Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


so war es natürlich, ihnen noch die Erde selbst zuzugesellen, und diese in einer eignen Bahn zwischen den Bahnen der Venus und des Mars ebenfalls um die Sonne zu führen. Copernikus bemerkte mit Bewunderung die große Simplicität dieser Anordnung, und ob er gleich sahe, daß sich die Phänomene auch durch den Umlauf der Sonne erklären ließen, wenn diese als Mittelpunkt die Bahnen der andern Planeten mit sich herumführte, so schien ihm doch dies die schöne Harmonie des Ganzen zu stören, in welchem nun alle kleinern Körper ohne Ausnahme um den größten liefen und nur der einzige Mond ein Begleiter der Erde blieb. Durch diese Betrachtungen fand er sich schon um das Jahr 1507 überzeugt. Eine lange Reihe von Beobachtungen aber, wodurch er sein System in allen besondern Umständen prüfte und bestimmte, gab dieser Ueberzeugung eine unerschütterliche Festigkeit.

So vollendete er sein Werk (De orbium caelestium revolutionibus libri VI.) um 1530, wiewohl er die Bekanntmachung desselben noch eine lange Zeit verschob. Der Ruf davon hatte sich sehr verbreitet. Der Cardinal von Schomberg. Bischof von Padua, ersuchte ihn 1536 schriftlich um die Mittheilung seiner Sätze: Georg Joachim, insgemein Rhäticus genannt, gab die Professur der Mathematik zu Wittenberg auf, begab sich nach Frauenburg, und erbot sich, zu Vollendung der Sache behülflich zu seyn. Durch diesen sendete Copernikus endlich das Werk nach Deutschland, wo es zu Nürnberg 1543. fol. mit einer Zueignungsschrift an den Papst Paul III. gedruckt ward. Er stellt in selbiger die Sache blos als Hypothese vor, die die Phänomene erkläre und den Weltbau in eine faßlichere Ordnung bringe; aber das Werk selbst lehrt deutlich, daß er diese Weltordnung mit Ueberzeugung für die einzige wahre und mögliche erkannt habe. Er konnte von den Eindrücken, welche seine Behauptungen machten, nicht Zeuge seyn: denn ein Blutsturz endigte sein Leben plötzlich am 24. May 1543, noch ehe sein Werk die Presse völlig verlassen hatte (s. Ge. Joach. Rhetici narratio de libris revol. caelest. Copernici. Gedani, 1546. 4.).


ſo war es natuͤrlich, ihnen noch die Erde ſelbſt zuzugeſellen, und dieſe in einer eignen Bahn zwiſchen den Bahnen der Venus und des Mars ebenfalls um die Sonne zu fuͤhren. Copernikus bemerkte mit Bewunderung die große Simplicitaͤt dieſer Anordnung, und ob er gleich ſahe, daß ſich die Phaͤnomene auch durch den Umlauf der Sonne erklaͤren ließen, wenn dieſe als Mittelpunkt die Bahnen der andern Planeten mit ſich herumfuͤhrte, ſo ſchien ihm doch dies die ſchoͤne Harmonie des Ganzen zu ſtoͤren, in welchem nun alle kleinern Koͤrper ohne Ausnahme um den groͤßten liefen und nur der einzige Mond ein Begleiter der Erde blieb. Durch dieſe Betrachtungen fand er ſich ſchon um das Jahr 1507 uͤberzeugt. Eine lange Reihe von Beobachtungen aber, wodurch er ſein Syſtem in allen beſondern Umſtaͤnden pruͤfte und beſtimmte, gab dieſer Ueberzeugung eine unerſchuͤtterliche Feſtigkeit.

So vollendete er ſein Werk (De orbium caeleſtium revolutionibus libri VI.) um 1530, wiewohl er die Bekanntmachung deſſelben noch eine lange Zeit verſchob. Der Ruf davon hatte ſich ſehr verbreitet. Der Cardinal von Schomberg. Biſchof von Padua, erſuchte ihn 1536 ſchriftlich um die Mittheilung ſeiner Saͤtze: Georg Joachim, insgemein Rhaͤticus genannt, gab die Profeſſur der Mathematik zu Wittenberg auf, begab ſich nach Frauenburg, und erbot ſich, zu Vollendung der Sache behuͤlflich zu ſeyn. Durch dieſen ſendete Copernikus endlich das Werk nach Deutſchland, wo es zu Nuͤrnberg 1543. fol. mit einer Zueignungsſchrift an den Papſt Paul III. gedruckt ward. Er ſtellt in ſelbiger die Sache blos als Hypotheſe vor, die die Phaͤnomene erklaͤre und den Weltbau in eine faßlichere Ordnung bringe; aber das Werk ſelbſt lehrt deutlich, daß er dieſe Weltordnung mit Ueberzeugung fuͤr die einzige wahre und moͤgliche erkannt habe. Er konnte von den Eindruͤcken, welche ſeine Behauptungen machten, nicht Zeuge ſeyn: denn ein Blutſturz endigte ſein Leben ploͤtzlich am 24. May 1543, noch ehe ſein Werk die Preſſe voͤllig verlaſſen hatte (ſ. Ge. Joach. Rhetici narratio de libris revol. caeleſt. Copernici. Gedani, 1546. 4.).

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0721" xml:id="P.4.711" n="711"/><lb/>
&#x017F;o war es natu&#x0364;rlich, ihnen noch die Erde &#x017F;elb&#x017F;t zuzuge&#x017F;ellen, und die&#x017F;e in einer eignen Bahn zwi&#x017F;chen den Bahnen der Venus und des Mars ebenfalls um die Sonne zu fu&#x0364;hren. Copernikus bemerkte mit Bewunderung die große Simplicita&#x0364;t die&#x017F;er Anordnung, und ob er gleich &#x017F;ahe, daß &#x017F;ich die Pha&#x0364;nomene auch durch den Umlauf der Sonne erkla&#x0364;ren ließen, wenn die&#x017F;e als Mittelpunkt die Bahnen der andern Planeten mit &#x017F;ich herumfu&#x0364;hrte, &#x017F;o &#x017F;chien ihm doch dies die &#x017F;cho&#x0364;ne Harmonie des Ganzen zu &#x017F;to&#x0364;ren, in welchem nun alle kleinern Ko&#x0364;rper ohne Ausnahme um den gro&#x0364;ßten liefen und nur der einzige Mond ein Begleiter der Erde blieb. Durch die&#x017F;e Betrachtungen fand er &#x017F;ich &#x017F;chon um das Jahr 1507 u&#x0364;berzeugt. Eine lange Reihe von Beobachtungen aber, wodurch er &#x017F;ein Sy&#x017F;tem in allen be&#x017F;ondern Um&#x017F;ta&#x0364;nden pru&#x0364;fte und be&#x017F;timmte, gab die&#x017F;er Ueberzeugung eine uner&#x017F;chu&#x0364;tterliche Fe&#x017F;tigkeit.</p>
            <p>So vollendete er &#x017F;ein Werk (<hi rendition="#aq">De orbium caele&#x017F;tium revolutionibus libri VI.</hi>) um 1530, wiewohl er die Bekanntmachung de&#x017F;&#x017F;elben noch eine lange Zeit ver&#x017F;chob. Der Ruf davon hatte &#x017F;ich &#x017F;ehr verbreitet. Der Cardinal <hi rendition="#b">von Schomberg.</hi> Bi&#x017F;chof von Padua, er&#x017F;uchte ihn 1536 &#x017F;chriftlich um die Mittheilung &#x017F;einer Sa&#x0364;tze: <hi rendition="#b">Georg Joachim,</hi> insgemein <hi rendition="#b">Rha&#x0364;ticus</hi> genannt, gab die Profe&#x017F;&#x017F;ur der Mathematik zu Wittenberg auf, begab &#x017F;ich nach Frauenburg, und erbot &#x017F;ich, zu Vollendung der Sache behu&#x0364;lflich zu &#x017F;eyn. Durch die&#x017F;en &#x017F;endete Copernikus endlich das Werk nach Deut&#x017F;chland, wo es zu Nu&#x0364;rnberg 1543. fol. mit einer Zueignungs&#x017F;chrift an den Pap&#x017F;t Paul <hi rendition="#aq">III.</hi> gedruckt ward. Er &#x017F;tellt in &#x017F;elbiger die Sache blos als Hypothe&#x017F;e vor, die die Pha&#x0364;nomene erkla&#x0364;re und den Weltbau in eine faßlichere Ordnung bringe; aber das Werk &#x017F;elb&#x017F;t lehrt deutlich, daß er die&#x017F;e Weltordnung mit Ueberzeugung fu&#x0364;r die einzige wahre und mo&#x0364;gliche erkannt habe. Er konnte von den Eindru&#x0364;cken, welche &#x017F;eine Behauptungen machten, nicht Zeuge &#x017F;eyn: denn ein Blut&#x017F;turz endigte &#x017F;ein Leben plo&#x0364;tzlich am 24. May 1543, noch ehe &#x017F;ein Werk die Pre&#x017F;&#x017F;e vo&#x0364;llig verla&#x017F;&#x017F;en hatte (&#x017F;. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ge. Joach. Rhetici</hi> narratio de libris revol. caele&#x017F;t. Copernici. Gedani, 1546. 4.</hi>).<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[711/0721] ſo war es natuͤrlich, ihnen noch die Erde ſelbſt zuzugeſellen, und dieſe in einer eignen Bahn zwiſchen den Bahnen der Venus und des Mars ebenfalls um die Sonne zu fuͤhren. Copernikus bemerkte mit Bewunderung die große Simplicitaͤt dieſer Anordnung, und ob er gleich ſahe, daß ſich die Phaͤnomene auch durch den Umlauf der Sonne erklaͤren ließen, wenn dieſe als Mittelpunkt die Bahnen der andern Planeten mit ſich herumfuͤhrte, ſo ſchien ihm doch dies die ſchoͤne Harmonie des Ganzen zu ſtoͤren, in welchem nun alle kleinern Koͤrper ohne Ausnahme um den groͤßten liefen und nur der einzige Mond ein Begleiter der Erde blieb. Durch dieſe Betrachtungen fand er ſich ſchon um das Jahr 1507 uͤberzeugt. Eine lange Reihe von Beobachtungen aber, wodurch er ſein Syſtem in allen beſondern Umſtaͤnden pruͤfte und beſtimmte, gab dieſer Ueberzeugung eine unerſchuͤtterliche Feſtigkeit. So vollendete er ſein Werk (De orbium caeleſtium revolutionibus libri VI.) um 1530, wiewohl er die Bekanntmachung deſſelben noch eine lange Zeit verſchob. Der Ruf davon hatte ſich ſehr verbreitet. Der Cardinal von Schomberg. Biſchof von Padua, erſuchte ihn 1536 ſchriftlich um die Mittheilung ſeiner Saͤtze: Georg Joachim, insgemein Rhaͤticus genannt, gab die Profeſſur der Mathematik zu Wittenberg auf, begab ſich nach Frauenburg, und erbot ſich, zu Vollendung der Sache behuͤlflich zu ſeyn. Durch dieſen ſendete Copernikus endlich das Werk nach Deutſchland, wo es zu Nuͤrnberg 1543. fol. mit einer Zueignungsſchrift an den Papſt Paul III. gedruckt ward. Er ſtellt in ſelbiger die Sache blos als Hypotheſe vor, die die Phaͤnomene erklaͤre und den Weltbau in eine faßlichere Ordnung bringe; aber das Werk ſelbſt lehrt deutlich, daß er dieſe Weltordnung mit Ueberzeugung fuͤr die einzige wahre und moͤgliche erkannt habe. Er konnte von den Eindruͤcken, welche ſeine Behauptungen machten, nicht Zeuge ſeyn: denn ein Blutſturz endigte ſein Leben ploͤtzlich am 24. May 1543, noch ehe ſein Werk die Preſſe voͤllig verlaſſen hatte (ſ. Ge. Joach. Rhetici narratio de libris revol. caeleſt. Copernici. Gedani, 1546. 4.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/721
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/721>, abgerufen am 22.11.2024.