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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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so mancherley Gemischen aus lauter gleichartigen Theilen zu erklären.

Ich bin weit entfernt, es zu tadeln, daß man einer weitern physischen Ursache der Verwandtschaften nachforscht. Ich habe selbst dafür gewarnt, das Wort Verwandschaft für mehr, als Benennung, zu halten, und etwa eine Ursache, geschweige dann eine letzte, oder eine wesentliche Eigenschaft der Materie darin zu suchen. Dies würde hier noch unschicklicher seyn, als bey der Gravitation, weil bey den Verwandtschaftsgesetzen noch weit mehr besondere Bestimmungen, als bey dem Gesetze der Gravitation, vorkommen. Also muß es weitere Ursachen geben, denen nachzuforschen, an sich eine sehr löbliche Bemühung ist.

Aber was man auch etwa Wahrscheinliches über diese Ursachen vorbringen mag, das wird doch immer äußerst ungewiß und schwankend bleiben, so lange unsere Erfahrungen nicht bis auf die ursprüngliche Gestalt der Urstoffe und kleinsten homogenen Bestandtheile der Körper eindringen können. Man kan mir sehr sinnreich erklären, wie ein Phänomen daraus erfolge, weil gewisse Theile der Materie länglich sind, oder sich um eine Axe drehen. Aber um zu wissen, ob man mich Wahrheit lehre, fordere ich, mir zu beweisen, oder zu zeigen, daß sie länglich sind, und daß sie sich drehen. So lange man mir diesen Beweis schuldig bleibt, bürgt ja auch Niemand dafür, daß es nicht in der wirklichen Welt ganz anders aussehe, als in dem Ideale ihres Erklärers. Diesemnach scheint es weit rathsamer, auf dem Wege der Erfahrung zu bleiben, und vor allem andern an vollkommnern und, wo möglich, mathematischen Bestimmungen der Gesetze zu arbeiten.

Macquer chymisches Wörterbuch, durch Leonhardi. Art. Verwandtschaft.

Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre. 4te Auflage, durch Lichtenberg § 201. I. u. f.

Gren systematisches Handbuch der ges. Chemie, Th. I. §. 40 u. f.

Vesicularsystem, Systema vesiculare, Systeme vesiculaire.

So nennt man dasjenige System, welches das


ſo mancherley Gemiſchen aus lauter gleichartigen Theilen zu erklaͤren.

Ich bin weit entfernt, es zu tadeln, daß man einer weitern phyſiſchen Urſache der Verwandtſchaften nachforſcht. Ich habe ſelbſt dafuͤr gewarnt, das Wort Verwandſchaft fuͤr mehr, als Benennung, zu halten, und etwa eine Urſache, geſchweige dann eine letzte, oder eine weſentliche Eigenſchaft der Materie darin zu ſuchen. Dies wuͤrde hier noch unſchicklicher ſeyn, als bey der Gravitation, weil bey den Verwandtſchaftsgeſetzen noch weit mehr beſondere Beſtimmungen, als bey dem Geſetze der Gravitation, vorkommen. Alſo muß es weitere Urſachen geben, denen nachzuforſchen, an ſich eine ſehr loͤbliche Bemuͤhung iſt.

Aber was man auch etwa Wahrſcheinliches uͤber dieſe Urſachen vorbringen mag, das wird doch immer aͤußerſt ungewiß und ſchwankend bleiben, ſo lange unſere Erfahrungen nicht bis auf die urſpruͤngliche Geſtalt der Urſtoffe und kleinſten homogenen Beſtandtheile der Koͤrper eindringen koͤnnen. Man kan mir ſehr ſinnreich erklaͤren, wie ein Phaͤnomen daraus erfolge, weil gewiſſe Theile der Materie laͤnglich ſind, oder ſich um eine Axe drehen. Aber um zu wiſſen, ob man mich Wahrheit lehre, fordere ich, mir zu beweiſen, oder zu zeigen, daß ſie laͤnglich ſind, und daß ſie ſich drehen. So lange man mir dieſen Beweis ſchuldig bleibt, buͤrgt ja auch Niemand dafuͤr, daß es nicht in der wirklichen Welt ganz anders ausſehe, als in dem Ideale ihres Erklaͤrers. Dieſemnach ſcheint es weit rathſamer, auf dem Wege der Erfahrung zu bleiben, und vor allem andern an vollkommnern und, wo moͤglich, mathematiſchen Beſtimmungen der Geſetze zu arbeiten.

Macquer chymiſches Woͤrterbuch, durch Leonhardi. Art. Verwandtſchaft.

Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre. 4te Auflage, durch Lichtenberg § 201. I. u. f.

Gren ſyſtematiſches Handbuch der geſ. Chemie, Th. I. §. 40 u. f.

Veſicularſyſtem, Syſtema veſiculare, Syſtème veſiculaire.

So nennt man dasjenige Syſtem, welches das

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[482/0492] ſo mancherley Gemiſchen aus lauter gleichartigen Theilen zu erklaͤren. Ich bin weit entfernt, es zu tadeln, daß man einer weitern phyſiſchen Urſache der Verwandtſchaften nachforſcht. Ich habe ſelbſt dafuͤr gewarnt, das Wort Verwandſchaft fuͤr mehr, als Benennung, zu halten, und etwa eine Urſache, geſchweige dann eine letzte, oder eine weſentliche Eigenſchaft der Materie darin zu ſuchen. Dies wuͤrde hier noch unſchicklicher ſeyn, als bey der Gravitation, weil bey den Verwandtſchaftsgeſetzen noch weit mehr beſondere Beſtimmungen, als bey dem Geſetze der Gravitation, vorkommen. Alſo muß es weitere Urſachen geben, denen nachzuforſchen, an ſich eine ſehr loͤbliche Bemuͤhung iſt. Aber was man auch etwa Wahrſcheinliches uͤber dieſe Urſachen vorbringen mag, das wird doch immer aͤußerſt ungewiß und ſchwankend bleiben, ſo lange unſere Erfahrungen nicht bis auf die urſpruͤngliche Geſtalt der Urſtoffe und kleinſten homogenen Beſtandtheile der Koͤrper eindringen koͤnnen. Man kan mir ſehr ſinnreich erklaͤren, wie ein Phaͤnomen daraus erfolge, weil gewiſſe Theile der Materie laͤnglich ſind, oder ſich um eine Axe drehen. Aber um zu wiſſen, ob man mich Wahrheit lehre, fordere ich, mir zu beweiſen, oder zu zeigen, daß ſie laͤnglich ſind, und daß ſie ſich drehen. So lange man mir dieſen Beweis ſchuldig bleibt, buͤrgt ja auch Niemand dafuͤr, daß es nicht in der wirklichen Welt ganz anders ausſehe, als in dem Ideale ihres Erklaͤrers. Dieſemnach ſcheint es weit rathſamer, auf dem Wege der Erfahrung zu bleiben, und vor allem andern an vollkommnern und, wo moͤglich, mathematiſchen Beſtimmungen der Geſetze zu arbeiten. Macquer chymiſches Woͤrterbuch, durch Leonhardi. Art. Verwandtſchaft. Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre. 4te Auflage, durch Lichtenberg § 201. I. u. f. Gren ſyſtematiſches Handbuch der geſ. Chemie, Th. I. §. 40 u. f. Veſicularſyſtem, Syſtema veſiculare, Syſtème veſiculaire. So nennt man dasjenige Syſtem, welches das

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/492>, abgerufen am 27.07.2024.