Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Derjenige, der in diesen Erklärungen die letzten physischen Ursachen der Repulsionen zu finden vermeinte, würde sich doch wahrlich nur in einem Kreise herumdrehen. Wenn das Abstoßen der Lufttheile vom Wärmestoffe, die elektrische und magnetische Repulsion von gewissen feinen Materien u. s. w. bewirkt werden soll, so muß man doch annehmen, Wärmestoff und diese Materien seyen selbst elastische Stoffe, deren Theile sich abstoßen. Und nun tritt augenblicklich die Frage ein, was für eine neue Ursache denn das Abstoßen dieser Theile bewirke? So ist ja die Repulsion durch nichts weiter, als durch eine neue Repulsion, erklärt, deren Grund wieder eben so dunkel ist, als es vorhin der Grund jener ersten war. Noch weniger geht es an, das Zurückstoßen für die Wirkung einer in dem Körper wesentlich wohnenden Kraft oder Eigenschaft zu erklären. Eine solche Behauptung wäre nicht nur allen den Einwürfen ausgesetzt, mit welchen die Anziehung, als wesentliche Eigenschaft der Materie, bestritten werden kan, s. Gravitation (Th. II. S. 527.), sondern sie hätte auch noch das wider sich, daß man so einem und eben demselben Körper auf gut Glück bald Anziehung bald Abstoßung beylegen müßte, je nachdem man entweder das eine oder das andere nöthig hätte. Zwar äussert Newton in einer Stelle seiner Optik, die man beym Worte Elasticität (Th. I. S. 704.) angeführt findet, den Gedanken, daß sich vielleicht die Anziehung eben so in zurückstoßende Kraft verwandeln könne, wie in der Algebra positive Größen durch Null in negative übergehen. Dies sieht ziemlich so aus, als nähme er in den Körpern wesentlich repellirende
Derjenige, der in dieſen Erklaͤrungen die letzten phyſiſchen Urſachen der Repulſionen zu finden vermeinte, wuͤrde ſich doch wahrlich nur in einem Kreiſe herumdrehen. Wenn das Abſtoßen der Lufttheile vom Waͤrmeſtoffe, die elektriſche und magnetiſche Repulſion von gewiſſen feinen Materien u. ſ. w. bewirkt werden ſoll, ſo muß man doch annehmen, Waͤrmeſtoff und dieſe Materien ſeyen ſelbſt elaſtiſche Stoffe, deren Theile ſich abſtoßen. Und nun tritt augenblicklich die Frage ein, was fuͤr eine neue Urſache denn das Abſtoßen dieſer Theile bewirke? So iſt ja die Repulſion durch nichts weiter, als durch eine neue Repulſion, erklaͤrt, deren Grund wieder eben ſo dunkel iſt, als es vorhin der Grund jener erſten war. Noch weniger geht es an, das Zuruͤckſtoßen fuͤr die Wirkung einer in dem Koͤrper weſentlich wohnenden Kraft oder Eigenſchaft zu erklaͤren. Eine ſolche Behauptung waͤre nicht nur allen den Einwuͤrfen ausgeſetzt, mit welchen die Anziehung, als weſentliche Eigenſchaft der Materie, beſtritten werden kan, ſ. Gravitation (Th. II. S. 527.), ſondern ſie haͤtte auch noch das wider ſich, daß man ſo einem und eben demſelben Koͤrper auf gut Gluͤck bald Anziehung bald Abſtoßung beylegen muͤßte, je nachdem man entweder das eine oder das andere noͤthig haͤtte. Zwar aͤuſſert Newton in einer Stelle ſeiner Optik, die man beym Worte Elaſticitaͤt (Th. I. S. 704.) angefuͤhrt findet, den Gedanken, daß ſich vielleicht die Anziehung eben ſo in zuruͤckſtoßende Kraft verwandeln koͤnne, wie in der Algebra poſitive Groͤßen durch Null in negative uͤbergehen. Dies ſieht ziemlich ſo aus, als naͤhme er in den Koͤrpern weſentlich repellirende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0903" xml:id="P.4.893" n="893"/><lb/> Materie ſich unter einander abſtoßen, von den Theilen der Koͤrper aber angezogen werden; daß in der Hypotheſe von zwo elektriſchen oder von zwo magnetiſchen Materien die Theile der gleichnamigen Materien ſich abſtoßen u. ſ. w., ſo laſſen ſich zwar daraus die Phaͤnomene ſelbſt ganz leicht und richtig herleiten. Aber was ſind denn jene Vorausſetzungen anders, als allgemeine Saͤtze, in die man blos eine Menge Erfahrungen zuſammengefaßt hat, welche ſich denn ganz natuͤrlich wieder daraus muͤſſen herleiten laſſen?</p> <p>Derjenige, der in dieſen Erklaͤrungen die letzten phyſiſchen Urſachen der Repulſionen zu finden vermeinte, wuͤrde ſich doch wahrlich nur in einem Kreiſe herumdrehen. Wenn das Abſtoßen der Lufttheile vom Waͤrmeſtoffe, die elektriſche und magnetiſche Repulſion von gewiſſen feinen Materien u. ſ. w. bewirkt werden ſoll, ſo muß man doch annehmen, Waͤrmeſtoff und dieſe Materien ſeyen ſelbſt elaſtiſche Stoffe, deren Theile ſich abſtoßen. Und nun tritt augenblicklich die Frage ein, was fuͤr eine neue Urſache denn das Abſtoßen dieſer Theile bewirke? So iſt ja die Repulſion durch nichts weiter, als durch eine neue Repulſion, erklaͤrt, deren Grund wieder eben ſo dunkel iſt, als es vorhin der Grund jener erſten war.</p> <p>Noch weniger geht es an, das Zuruͤckſtoßen fuͤr die Wirkung einer in dem Koͤrper weſentlich wohnenden Kraft oder Eigenſchaft zu erklaͤren. Eine ſolche Behauptung waͤre nicht nur allen den Einwuͤrfen ausgeſetzt, mit welchen die Anziehung, als weſentliche Eigenſchaft der Materie, beſtritten werden kan, <hi rendition="#b">ſ. Gravitation</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 527.), ſondern ſie haͤtte auch noch das wider ſich, daß man ſo einem und eben demſelben Koͤrper auf gut Gluͤck bald Anziehung bald Abſtoßung beylegen muͤßte, je nachdem man entweder das eine oder das andere noͤthig haͤtte. Zwar aͤuſſert <hi rendition="#b">Newton</hi> in einer Stelle ſeiner Optik, die man beym Worte <hi rendition="#b">Elaſticitaͤt</hi> (Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 704.) angefuͤhrt findet, den Gedanken, daß ſich vielleicht die Anziehung eben ſo in zuruͤckſtoßende Kraft verwandeln koͤnne, wie in der Algebra poſitive Groͤßen durch Null in negative uͤbergehen. Dies ſieht ziemlich ſo aus, als naͤhme er in den Koͤrpern weſentlich repellirende<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [893/0903]
Materie ſich unter einander abſtoßen, von den Theilen der Koͤrper aber angezogen werden; daß in der Hypotheſe von zwo elektriſchen oder von zwo magnetiſchen Materien die Theile der gleichnamigen Materien ſich abſtoßen u. ſ. w., ſo laſſen ſich zwar daraus die Phaͤnomene ſelbſt ganz leicht und richtig herleiten. Aber was ſind denn jene Vorausſetzungen anders, als allgemeine Saͤtze, in die man blos eine Menge Erfahrungen zuſammengefaßt hat, welche ſich denn ganz natuͤrlich wieder daraus muͤſſen herleiten laſſen?
Derjenige, der in dieſen Erklaͤrungen die letzten phyſiſchen Urſachen der Repulſionen zu finden vermeinte, wuͤrde ſich doch wahrlich nur in einem Kreiſe herumdrehen. Wenn das Abſtoßen der Lufttheile vom Waͤrmeſtoffe, die elektriſche und magnetiſche Repulſion von gewiſſen feinen Materien u. ſ. w. bewirkt werden ſoll, ſo muß man doch annehmen, Waͤrmeſtoff und dieſe Materien ſeyen ſelbſt elaſtiſche Stoffe, deren Theile ſich abſtoßen. Und nun tritt augenblicklich die Frage ein, was fuͤr eine neue Urſache denn das Abſtoßen dieſer Theile bewirke? So iſt ja die Repulſion durch nichts weiter, als durch eine neue Repulſion, erklaͤrt, deren Grund wieder eben ſo dunkel iſt, als es vorhin der Grund jener erſten war.
Noch weniger geht es an, das Zuruͤckſtoßen fuͤr die Wirkung einer in dem Koͤrper weſentlich wohnenden Kraft oder Eigenſchaft zu erklaͤren. Eine ſolche Behauptung waͤre nicht nur allen den Einwuͤrfen ausgeſetzt, mit welchen die Anziehung, als weſentliche Eigenſchaft der Materie, beſtritten werden kan, ſ. Gravitation (Th. II. S. 527.), ſondern ſie haͤtte auch noch das wider ſich, daß man ſo einem und eben demſelben Koͤrper auf gut Gluͤck bald Anziehung bald Abſtoßung beylegen muͤßte, je nachdem man entweder das eine oder das andere noͤthig haͤtte. Zwar aͤuſſert Newton in einer Stelle ſeiner Optik, die man beym Worte Elaſticitaͤt (Th. I. S. 704.) angefuͤhrt findet, den Gedanken, daß ſich vielleicht die Anziehung eben ſo in zuruͤckſtoßende Kraft verwandeln koͤnne, wie in der Algebra poſitive Groͤßen durch Null in negative uͤbergehen. Dies ſieht ziemlich ſo aus, als naͤhme er in den Koͤrpern weſentlich repellirende
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