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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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so groß (l=1 bis 3/2) annehmen müsse. Bey dieser Ungewißheit setzt man im Allgemeinen R=2lnbh.

Aus dieser Formel fließen nun folgende Lehrsätze, welche in die meisten Lehrbücher der Physik aufgenommen sind.

Bey gleicher Fläche und gleicher Dichtigkeit des Mittels verhält sich die Stärke des Widerstands, wie die Höhe, die der Geschwindigkeit zugehört, oder wie das Quadrat der Geschwindigkeit Man nennt dies das Gesetz des Widerstandes, und es scheint für Bewegungen, die nicht allzuschnell oder allzulangsam sind, durch alle Erfahrungen bestätigt zu werden. In der Naturlehre führt man immer den Grund davon an, daß bey doppelter Geschwindigkeit nicht allein doppelt so viel Theile fortgestoßen werden, sondern auch jeder derselben eine doppelte Geschwindigkeit erhalte, daher ein vierfacher Verlust an Größe der Bewegung entstehe u. s. w. Eine so allgemeine Betrachtung reicht aber nicht hin, den Satz zu beweisen. Er muß vielmehr auf Erfahrungen gegründet werden, und diese scheinen doch bey sehr schnellen und langsamen Bewegungen andere Gesetze des Widerstandes anzugeben.

Bey gleicher Fläche und Geschwindigkeit verhält sich die Stärke des Widerstandes, wie die Dichtigkeit des Mittels. Dieser Satz, auf den Newton sehr viel rechnete, ist ungleich zweifelhafter, als der vorhergehende. Die Versuche des Ritters von Borda widersprechen ihm fast gänzlich, und es scheint, als ob der Formel für jede Materie ein besonderer Coefficient müsse beygefügt werden, den man nicht anders, als durch Versuche bestimmen kann. Daher sind auch alle Vorschläge, Dichtigkeiten der Luft durch ihren Widerstand gegen das Pendel zu messen, ohne Erfolg geblieben.

Bey gleicher Geschwindigkeit in eben demselben Mittel verhält sich die Stärke des Widerstandes, wie die Oberfläche, wobey vorausgesetzt wird, daß diese Fläche eben sey, und auf der Richtung des Weges senkrecht stehe. Auch diesem Gesetze scheinen die Versuche von Borda zu widersprechen; aber Herr Kramp urtheilt, es sey zu natürlich, um unwahr zu seyn.


ſo groß (λ=1 bis 3/2) annehmen muͤſſe. Bey dieſer Ungewißheit ſetzt man im Allgemeinen R=2λnbh.

Aus dieſer Formel fließen nun folgende Lehrſaͤtze, welche in die meiſten Lehrbuͤcher der Phyſik aufgenommen ſind.

Bey gleicher Flaͤche und gleicher Dichtigkeit des Mittels verhaͤlt ſich die Staͤrke des Widerſtands, wie die Hoͤhe, die der Geſchwindigkeit zugehoͤrt, oder wie das Quadrat der Geſchwindigkeit Man nennt dies das Geſetz des Widerſtandes, und es ſcheint fuͤr Bewegungen, die nicht allzuſchnell oder allzulangſam ſind, durch alle Erfahrungen beſtaͤtigt zu werden. In der Naturlehre fuͤhrt man immer den Grund davon an, daß bey doppelter Geſchwindigkeit nicht allein doppelt ſo viel Theile fortgeſtoßen werden, ſondern auch jeder derſelben eine doppelte Geſchwindigkeit erhalte, daher ein vierfacher Verluſt an Groͤße der Bewegung entſtehe u. ſ. w. Eine ſo allgemeine Betrachtung reicht aber nicht hin, den Satz zu beweiſen. Er muß vielmehr auf Erfahrungen gegruͤndet werden, und dieſe ſcheinen doch bey ſehr ſchnellen und langſamen Bewegungen andere Geſetze des Widerſtandes anzugeben.

Bey gleicher Flaͤche und Geſchwindigkeit verhaͤlt ſich die Staͤrke des Widerſtandes, wie die Dichtigkeit des Mittels. Dieſer Satz, auf den Newton ſehr viel rechnete, iſt ungleich zweifelhafter, als der vorhergehende. Die Verſuche des Ritters von Borda widerſprechen ihm faſt gaͤnzlich, und es ſcheint, als ob der Formel fuͤr jede Materie ein beſonderer Coefficient muͤſſe beygefuͤgt werden, den man nicht anders, als durch Verſuche beſtimmen kann. Daher ſind auch alle Vorſchlaͤge, Dichtigkeiten der Luft durch ihren Widerſtand gegen das Pendel zu meſſen, ohne Erfolg geblieben.

Bey gleicher Geſchwindigkeit in eben demſelben Mittel verhaͤlt ſich die Staͤrke des Widerſtandes, wie die Oberflaͤche, wobey vorausgeſetzt wird, daß dieſe Flaͤche eben ſey, und auf der Richtung des Weges ſenkrecht ſtehe. Auch dieſem Geſetze ſcheinen die Verſuche von Borda zu widerſprechen; aber Herr Kramp urtheilt, es ſey zu natuͤrlich, um unwahr zu ſeyn.

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[750/0760] ſo groß (λ=1 bis 3/2) annehmen muͤſſe. Bey dieſer Ungewißheit ſetzt man im Allgemeinen R=2λnbh. Aus dieſer Formel fließen nun folgende Lehrſaͤtze, welche in die meiſten Lehrbuͤcher der Phyſik aufgenommen ſind. Bey gleicher Flaͤche und gleicher Dichtigkeit des Mittels verhaͤlt ſich die Staͤrke des Widerſtands, wie die Hoͤhe, die der Geſchwindigkeit zugehoͤrt, oder wie das Quadrat der Geſchwindigkeit Man nennt dies das Geſetz des Widerſtandes, und es ſcheint fuͤr Bewegungen, die nicht allzuſchnell oder allzulangſam ſind, durch alle Erfahrungen beſtaͤtigt zu werden. In der Naturlehre fuͤhrt man immer den Grund davon an, daß bey doppelter Geſchwindigkeit nicht allein doppelt ſo viel Theile fortgeſtoßen werden, ſondern auch jeder derſelben eine doppelte Geſchwindigkeit erhalte, daher ein vierfacher Verluſt an Groͤße der Bewegung entſtehe u. ſ. w. Eine ſo allgemeine Betrachtung reicht aber nicht hin, den Satz zu beweiſen. Er muß vielmehr auf Erfahrungen gegruͤndet werden, und dieſe ſcheinen doch bey ſehr ſchnellen und langſamen Bewegungen andere Geſetze des Widerſtandes anzugeben. Bey gleicher Flaͤche und Geſchwindigkeit verhaͤlt ſich die Staͤrke des Widerſtandes, wie die Dichtigkeit des Mittels. Dieſer Satz, auf den Newton ſehr viel rechnete, iſt ungleich zweifelhafter, als der vorhergehende. Die Verſuche des Ritters von Borda widerſprechen ihm faſt gaͤnzlich, und es ſcheint, als ob der Formel fuͤr jede Materie ein beſonderer Coefficient muͤſſe beygefuͤgt werden, den man nicht anders, als durch Verſuche beſtimmen kann. Daher ſind auch alle Vorſchlaͤge, Dichtigkeiten der Luft durch ihren Widerſtand gegen das Pendel zu meſſen, ohne Erfolg geblieben. Bey gleicher Geſchwindigkeit in eben demſelben Mittel verhaͤlt ſich die Staͤrke des Widerſtandes, wie die Oberflaͤche, wobey vorausgeſetzt wird, daß dieſe Flaͤche eben ſey, und auf der Richtung des Weges ſenkrecht ſtehe. Auch dieſem Geſetze ſcheinen die Verſuche von Borda zu widerſprechen; aber Herr Kramp urtheilt, es ſey zu natuͤrlich, um unwahr zu ſeyn.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 750. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/760>, abgerufen am 22.11.2024.