchlaͤfernde Kraft des Opiums beym Moliere, und die Qualitaͤten der Scholaſtiker.
Herr de Luͤc fand in Piemont Sandhuͤgel, die ſelbſt nicht verſteinert ſind, aber viel verſteinertes Holz und Muſcheln mit Steinkernen enthalten. Hier ſcheint die Feuchtigkeit nur einen ſeinen Staub mit ſich zu fuͤhren, der ſich im Sande, wo der Weg frey iſt, nicht abſetzt; dahingegen in den Canaͤlen des Holzes und in dem feinern Sande der Muſchelſchalen ihr Lauf langſamer wird, und die Theilchen Zeit gewinnen, ſich abzuſondern und die Verſteinerung zu vollenden.
In lockern Sandhuͤgeln findet man haͤufig einzelne Sandſteine (grés), die aus dem Sande der Huͤgel zuſammengeſetzt ſind. Dieſe Erſcheinung erklaͤrt ſich aus dem an einzelnen Stellen aufgehaltenen Laufe der Feuchtigkeit. Lagen einige Sandkoͤrner ſo, daß ſie die Feuchtigkeit nicht
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