Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Dem Experimentator steht allerdings ein unendlich weiteres Feld offen, als dem bloßen Beobachter, der nur die freywilligen Wirkungen der Natur bemerkt. Wenn der Letztere blos ruhig erwartet, was ihm die Natur von selbst und ungefragt entdecken werde, so zwingt sie dagegen der Erstere, ihm Fragen zu beantworten, die er ihr selbst nach Willkühr vorlegt; wenn der Beobachter nur Wirkungen solcher Verbindungen kennen lernt, die die Natur ihrem Plane gemäß selbst hervorbringt, so steht es dem Experimentator frey, ganze unermeßliche Reihen von möglichen Combinationen zu prüfen, welche die Natur ohne sein Zuthun nie, oder wenigstens nicht jetzt und unter seinen Augen, würde hervorgebracht haben. Die Versuche unterwerfen gleichsam die Natur der Herrschaft des Menschen, nöthigen sie, seine Fragen zu beantworten, und schreiben ihr sogar Zeit, Ort und Umstände dieser Beantwortung vor. Sie gehen über den gewöhnlichen Lauf der Dinge hinaus, und schaffen neue Ordnungen von Verhältnissen und Wirkungen. Die Naturlehre im gegenwärtigen Zustande hat ihre auffallenden Vorzüge vor der Physik der Alten großentheils den Versuchen zu danken, welche der ehemaligen Physik gänzlich fehlten. Jetzt ist man von ihrer Nothwendigkeit desto lebhafter überzeugt, und selbst der Unterricht in der Physik wird mit Anstellung derjenigen Versuche begleitet, welche den vorgetragnen Sätzen zum Beweise dienen, s. Experimentalphysik. Zur Anstellung der Versuche sind dem Physiker mancherley Werkzeuge nöthig, welche mit den zur Beobachtung gehörigen Werkzeugen zusammengenommen die Experimentalgeräthschaft, oder den physikalischen Apparat (supellex physica, Appareil de physique experimentale) ausmachen. Es ist bey Ausarbeitung dieses Wörterbuchs eine meiner Absichten gewesen, die vornehmsten dieser Werkzeuge unter eignen Artikeln zu beschreiben. Auf mehrere solche Artikel wird an der Stelle, welche dem Worte
Dem Experimentator ſteht allerdings ein unendlich weiteres Feld offen, als dem bloßen Beobachter, der nur die freywilligen Wirkungen der Natur bemerkt. Wenn der Letztere blos ruhig erwartet, was ihm die Natur von ſelbſt und ungefragt entdecken werde, ſo zwingt ſie dagegen der Erſtere, ihm Fragen zu beantworten, die er ihr ſelbſt nach Willkuͤhr vorlegt; wenn der Beobachter nur Wirkungen ſolcher Verbindungen kennen lernt, die die Natur ihrem Plane gemaͤß ſelbſt hervorbringt, ſo ſteht es dem Experimentator frey, ganze unermeßliche Reihen von moͤglichen Combinationen zu pruͤfen, welche die Natur ohne ſein Zuthun nie, oder wenigſtens nicht jetzt und unter ſeinen Augen, wuͤrde hervorgebracht haben. Die Verſuche unterwerfen gleichſam die Natur der Herrſchaft des Menſchen, noͤthigen ſie, ſeine Fragen zu beantworten, und ſchreiben ihr ſogar Zeit, Ort und Umſtaͤnde dieſer Beantwortung vor. Sie gehen uͤber den gewoͤhnlichen Lauf der Dinge hinaus, und ſchaffen neue Ordnungen von Verhaͤltniſſen und Wirkungen. Die Naturlehre im gegenwaͤrtigen Zuſtande hat ihre auffallenden Vorzuͤge vor der Phyſik der Alten großentheils den Verſuchen zu danken, welche der ehemaligen Phyſik gaͤnzlich fehlten. Jetzt iſt man von ihrer Nothwendigkeit deſto lebhafter uͤberzeugt, und ſelbſt der Unterricht in der Phyſik wird mit Anſtellung derjenigen Verſuche begleitet, welche den vorgetragnen Saͤtzen zum Beweiſe dienen, ſ. Experimentalphyſik. Zur Anſtellung der Verſuche ſind dem Phyſiker mancherley Werkzeuge noͤthig, welche mit den zur Beobachtung gehoͤrigen Werkzeugen zuſammengenommen die Experimentalgeraͤthſchaft, oder den phyſikaliſchen Apparat (ſupellex phyſica, Appareil de phyſique expérimentale) ausmachen. Es iſt bey Ausarbeitung dieſes Woͤrterbuchs eine meiner Abſichten geweſen, die vornehmſten dieſer Werkzeuge unter eignen Artikeln zu beſchreiben. Auf mehrere ſolche Artikel wird an der Stelle, welche dem Worte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0480" xml:id="P.4.470" n="470"/><lb/> laſſen. Hier ſind alſo nur noch wenige Zuſaͤtze noͤthig, welche die letztern insbeſondere betreffen.</p> <p>Dem Experimentator ſteht allerdings ein unendlich weiteres Feld offen, als dem bloßen Beobachter, der nur die freywilligen Wirkungen der Natur bemerkt. Wenn der Letztere blos ruhig erwartet, was ihm die Natur von ſelbſt und ungefragt entdecken werde, ſo zwingt ſie dagegen der Erſtere, ihm Fragen zu beantworten, die er ihr ſelbſt nach Willkuͤhr vorlegt; wenn der Beobachter nur Wirkungen ſolcher Verbindungen kennen lernt, die die Natur ihrem Plane gemaͤß ſelbſt hervorbringt, ſo ſteht es dem Experimentator frey, ganze unermeßliche Reihen von moͤglichen Combinationen zu pruͤfen, welche die Natur ohne ſein Zuthun nie, oder wenigſtens nicht jetzt und unter ſeinen Augen, wuͤrde hervorgebracht haben. Die Verſuche unterwerfen gleichſam die Natur der Herrſchaft des Menſchen, noͤthigen ſie, ſeine Fragen zu beantworten, und ſchreiben ihr ſogar Zeit, Ort und Umſtaͤnde dieſer Beantwortung vor. Sie gehen uͤber den gewoͤhnlichen Lauf der Dinge hinaus, und ſchaffen neue Ordnungen von Verhaͤltniſſen und Wirkungen.</p> <p>Die Naturlehre im gegenwaͤrtigen Zuſtande hat ihre auffallenden Vorzuͤge vor der Phyſik der Alten großentheils den Verſuchen zu danken, welche der ehemaligen Phyſik gaͤnzlich fehlten. Jetzt iſt man von ihrer Nothwendigkeit deſto lebhafter uͤberzeugt, und ſelbſt der Unterricht in der Phyſik wird mit Anſtellung derjenigen Verſuche begleitet, welche den vorgetragnen Saͤtzen zum Beweiſe dienen, <hi rendition="#b">ſ. Experimentalphyſik.</hi></p> <p>Zur Anſtellung der Verſuche ſind dem Phyſiker mancherley <hi rendition="#b">Werkzeuge</hi> noͤthig, welche mit den zur Beobachtung gehoͤrigen Werkzeugen zuſammengenommen die <hi rendition="#b">Experimentalgeraͤthſchaft,</hi> oder den <hi rendition="#b">phyſikaliſchen Apparat</hi> (<hi rendition="#aq">ſupellex phyſica, <hi rendition="#i">Appareil de phyſique expérimentale</hi></hi>) ausmachen. Es iſt bey Ausarbeitung dieſes Woͤrterbuchs eine meiner Abſichten geweſen, die vornehmſten dieſer Werkzeuge unter eignen Artikeln zu beſchreiben. Auf mehrere ſolche Artikel wird an der Stelle, welche dem Worte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [470/0480]
laſſen. Hier ſind alſo nur noch wenige Zuſaͤtze noͤthig, welche die letztern insbeſondere betreffen.
Dem Experimentator ſteht allerdings ein unendlich weiteres Feld offen, als dem bloßen Beobachter, der nur die freywilligen Wirkungen der Natur bemerkt. Wenn der Letztere blos ruhig erwartet, was ihm die Natur von ſelbſt und ungefragt entdecken werde, ſo zwingt ſie dagegen der Erſtere, ihm Fragen zu beantworten, die er ihr ſelbſt nach Willkuͤhr vorlegt; wenn der Beobachter nur Wirkungen ſolcher Verbindungen kennen lernt, die die Natur ihrem Plane gemaͤß ſelbſt hervorbringt, ſo ſteht es dem Experimentator frey, ganze unermeßliche Reihen von moͤglichen Combinationen zu pruͤfen, welche die Natur ohne ſein Zuthun nie, oder wenigſtens nicht jetzt und unter ſeinen Augen, wuͤrde hervorgebracht haben. Die Verſuche unterwerfen gleichſam die Natur der Herrſchaft des Menſchen, noͤthigen ſie, ſeine Fragen zu beantworten, und ſchreiben ihr ſogar Zeit, Ort und Umſtaͤnde dieſer Beantwortung vor. Sie gehen uͤber den gewoͤhnlichen Lauf der Dinge hinaus, und ſchaffen neue Ordnungen von Verhaͤltniſſen und Wirkungen.
Die Naturlehre im gegenwaͤrtigen Zuſtande hat ihre auffallenden Vorzuͤge vor der Phyſik der Alten großentheils den Verſuchen zu danken, welche der ehemaligen Phyſik gaͤnzlich fehlten. Jetzt iſt man von ihrer Nothwendigkeit deſto lebhafter uͤberzeugt, und ſelbſt der Unterricht in der Phyſik wird mit Anſtellung derjenigen Verſuche begleitet, welche den vorgetragnen Saͤtzen zum Beweiſe dienen, ſ. Experimentalphyſik.
Zur Anſtellung der Verſuche ſind dem Phyſiker mancherley Werkzeuge noͤthig, welche mit den zur Beobachtung gehoͤrigen Werkzeugen zuſammengenommen die Experimentalgeraͤthſchaft, oder den phyſikaliſchen Apparat (ſupellex phyſica, Appareil de phyſique expérimentale) ausmachen. Es iſt bey Ausarbeitung dieſes Woͤrterbuchs eine meiner Abſichten geweſen, die vornehmſten dieſer Werkzeuge unter eignen Artikeln zu beſchreiben. Auf mehrere ſolche Artikel wird an der Stelle, welche dem Worte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |