Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Wir sind also bey den Verwandtschaften oder Anziehungen der Körper bey der Berührung, noch sehr weit von derjenigen Vollkommenheit entfernt, welche Newton dem freylich weit einfachern Gesetze der Gravitation, oder Anziehung entfernter Massen, durch die demselben beygefügte mathematische Bestimmung, gegeben hat, s. Attraction (Th. I. S. 171 u. f.). Newton selbst scheint geneigt, die Anziehung beym Berühren von der Gravitation ganz zu unterscheiden. Auf die Vermuthung eines solchen wesentlichen Unterschieds leitet auch schon der Umstand, daß sich die Gravitation blos nach der Menge der Masse, die Verwandtschaft hingegen nach der innern Beschaffenheit der Grundstoffe richtet, wiewohl dieser Umstand auch seinen Grund blos in der Form, Dichtigkeit rc. der kleinsten Theile haben könnte. Auf diesen letztern Gedanken hat unter andern Herr le Sage sein Lehrgebäude einer mechanischen Chymie gegründet, welches Herr de Lüc nie anders, als mit den größten Lobsprüchen, anführt, weil es den ganzen Mechanismus aller Naturgesetze erkläre, und die Ursachen der Gravitation, Schwere, Cohäsion, Verwandtschaften u. s. w. richtig angebe. So glaubt auch Wenzel (Lehre von der Verw. S. 7.), daß die Verwandtschaft von der allgemeinen Anziehungskraft nicht unterschieden sey, und ihre besondern Modificationen nur durch die Gestalt und Dichte der einzelnen Theile der Körper erhalte, welche der Anziehung durch die verschiedne Menge und Lage der Berührungspunkte eine verschiedene Stärke und Richtung gebe. Andere suchen die Ursache der besoudern Verwandtschaften in der Gleichartigkeit oder Aehnlichkeit der Bestandtheile. Diesen widerspricht aber die Beobachtung, daß, wenn sich zwo Substanzen bis zum Sättigungspunkte verbunden haben, das hieraus entstehende Gemisch sich, aller Gleichartigkeit ungeachtet, nicht leicht mit einem seiner Bestandtheile übersetzen läßt, und daß es bey der Behauptung dieses Satzes überhaupt sehr schwer wird, die Entstehung von
Wir ſind alſo bey den Verwandtſchaften oder Anziehungen der Koͤrper bey der Beruͤhrung, noch ſehr weit von derjenigen Vollkommenheit entfernt, welche Newton dem freylich weit einfachern Geſetze der Gravitation, oder Anziehung entfernter Maſſen, durch die demſelben beygefuͤgte mathematiſche Beſtimmung, gegeben hat, ſ. Attraction (Th. I. S. 171 u. f.). Newton ſelbſt ſcheint geneigt, die Anziehung beym Beruͤhren von der Gravitation ganz zu unterſcheiden. Auf die Vermuthung eines ſolchen weſentlichen Unterſchieds leitet auch ſchon der Umſtand, daß ſich die Gravitation blos nach der Menge der Maſſe, die Verwandtſchaft hingegen nach der innern Beſchaffenheit der Grundſtoffe richtet, wiewohl dieſer Umſtand auch ſeinen Grund blos in der Form, Dichtigkeit rc. der kleinſten Theile haben koͤnnte. Auf dieſen letztern Gedanken hat unter andern Herr le Sage ſein Lehrgebaͤude einer mechaniſchen Chymie gegruͤndet, welches Herr de Luͤc nie anders, als mit den groͤßten Lobſpruͤchen, anfuͤhrt, weil es den ganzen Mechanismus aller Naturgeſetze erklaͤre, und die Urſachen der Gravitation, Schwere, Cohaͤſion, Verwandtſchaften u. ſ. w. richtig angebe. So glaubt auch Wenzel (Lehre von der Verw. S. 7.), daß die Verwandtſchaft von der allgemeinen Anziehungskraft nicht unterſchieden ſey, und ihre beſondern Modificationen nur durch die Geſtalt und Dichte der einzelnen Theile der Koͤrper erhalte, welche der Anziehung durch die verſchiedne Menge und Lage der Beruͤhrungspunkte eine verſchiedene Staͤrke und Richtung gebe. Andere ſuchen die Urſache der beſoudern Verwandtſchaften in der Gleichartigkeit oder Aehnlichkeit der Beſtandtheile. Dieſen widerſpricht aber die Beobachtung, daß, wenn ſich zwo Subſtanzen bis zum Saͤttigungspunkte verbunden haben, das hieraus entſtehende Gemiſch ſich, aller Gleichartigkeit ungeachtet, nicht leicht mit einem ſeiner Beſtandtheile uͤberſetzen laͤßt, und daß es bey der Behauptung dieſes Satzes uͤberhaupt ſehr ſchwer wird, die Entſtehung von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0491" xml:id="P.4.481" n="481"/><lb/> der Verwandtſchaften ein, und lehren noch nichts uͤber den Grad und das Verhaͤltniß ihrer Staͤrke.</p> <p>Wir ſind alſo bey den Verwandtſchaften oder Anziehungen der Koͤrper bey der Beruͤhrung, noch ſehr weit von derjenigen Vollkommenheit entfernt, welche <hi rendition="#b">Newton</hi> dem freylich weit einfachern Geſetze der Gravitation, oder Anziehung entfernter Maſſen, durch die demſelben beygefuͤgte mathematiſche Beſtimmung, gegeben hat, <hi rendition="#b">ſ. Attraction</hi> (Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 171 u. f.).</p> <p><hi rendition="#b">Newton</hi> ſelbſt ſcheint geneigt, die Anziehung beym Beruͤhren von der Gravitation ganz zu unterſcheiden. Auf die Vermuthung eines ſolchen weſentlichen Unterſchieds leitet auch ſchon der Umſtand, daß ſich die Gravitation blos nach der Menge der Maſſe, die Verwandtſchaft hingegen nach der innern Beſchaffenheit der Grundſtoffe richtet, wiewohl dieſer Umſtand auch ſeinen Grund blos in der Form, Dichtigkeit rc. der kleinſten Theile haben koͤnnte. Auf dieſen letztern Gedanken hat unter andern Herr le <hi rendition="#b">Sage</hi> ſein Lehrgebaͤude einer mechaniſchen Chymie gegruͤndet, welches Herr <hi rendition="#b">de Luͤc</hi> nie anders, als mit den groͤßten Lobſpruͤchen, anfuͤhrt, weil es den ganzen Mechanismus aller Naturgeſetze erklaͤre, und die Urſachen der Gravitation, Schwere, Cohaͤſion, Verwandtſchaften u. ſ. w. richtig angebe. So glaubt auch <hi rendition="#b">Wenzel</hi> (Lehre von der Verw. S. 7.), daß die Verwandtſchaft von der allgemeinen Anziehungskraft nicht unterſchieden ſey, und ihre beſondern Modificationen nur durch die Geſtalt und Dichte der einzelnen Theile der Koͤrper erhalte, welche der Anziehung durch die verſchiedne Menge und Lage der Beruͤhrungspunkte eine verſchiedene Staͤrke und Richtung gebe.</p> <p>Andere ſuchen die Urſache der beſoudern Verwandtſchaften in der Gleichartigkeit oder Aehnlichkeit der Beſtandtheile. Dieſen widerſpricht aber die Beobachtung, daß, wenn ſich zwo Subſtanzen bis zum Saͤttigungspunkte verbunden haben, das hieraus entſtehende Gemiſch ſich, aller Gleichartigkeit ungeachtet, nicht leicht mit einem ſeiner Beſtandtheile uͤberſetzen laͤßt, und daß es bey der Behauptung dieſes Satzes uͤberhaupt ſehr ſchwer wird, die Entſtehung von<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [481/0491]
der Verwandtſchaften ein, und lehren noch nichts uͤber den Grad und das Verhaͤltniß ihrer Staͤrke.
Wir ſind alſo bey den Verwandtſchaften oder Anziehungen der Koͤrper bey der Beruͤhrung, noch ſehr weit von derjenigen Vollkommenheit entfernt, welche Newton dem freylich weit einfachern Geſetze der Gravitation, oder Anziehung entfernter Maſſen, durch die demſelben beygefuͤgte mathematiſche Beſtimmung, gegeben hat, ſ. Attraction (Th. I. S. 171 u. f.).
Newton ſelbſt ſcheint geneigt, die Anziehung beym Beruͤhren von der Gravitation ganz zu unterſcheiden. Auf die Vermuthung eines ſolchen weſentlichen Unterſchieds leitet auch ſchon der Umſtand, daß ſich die Gravitation blos nach der Menge der Maſſe, die Verwandtſchaft hingegen nach der innern Beſchaffenheit der Grundſtoffe richtet, wiewohl dieſer Umſtand auch ſeinen Grund blos in der Form, Dichtigkeit rc. der kleinſten Theile haben koͤnnte. Auf dieſen letztern Gedanken hat unter andern Herr le Sage ſein Lehrgebaͤude einer mechaniſchen Chymie gegruͤndet, welches Herr de Luͤc nie anders, als mit den groͤßten Lobſpruͤchen, anfuͤhrt, weil es den ganzen Mechanismus aller Naturgeſetze erklaͤre, und die Urſachen der Gravitation, Schwere, Cohaͤſion, Verwandtſchaften u. ſ. w. richtig angebe. So glaubt auch Wenzel (Lehre von der Verw. S. 7.), daß die Verwandtſchaft von der allgemeinen Anziehungskraft nicht unterſchieden ſey, und ihre beſondern Modificationen nur durch die Geſtalt und Dichte der einzelnen Theile der Koͤrper erhalte, welche der Anziehung durch die verſchiedne Menge und Lage der Beruͤhrungspunkte eine verſchiedene Staͤrke und Richtung gebe.
Andere ſuchen die Urſache der beſoudern Verwandtſchaften in der Gleichartigkeit oder Aehnlichkeit der Beſtandtheile. Dieſen widerſpricht aber die Beobachtung, daß, wenn ſich zwo Subſtanzen bis zum Saͤttigungspunkte verbunden haben, das hieraus entſtehende Gemiſch ſich, aller Gleichartigkeit ungeachtet, nicht leicht mit einem ſeiner Beſtandtheile uͤberſetzen laͤßt, und daß es bey der Behauptung dieſes Satzes uͤberhaupt ſehr ſchwer wird, die Entſtehung von
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