Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
In den Bahnen der Geschützkugeln verursacht dieser Widerstand Abweichungen, deren Größe für ein Fluidum, welches auf 6000mal leichter, als das darin bewegte Metall ist, ganz ungeheuer und unerwartet ausfällt. Man hat sich bisher vergebens bemüht, die Theorie dieser Wirkungen gänzlich aufs Reine zu bringen; es scheint dabey noch an physikalischen Kenntnissen zu fehlen, um die Gründe berichtigen zu können, auf welche die Mathematiker bisher, vielleicht zu frühzeitig, gebaut haben. Die Erfindung der Aerostaten eröfnete neue Aussichten für diese Lehre. Die aerostatischen Kugeln steigen ohne alle Mitwirkung einer bewegenden Kraft blos durch ihre specifische Leichtigkeit auf, und werden von einer der Schwere entgegengesetzten beschleunigenden Kraft getrieben, deren Verhältniß zur Schwere durch genaue Abwägungen bestimmt werden kan. Dabey findet eine sehr mäßige Geschwindigkeit statt, welche mehr Uebereinstimmung zwischen Theorie und Erfahrungen erwarten läßt. Diese Vortheile bewogen die Mathematiker, die Gesetze der Bewegung für diesen Fall besonders zu untersuchen; eine Arbeit, womit sich selbst der große Euler noch wenig Tage vor seinem Tode beschäftiget hat. Auflösungen dieser Aufgabe haben die Herren Meusnier (in Faujas de St. Fond Description des exp. de la machine aerostatique. Paris, 1783. 8. p. 49. sqq. der deutsch. Uebers. Leipzig, 1784. gr. 8. S. 41. u. f.) und Kramp (Geschichte der Aerostatik. Straßburg, 1784. gr. 8. 11 -- 16. Abschnitt) mitgetheilt, und mit dem aerostatischen Versuche auf dem Marsfelde vom 27. Aug. 1783 verglichen, s. Aerostat. Aber alle die schönen Hofnungen, wozu man sich damals berechtiget hielt, sind verschwunden, seitdem sich die aerostatischen Versuche unglücklicher Weise in Händen befinden, die sich ganz zu geldbringenden Schauspielen herabwürdigen.
In den Bahnen der Geſchuͤtzkugeln verurſacht dieſer Widerſtand Abweichungen, deren Groͤße fuͤr ein Fluidum, welches auf 6000mal leichter, als das darin bewegte Metall iſt, ganz ungeheuer und unerwartet ausfaͤllt. Man hat ſich bisher vergebens bemuͤht, die Theorie dieſer Wirkungen gaͤnzlich aufs Reine zu bringen; es ſcheint dabey noch an phyſikaliſchen Kenntniſſen zu fehlen, um die Gruͤnde berichtigen zu koͤnnen, auf welche die Mathematiker bisher, vielleicht zu fruͤhzeitig, gebaut haben. Die Erfindung der Aeroſtaten eroͤfnete neue Ausſichten fuͤr dieſe Lehre. Die aeroſtatiſchen Kugeln ſteigen ohne alle Mitwirkung einer bewegenden Kraft blos durch ihre ſpecifiſche Leichtigkeit auf, und werden von einer der Schwere entgegengeſetzten beſchleunigenden Kraft getrieben, deren Verhaͤltniß zur Schwere durch genaue Abwaͤgungen beſtimmt werden kan. Dabey findet eine ſehr maͤßige Geſchwindigkeit ſtatt, welche mehr Uebereinſtimmung zwiſchen Theorie und Erfahrungen erwarten laͤßt. Dieſe Vortheile bewogen die Mathematiker, die Geſetze der Bewegung fuͤr dieſen Fall beſonders zu unterſuchen; eine Arbeit, womit ſich ſelbſt der große Euler noch wenig Tage vor ſeinem Tode beſchaͤftiget hat. Aufloͤſungen dieſer Aufgabe haben die Herren Meusnier (in Faujas de St. Fond Deſcription des exp. de la machine aëroſtatique. Paris, 1783. 8. p. 49. ſqq. der deutſch. Ueberſ. Leipzig, 1784. gr. 8. S. 41. u. f.) und Kramp (Geſchichte der Aeroſtatik. Straßburg, 1784. gr. 8. 11 — 16. Abſchnitt) mitgetheilt, und mit dem aeroſtatiſchen Verſuche auf dem Marsfelde vom 27. Aug. 1783 verglichen, ſ. Aeroſtat. Aber alle die ſchoͤnen Hofnungen, wozu man ſich damals berechtiget hielt, ſind verſchwunden, ſeitdem ſich die aeroſtatiſchen Verſuche ungluͤcklicher Weiſe in Haͤnden befinden, die ſich ganz zu geldbringenden Schauſpielen herabwuͤrdigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0765" xml:id="P.4.755" n="755"/><lb/> muͤßten wohl erſt zum Grunde gelegt werden, um die Dichte der Luft vorher zu beſtimmen; alsdann wuͤrde man vielleicht die mit Pendeln gemachten Verſuche beſſer nuͤtzen koͤnnen, nicht die Dichte zu erfahren, ſondern die Theorie des Widerſtands der Luft zu vervollkommnen.</p> <p>In den Bahnen der Geſchuͤtzkugeln verurſacht dieſer Widerſtand Abweichungen, deren Groͤße fuͤr ein Fluidum, welches auf 6000mal leichter, als das darin bewegte Metall iſt, ganz ungeheuer und unerwartet ausfaͤllt. Man hat ſich bisher vergebens bemuͤht, die Theorie dieſer Wirkungen gaͤnzlich aufs Reine zu bringen; es ſcheint dabey noch an phyſikaliſchen Kenntniſſen zu fehlen, um die Gruͤnde berichtigen zu koͤnnen, auf welche die Mathematiker bisher, vielleicht zu fruͤhzeitig, gebaut haben.</p> <p>Die Erfindung der Aeroſtaten eroͤfnete neue Ausſichten fuͤr dieſe Lehre. Die aeroſtatiſchen Kugeln ſteigen ohne alle Mitwirkung einer bewegenden Kraft blos durch ihre ſpecifiſche Leichtigkeit auf, und werden von einer der Schwere entgegengeſetzten beſchleunigenden Kraft getrieben, deren Verhaͤltniß zur Schwere durch genaue Abwaͤgungen beſtimmt werden kan. Dabey findet eine ſehr maͤßige Geſchwindigkeit ſtatt, welche mehr Uebereinſtimmung zwiſchen Theorie und Erfahrungen erwarten laͤßt. Dieſe Vortheile bewogen die Mathematiker, die Geſetze der Bewegung fuͤr dieſen Fall beſonders zu unterſuchen; eine Arbeit, womit ſich ſelbſt der große <hi rendition="#b">Euler</hi> noch wenig Tage vor ſeinem Tode beſchaͤftiget hat. Aufloͤſungen dieſer Aufgabe haben die Herren <hi rendition="#b">Meusnier</hi> (in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Faujas de St. Fond</hi> Deſcription des exp. de la machine aëroſtatique. Paris, 1783. 8. p. 49. ſqq.</hi> der deutſch. Ueberſ. Leipzig, 1784. gr. 8. S. 41. u. f.) und <hi rendition="#b">Kramp</hi> (Geſchichte der Aeroſtatik. Straßburg, 1784. gr. 8. 11 — 16. Abſchnitt) mitgetheilt, und mit dem aeroſtatiſchen Verſuche auf dem Marsfelde vom 27. Aug. 1783 verglichen, <hi rendition="#b">ſ. Aeroſtat.</hi> Aber alle die ſchoͤnen Hofnungen, wozu man ſich damals berechtiget hielt, ſind verſchwunden, ſeitdem ſich die aeroſtatiſchen Verſuche ungluͤcklicher Weiſe in Haͤnden befinden, die ſich ganz zu geldbringenden Schauſpielen herabwuͤrdigen.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [755/0765]
muͤßten wohl erſt zum Grunde gelegt werden, um die Dichte der Luft vorher zu beſtimmen; alsdann wuͤrde man vielleicht die mit Pendeln gemachten Verſuche beſſer nuͤtzen koͤnnen, nicht die Dichte zu erfahren, ſondern die Theorie des Widerſtands der Luft zu vervollkommnen.
In den Bahnen der Geſchuͤtzkugeln verurſacht dieſer Widerſtand Abweichungen, deren Groͤße fuͤr ein Fluidum, welches auf 6000mal leichter, als das darin bewegte Metall iſt, ganz ungeheuer und unerwartet ausfaͤllt. Man hat ſich bisher vergebens bemuͤht, die Theorie dieſer Wirkungen gaͤnzlich aufs Reine zu bringen; es ſcheint dabey noch an phyſikaliſchen Kenntniſſen zu fehlen, um die Gruͤnde berichtigen zu koͤnnen, auf welche die Mathematiker bisher, vielleicht zu fruͤhzeitig, gebaut haben.
Die Erfindung der Aeroſtaten eroͤfnete neue Ausſichten fuͤr dieſe Lehre. Die aeroſtatiſchen Kugeln ſteigen ohne alle Mitwirkung einer bewegenden Kraft blos durch ihre ſpecifiſche Leichtigkeit auf, und werden von einer der Schwere entgegengeſetzten beſchleunigenden Kraft getrieben, deren Verhaͤltniß zur Schwere durch genaue Abwaͤgungen beſtimmt werden kan. Dabey findet eine ſehr maͤßige Geſchwindigkeit ſtatt, welche mehr Uebereinſtimmung zwiſchen Theorie und Erfahrungen erwarten laͤßt. Dieſe Vortheile bewogen die Mathematiker, die Geſetze der Bewegung fuͤr dieſen Fall beſonders zu unterſuchen; eine Arbeit, womit ſich ſelbſt der große Euler noch wenig Tage vor ſeinem Tode beſchaͤftiget hat. Aufloͤſungen dieſer Aufgabe haben die Herren Meusnier (in Faujas de St. Fond Deſcription des exp. de la machine aëroſtatique. Paris, 1783. 8. p. 49. ſqq. der deutſch. Ueberſ. Leipzig, 1784. gr. 8. S. 41. u. f.) und Kramp (Geſchichte der Aeroſtatik. Straßburg, 1784. gr. 8. 11 — 16. Abſchnitt) mitgetheilt, und mit dem aeroſtatiſchen Verſuche auf dem Marsfelde vom 27. Aug. 1783 verglichen, ſ. Aeroſtat. Aber alle die ſchoͤnen Hofnungen, wozu man ſich damals berechtiget hielt, ſind verſchwunden, ſeitdem ſich die aeroſtatiſchen Verſuche ungluͤcklicher Weiſe in Haͤnden befinden, die ſich ganz zu geldbringenden Schauſpielen herabwuͤrdigen.
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