Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.Diese unbeständigen Winde haben einen ungleichen Gang. Bald legen sie sich, um gleichsam auszuruhen, bis aufs neue ein desto heftigerer Stoß erfolgt. Vielleicht kömmt dieses von einer wellenförmigen Bewegung her, bey der die Luftwellen eben so, wie die im Wasser, durch Zwischenräume getrennt sind. Der Wind ist gemeiniglich etwas über der Erde am starksten, wo ihn kein Hinderniß schwächt, daher auch auf der See heftiger, als auf dem Lande, und auf dem flachen Felde stärker, als an waldichten Orten. Auf den Gipfeln hoher Berge wüten die Stürme mit erstaunlicher Gewalt. Man hat viele Beyspiele von sehr gewaltsamen Wirkungen der Winde. Musschenbroek führt an, daß am 8. August 1749 der Wind in Schlesien 17 Mühlen umwarf, zu einer Zeit, da in Leiden eine vollkommne Windstille herrschte. Im Jahre 1680 ward ohnweit Warschau ein ganzer Kirchthurm mit Glocken und allem Zubehör abgehoben und auf ein entlegnes Haus geführt (Journal des Savans, 1680. p. 241.). In eben demselben Jahre am 7. Junii stürzte in Frankreich ein Orkan mehrere Schlösser und Kirchen ein, und führte einen Kirchthurm mit den Glocken 100 Schritt weit fort. Im Jahre 1766 den 13. August zerstörte der Sturm auf Domingo 6 Kirchen von Grund aus, und hob von vier andern die Dächer ab, wobey 69 Fahrzeuge strandeten und 335 Personen umkamen. Das Vermögen des Windes hängt von seiner Geschwindigkeit und von der Dichte der Luft ab. Musschenbroek (Introd. To. II. §. 2619. sqq.) führt einige Rechnungen hierüber, wobey er annimmt, das Moment des Windes verhalte sich, wie das Produkt der Luftmasse in das Quadrat der Geschwindigkeit. Nach diesem Satze müssen sich die Geschwindigkeiten von Wasser und Luft, wenn beyde gleiche Wirkung thun sollen, wie die Quadratwurzeln aus ihren specifischen Schweren (etwa wie 1 zu 24 bis 30) verhalten. Die Versuche lehren auch, daß die Luft 24 mal schneller, als das Wasser, gehen müsse, um mit diesem gleiche Wirkung auf eine ebene Fläche zu thun. Nun ist nach de la Hire die Kraft des Stoßes eines fließenden Dieſe unbeſtaͤndigen Winde haben einen ungleichen Gang. Bald legen ſie ſich, um gleichſam auszuruhen, bis aufs neue ein deſto heftigerer Stoß erfolgt. Vielleicht koͤmmt dieſes von einer wellenfoͤrmigen Bewegung her, bey der die Luftwellen eben ſo, wie die im Waſſer, durch Zwiſchenraͤume getrennt ſind. Der Wind iſt gemeiniglich etwas uͤber der Erde am ſtarkſten, wo ihn kein Hinderniß ſchwaͤcht, daher auch auf der See heftiger, als auf dem Lande, und auf dem flachen Felde ſtaͤrker, als an waldichten Orten. Auf den Gipfeln hoher Berge wuͤten die Stuͤrme mit erſtaunlicher Gewalt. Man hat viele Beyſpiele von ſehr gewaltſamen Wirkungen der Winde. Muſſchenbroek fuͤhrt an, daß am 8. Auguſt 1749 der Wind in Schleſien 17 Muͤhlen umwarf, zu einer Zeit, da in Leiden eine vollkommne Windſtille herrſchte. Im Jahre 1680 ward ohnweit Warſchau ein ganzer Kirchthurm mit Glocken und allem Zubehoͤr abgehoben und auf ein entlegnes Haus gefuͤhrt (Journal des Savans, 1680. p. 241.). In eben demſelben Jahre am 7. Junii ſtuͤrzte in Frankreich ein Orkan mehrere Schloͤſſer und Kirchen ein, und fuͤhrte einen Kirchthurm mit den Glocken 100 Schritt weit fort. Im Jahre 1766 den 13. Auguſt zerſtoͤrte der Sturm auf Domingo 6 Kirchen von Grund aus, und hob von vier andern die Daͤcher ab, wobey 69 Fahrzeuge ſtrandeten und 335 Perſonen umkamen. Das Vermoͤgen des Windes haͤngt von ſeiner Geſchwindigkeit und von der Dichte der Luft ab. Muſſchenbroek (Introd. To. II. §. 2619. ſqq.) fuͤhrt einige Rechnungen hieruͤber, wobey er annimmt, das Moment des Windes verhalte ſich, wie das Produkt der Luftmaſſe in das Quadrat der Geſchwindigkeit. Nach dieſem Satze muͤſſen ſich die Geſchwindigkeiten von Waſſer und Luft, wenn beyde gleiche Wirkung thun ſollen, wie die Quadratwurzeln aus ihren ſpecifiſchen Schweren (etwa wie 1 zu 24 bis 30) verhalten. Die Verſuche lehren auch, daß die Luft 24 mal ſchneller, als das Waſſer, gehen muͤſſe, um mit dieſem gleiche Wirkung auf eine ebene Flaͤche zu thun. Nun iſt nach de la Hire die Kraft des Stoßes eines fließenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0772" xml:id="P.4.762" n="762"/><lb/> </p> <p>Dieſe unbeſtaͤndigen Winde haben einen ungleichen Gang. Bald legen ſie ſich, um gleichſam auszuruhen, bis aufs neue ein deſto heftigerer Stoß erfolgt. 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Man hat viele Beyſpiele von ſehr gewaltſamen Wirkungen der Winde. Muſſchenbroek fuͤhrt an, daß am 8. Auguſt 1749 der Wind in Schleſien 17 Muͤhlen umwarf, zu einer Zeit, da in Leiden eine vollkommne Windſtille herrſchte. Im Jahre 1680 ward ohnweit Warſchau ein ganzer Kirchthurm mit Glocken und allem Zubehoͤr abgehoben und auf ein entlegnes Haus gefuͤhrt (Journal des Savans, 1680. p. 241.). In eben demſelben Jahre am 7. Junii ſtuͤrzte in Frankreich ein Orkan mehrere Schloͤſſer und Kirchen ein, und fuͤhrte einen Kirchthurm mit den Glocken 100 Schritt weit fort. Im Jahre 1766 den 13. Auguſt zerſtoͤrte der Sturm auf Domingo 6 Kirchen von Grund aus, und hob von vier andern die Daͤcher ab, wobey 69 Fahrzeuge ſtrandeten und 335 Perſonen umkamen.
Das Vermoͤgen des Windes haͤngt von ſeiner Geſchwindigkeit und von der Dichte der Luft ab. Muſſchenbroek (Introd. To. II. §. 2619. ſqq.) fuͤhrt einige Rechnungen hieruͤber, wobey er annimmt, das Moment des Windes verhalte ſich, wie das Produkt der Luftmaſſe in das Quadrat der Geſchwindigkeit. Nach dieſem Satze muͤſſen ſich die Geſchwindigkeiten von Waſſer und Luft, wenn beyde gleiche Wirkung thun ſollen, wie die Quadratwurzeln aus ihren ſpecifiſchen Schweren (etwa wie 1 zu 24 bis 30) verhalten. Die Verſuche lehren auch, daß die Luft 24 mal ſchneller, als das Waſſer, gehen muͤſſe, um mit dieſem gleiche Wirkung auf eine ebene Flaͤche zu thun. Nun iſt nach de la Hire die Kraft des Stoßes eines fließenden
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