jedes Zeittheils sich nirgend anders, als in irgend einem Punkte der Diagonale AD besinden könne. Auch in den Versuch, welchen Taf. IV. Fig. 61. vorstellt, wird eben diese Gleichförmigkeit erst durch die Veranstaltungen hineingebracht, indem die Walze E gleichförmig fortgerollt, und dadurch unmittelbar sowohl ein gleichförmiger Fortgang nach der Richtung AB, als auch ein gleichförmiges Abwickeln des Fadens und Niedersinken nach AC bewirkt wird. Es ist also die Frage, ob diese beständige Gleichförmigkeit auch in der Natur selbst so nothwendig vorhanden sey, als es bey diesem Grundsatze supponirt, und beym Versuche durch die Veranstaltungen bewirkt wird.
Mit andern Worten läßt sich dieses so ausdrücken. Es ist zwar kein Zweifel daß der Körper A, Taf. IV. Fig. 60. die Diagonale AB beschreiben wird, wenn man ihn wirklich in jeder Stelle seines Weges gleich stark und gleich schnell nach Richtungen fortschiebt, die mit AB und AC parallel sind. Aber es ist die Frage, ob er noch eben das thun wird, wenn ihm die Geschwindigkeiten nach AB und AC blos im Punkte A mitgetheilt werden, und man ihn alsdann sich selbst überläßt, ohne auf seine Bewegung weiter zu wirken? Genau betrachtet ist doch das letzte etwas anders als das erste. Aber die Evidenz des Grundsatzes und der Versuch sind nur auf das erste anwendbar.
Man hat daher diejenigen mit Recht getadelt, welche den Grundsatz von der zusammengesetzten Bewegung ohne allen weitern Beweis allzuweit ausgedehnt, und die ganze Mechanik daraus herzuleiten gesucht haben. Dahin gehört Varignon, und selbst Newton, welcher in seinen Principien die Theorie des Winkelhebels auf den Satz von zusammengesetzten Bewegungen und Kräften gründet, s. Winkelhebel. Es bleibt zwar wahr, daß man keinen Grund sieht, warum die Gleichsörmigkeit der Bewegungen oder Sollicitationen nach AB und AC während der Bewegung durch AD wegfallen oder sich ändern sollte; aber dies ist immer noch nicht genug, um einen mathematischen Beweis eines so wichtigen Grundgesetzes auszumachen.
jedes Zeittheils ſich nirgend anders, als in irgend einem Punkte der Diagonale AD beſinden koͤnne. Auch in den Verſuch, welchen Taf. IV. Fig. 61. vorſtellt, wird eben dieſe Gleichfoͤrmigkeit erſt durch die Veranſtaltungen hineingebracht, indem die Walze E gleichfoͤrmig fortgerollt, und dadurch unmittelbar ſowohl ein gleichfoͤrmiger Fortgang nach der Richtung AB, als auch ein gleichfoͤrmiges Abwickeln des Fadens und Niederſinken nach AC bewirkt wird. Es iſt alſo die Frage, ob dieſe beſtaͤndige Gleichfoͤrmigkeit auch in der Natur ſelbſt ſo nothwendig vorhanden ſey, als es bey dieſem Grundſatze ſupponirt, und beym Verſuche durch die Veranſtaltungen bewirkt wird.
Mit andern Worten laͤßt ſich dieſes ſo ausdruͤcken. Es iſt zwar kein Zweifel daß der Koͤrper A, Taf. IV. Fig. 60. die Diagonale AB beſchreiben wird, wenn man ihn wirklich in jeder Stelle ſeines Weges gleich ſtark und gleich ſchnell nach Richtungen fortſchiebt, die mit AB und AC parallel ſind. Aber es iſt die Frage, ob er noch eben das thun wird, wenn ihm die Geſchwindigkeiten nach AB und AC blos im Punkte A mitgetheilt werden, und man ihn alsdann ſich ſelbſt uͤberlaͤßt, ohne auf ſeine Bewegung weiter zu wirken? Genau betrachtet iſt doch das letzte etwas anders als das erſte. Aber die Evidenz des Grundſatzes und der Verſuch ſind nur auf das erſte anwendbar.
Man hat daher diejenigen mit Recht getadelt, welche den Grundſatz von der zuſammengeſetzten Bewegung ohne allen weitern Beweis allzuweit ausgedehnt, und die ganze Mechanik daraus herzuleiten geſucht haben. Dahin gehoͤrt Varignon, und ſelbſt Newton, welcher in ſeinen Principien die Theorie des Winkelhebels auf den Satz von zuſammengeſetzten Bewegungen und Kraͤften gruͤndet, ſ. Winkelhebel. Es bleibt zwar wahr, daß man keinen Grund ſieht, warum die Gleichſoͤrmigkeit der Bewegungen oder Sollicitationen nach AB und AC waͤhrend der Bewegung durch AD wegfallen oder ſich aͤndern ſollte; aber dies iſt immer noch nicht genug, um einen mathematiſchen Beweis eines ſo wichtigen Grundgeſetzes auszumachen.
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jedes Zeittheils ſich nirgend anders, als in irgend einem Punkte der Diagonale AD beſinden koͤnne. Auch in den Verſuch, welchen Taf. IV. Fig. 61. vorſtellt, wird eben dieſe Gleichfoͤrmigkeit erſt durch die Veranſtaltungen hineingebracht, indem die Walze E gleichfoͤrmig fortgerollt, und dadurch unmittelbar ſowohl ein gleichfoͤrmiger Fortgang nach der Richtung AB, als auch ein gleichfoͤrmiges Abwickeln des Fadens und Niederſinken nach AC bewirkt wird. Es iſt alſo die Frage, ob dieſe beſtaͤndige Gleichfoͤrmigkeit auch in der Natur ſelbſt ſo nothwendig vorhanden ſey, als es bey dieſem Grundſatze ſupponirt, und beym Verſuche durch die Veranſtaltungen bewirkt wird.
Mit andern Worten laͤßt ſich dieſes ſo ausdruͤcken. Es iſt zwar kein Zweifel daß der Koͤrper A, Taf. IV. Fig. 60. die Diagonale AB beſchreiben wird, wenn man ihn wirklich in jeder Stelle ſeines Weges gleich ſtark und gleich ſchnell nach Richtungen fortſchiebt, die mit AB und AC parallel ſind. Aber es iſt die Frage, ob er noch eben das thun wird, wenn ihm die Geſchwindigkeiten nach AB und AC blos im Punkte A mitgetheilt werden, und man ihn alsdann ſich ſelbſt uͤberlaͤßt, ohne auf ſeine Bewegung weiter zu wirken? Genau betrachtet iſt doch das letzte etwas anders als das erſte. Aber die Evidenz des Grundſatzes und der Verſuch ſind nur auf das erſte anwendbar.
Man hat daher diejenigen mit Recht getadelt, welche den Grundſatz von der zuſammengeſetzten Bewegung ohne allen weitern Beweis allzuweit ausgedehnt, und die ganze Mechanik daraus herzuleiten geſucht haben. Dahin gehoͤrt Varignon, und ſelbſt Newton, welcher in ſeinen Principien die Theorie des Winkelhebels auf den Satz von zuſammengeſetzten Bewegungen und Kraͤften gruͤndet, ſ. Winkelhebel. Es bleibt zwar wahr, daß man keinen Grund ſieht, warum die Gleichſoͤrmigkeit der Bewegungen oder Sollicitationen nach AB und AC waͤhrend der Bewegung durch AD wegfallen oder ſich aͤndern ſollte; aber dies iſt immer noch nicht genug, um einen mathematiſchen Beweis eines ſo wichtigen Grundgeſetzes auszumachen.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 929. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/939>, abgerufen am 22.11.2024.
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