Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Wenn man flüßige Materien, z. B. Wasser, in Gefäßen nach und nach erwärmt, so zeigen sich schon lange vor dem eigentlichen Sieden eine Menge Luftblasen, die sich an die innern Wände der Gefäße anlegen, zum Theil auch in die Höhe steigen und an der Oberfläche zerplatzen. Bey stärkerer Erhitzung werden diese Luftblasen immer häufiger, und brechen endlich beym Sieden selbst in der größten Menge aus, so daß das Kochen der beste Weg ist, Wasser, Quecksilber und mehrere Flüßigkeiten von der Luft, die sich in ihren Zwischenräumen aufhält (aer porositatis), zu reinigen. Dies ist aus der starken Ausdehnung der Luft durch die Hitze, welche ihre specifische Schwere vermindert, sehr leicht zu erklären. Einige, zumal ältere, Physiker haben das ganze Phänomen des Siedens blos dem Aufsteigen dieser Luftblasen zuschreiben wollen; aber eine genauere Untersuchung lehrt gar bald, daß die beym Sieden aufwallenden Blasen größtentheils nicht aus Luft, sondern aus einem elastischen Dampfe bestehen, welcher durch eine Verbindung des Feuers mit der flüßigen Materie selbst erzeugt wird, und sich in der Kälte wieder in das vorige tropfbare Fluidum verwandelt, s. Dämpfe, Windkugel. Das Sieden entsteht also durch eine wahre Verdampfung, wobey das Aufsteigen der Luftblasen nur ein begleitender Nebenumstand ist (s. Nollet Recherches sur les causes du bouillonnement des liquides, in den Mem. de Paris 1748. p. 57. sqq.) Musschenbroek (Introd. ad philos. nat. §. 1455.) beschreibt, was beym Sieden des Wassers vorgeht, auf folgende Art. "Wenn das Wasser warm zu werden anfängt, steigen anfänglich blos Luftblasen auf. Rückt man das Gefäß näher ans Feuer, so steigt das letztere durch mehrere Zwischenräume des Bodens in Gestalt von dünnen Fäden auf, welche des Wassers Durchsichtigkeit in etwas
Wenn man fluͤßige Materien, z. B. Waſſer, in Gefaͤßen nach und nach erwaͤrmt, ſo zeigen ſich ſchon lange vor dem eigentlichen Sieden eine Menge Luftblaſen, die ſich an die innern Waͤnde der Gefaͤße anlegen, zum Theil auch in die Hoͤhe ſteigen und an der Oberflaͤche zerplatzen. Bey ſtaͤrkerer Erhitzung werden dieſe Luftblaſen immer haͤufiger, und brechen endlich beym Sieden ſelbſt in der groͤßten Menge aus, ſo daß das Kochen der beſte Weg iſt, Waſſer, Queckſilber und mehrere Fluͤßigkeiten von der Luft, die ſich in ihren Zwiſchenraͤumen aufhaͤlt (aer poroſitatis), zu reinigen. Dies iſt aus der ſtarken Ausdehnung der Luft durch die Hitze, welche ihre ſpecifiſche Schwere vermindert, ſehr leicht zu erklaͤren. Einige, zumal aͤltere, Phyſiker haben das ganze Phaͤnomen des Siedens blos dem Aufſteigen dieſer Luftblaſen zuſchreiben wollen; aber eine genauere Unterſuchung lehrt gar bald, daß die beym Sieden aufwallenden Blaſen groͤßtentheils nicht aus Luft, ſondern aus einem elaſtiſchen Dampfe beſtehen, welcher durch eine Verbindung des Feuers mit der fluͤßigen Materie ſelbſt erzeugt wird, und ſich in der Kaͤlte wieder in das vorige tropfbare Fluidum verwandelt, ſ. Daͤmpfe, Windkugel. Das Sieden entſteht alſo durch eine wahre Verdampfung, wobey das Aufſteigen der Luftblaſen nur ein begleitender Nebenumſtand iſt (ſ. Nollet Recherches ſur les cauſes du bouillonnement des liquides, in den Mém. de Paris 1748. p. 57. ſqq.) Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. §. 1455.) beſchreibt, was beym Sieden des Waſſers vorgeht, auf folgende Art. ”Wenn das Waſſer warm zu werden anfaͤngt, ſteigen anfaͤnglich blos Luftblaſen auf. Ruͤckt man das Gefaͤß naͤher ans Feuer, ſo ſteigt das letztere durch mehrere Zwiſchenraͤume des Bodens in Geſtalt von duͤnnen Faͤden auf, welche des Waſſers Durchſichtigkeit in etwas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0054" xml:id="P.4.44" n="44"/><lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Ebullition, Bouillonnement</hi></hi>). Iſt der Koͤrper einmal in dieſe Bewegung verſetzt, ſo laͤßt ſich alsdann ſeine fuͤhlbare Hitze nicht weiter verſtaͤrken. Selbſt das heftigſte Feuer kan ihn nicht heiſſer machen, ſondern unterhaͤlt nur ſein Sieden ſo lange, bis alle fluͤchtige Theile in Daͤmpfe verwandelt ſind.</p> <p>Wenn man fluͤßige Materien, z. B. Waſſer, in Gefaͤßen nach und nach erwaͤrmt, ſo zeigen ſich ſchon lange vor dem eigentlichen Sieden eine Menge <hi rendition="#b">Luftblaſen,</hi> die ſich an die innern Waͤnde der Gefaͤße anlegen, zum Theil auch in die Hoͤhe ſteigen und an der Oberflaͤche zerplatzen. Bey ſtaͤrkerer Erhitzung werden dieſe Luftblaſen immer haͤufiger, und brechen endlich beym Sieden ſelbſt in der groͤßten Menge aus, ſo daß das Kochen der beſte Weg iſt, Waſſer, Queckſilber und mehrere Fluͤßigkeiten von der Luft, die ſich in ihren Zwiſchenraͤumen aufhaͤlt (<hi rendition="#aq">aer poroſitatis</hi>), zu reinigen. Dies iſt aus der ſtarken Ausdehnung der Luft durch die Hitze, welche ihre ſpecifiſche Schwere vermindert, ſehr leicht zu erklaͤren. Einige, zumal aͤltere, Phyſiker haben das ganze Phaͤnomen des Siedens blos dem Aufſteigen dieſer Luftblaſen zuſchreiben wollen; aber eine genauere Unterſuchung lehrt gar bald, daß die beym Sieden aufwallenden Blaſen groͤßtentheils nicht aus Luft, ſondern aus einem elaſtiſchen Dampfe beſtehen, welcher durch eine Verbindung des Feuers mit der fluͤßigen Materie ſelbſt erzeugt wird, und ſich in der Kaͤlte wieder in das vorige tropfbare Fluidum verwandelt, <hi rendition="#b">ſ. Daͤmpfe, Windkugel.</hi> Das Sieden entſteht alſo durch eine wahre Verdampfung, wobey das Aufſteigen der Luftblaſen nur ein begleitender Nebenumſtand iſt (ſ. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nollet</hi> Recherches ſur les cauſes du bouillonnement des liquides,</hi> in den <hi rendition="#aq">Mém. de Paris 1748. p. 57. ſqq.</hi>)</p> <p><hi rendition="#b">Muſſchenbroek</hi> (<hi rendition="#aq">Introd. ad philoſ. nat. §. 1455.</hi>) beſchreibt, was beym Sieden des Waſſers vorgeht, auf folgende Art. ”Wenn das Waſſer warm zu werden anfaͤngt, ſteigen anfaͤnglich blos Luftblaſen auf. Ruͤckt man das Gefaͤß naͤher ans Feuer, ſo ſteigt das letztere durch mehrere Zwiſchenraͤume des Bodens in Geſtalt von duͤnnen Faͤden auf, welche des Waſſers Durchſichtigkeit in etwas<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0054]
Ebullition, Bouillonnement). Iſt der Koͤrper einmal in dieſe Bewegung verſetzt, ſo laͤßt ſich alsdann ſeine fuͤhlbare Hitze nicht weiter verſtaͤrken. Selbſt das heftigſte Feuer kan ihn nicht heiſſer machen, ſondern unterhaͤlt nur ſein Sieden ſo lange, bis alle fluͤchtige Theile in Daͤmpfe verwandelt ſind.
Wenn man fluͤßige Materien, z. B. Waſſer, in Gefaͤßen nach und nach erwaͤrmt, ſo zeigen ſich ſchon lange vor dem eigentlichen Sieden eine Menge Luftblaſen, die ſich an die innern Waͤnde der Gefaͤße anlegen, zum Theil auch in die Hoͤhe ſteigen und an der Oberflaͤche zerplatzen. Bey ſtaͤrkerer Erhitzung werden dieſe Luftblaſen immer haͤufiger, und brechen endlich beym Sieden ſelbſt in der groͤßten Menge aus, ſo daß das Kochen der beſte Weg iſt, Waſſer, Queckſilber und mehrere Fluͤßigkeiten von der Luft, die ſich in ihren Zwiſchenraͤumen aufhaͤlt (aer poroſitatis), zu reinigen. Dies iſt aus der ſtarken Ausdehnung der Luft durch die Hitze, welche ihre ſpecifiſche Schwere vermindert, ſehr leicht zu erklaͤren. Einige, zumal aͤltere, Phyſiker haben das ganze Phaͤnomen des Siedens blos dem Aufſteigen dieſer Luftblaſen zuſchreiben wollen; aber eine genauere Unterſuchung lehrt gar bald, daß die beym Sieden aufwallenden Blaſen groͤßtentheils nicht aus Luft, ſondern aus einem elaſtiſchen Dampfe beſtehen, welcher durch eine Verbindung des Feuers mit der fluͤßigen Materie ſelbſt erzeugt wird, und ſich in der Kaͤlte wieder in das vorige tropfbare Fluidum verwandelt, ſ. Daͤmpfe, Windkugel. Das Sieden entſteht alſo durch eine wahre Verdampfung, wobey das Aufſteigen der Luftblaſen nur ein begleitender Nebenumſtand iſt (ſ. Nollet Recherches ſur les cauſes du bouillonnement des liquides, in den Mém. de Paris 1748. p. 57. ſqq.)
Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. §. 1455.) beſchreibt, was beym Sieden des Waſſers vorgeht, auf folgende Art. ”Wenn das Waſſer warm zu werden anfaͤngt, ſteigen anfaͤnglich blos Luftblaſen auf. Ruͤckt man das Gefaͤß naͤher ans Feuer, ſo ſteigt das letztere durch mehrere Zwiſchenraͤume des Bodens in Geſtalt von duͤnnen Faͤden auf, welche des Waſſers Durchſichtigkeit in etwas
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |