Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.Andere, z. B. Daniel Bernoulli (Comment. acad. sc. Petropol. T. I.) und d'Alembert (Traite de Dynamique. a Paris, 1743. 4. p. 22.) haben Beweise zu geben versucht, die auch für den Fall gelten sollten, wenn der Körper während der Bewegung ganz sich selbst überlassen bleibt. Gegen Bernoulli's Demonstration ist erinnert worden, sie sey zu weitläufig und enthalte unerwiesene Voraussetzungen. D'Alembert stellt sich vor, der Körper liege auf einer Fläche, die sich in einem Falze der Bewegung nach AB gleichförmig entgegenschiebe, während der Falz selbst mit der Fläche zugleich der andern Bewegung nach AC ebenfalls gleichförmig entgegengeschoben werde. Hiebey müßte der Körper A in absoluter Ruhe bleiben, weil seine beyden Bewegungen durch die entgegengesetzten, die ihm die Fläche giebt, gerade aufgehoben werden. Weil nun die Fläche geschoben werden soll, d. h. weil immerfortwirkende Kräfte sie gleichförmig bewegen sollen, so wird sie sich nach der Diagonale DA bewegen, und der Körper, der in absoluter Ruhe ist, wird auf ihr die Linie AD beschreiben. Hierin liegt aber offenbar Voraussetzung dessen, was erwiesen werden soll (petitio principii). Denn indem ich annehme, der Körper A bleibe in absoluter Ruhe, muß ich schon voraussetzen, daß seine Bewegung dem gleichförmigen Fortschieben der Fläche durch DA gerade entgegengesetzt sey, d. i. daß er sich, wenn die Fläche ruhete, gleichförmig durch AD bewegen würde. Noch einen andern Versuch eines solchen Beweises finde ich beym Brisson. Man setze, zwo Kräfte nach AB und AC wirken eine gewisse Zeit hindurch auf den Punkt A, und verlassen ihn hernach, so ift gewiß, daß er wenigstens während der Zeit, da die Kräfte wirken, die Diagonale AD beschreiben wird. Verlassen ihn nun diese Kräfte, so wird er vermöge der Trägheit in der angefangenen Diagonale gleichförmig fortgehen, die Zeit, durch welche die Kräfte gewirkt haben, mag lang oder kurz gewesen seyn. Da also auf die Länge dieser Zeit nichts ankömmt, und sie weder in der Richtung, noch in der Geschwindigkeit der Bewegung etwas ändert, so folgt, daß der Körper auch selbst Andere, z. B. Daniel Bernoulli (Comment. acad. ſc. Petropol. T. I.) und d'Alembert (Traité de Dynamique. à Paris, 1743. 4. p. 22.) haben Beweiſe zu geben verſucht, die auch fuͤr den Fall gelten ſollten, wenn der Koͤrper waͤhrend der Bewegung ganz ſich ſelbſt uͤberlaſſen bleibt. Gegen Bernoulli's Demonſtration iſt erinnert worden, ſie ſey zu weitlaͤufig und enthalte unerwieſene Vorausſetzungen. D'Alembert ſtellt ſich vor, der Koͤrper liege auf einer Flaͤche, die ſich in einem Falze der Bewegung nach AB gleichfoͤrmig entgegenſchiebe, waͤhrend der Falz ſelbſt mit der Flaͤche zugleich der andern Bewegung nach AC ebenfalls gleichfoͤrmig entgegengeſchoben werde. Hiebey muͤßte der Koͤrper A in abſoluter Ruhe bleiben, weil ſeine beyden Bewegungen durch die entgegengeſetzten, die ihm die Flaͤche giebt, gerade aufgehoben werden. Weil nun die Flaͤche geſchoben werden ſoll, d. h. weil immerfortwirkende Kraͤfte ſie gleichfoͤrmig bewegen ſollen, ſo wird ſie ſich nach der Diagonale DA bewegen, und der Koͤrper, der in abſoluter Ruhe iſt, wird auf ihr die Linie AD beſchreiben. Hierin liegt aber offenbar Vorausſetzung deſſen, was erwieſen werden ſoll (petitio principii). Denn indem ich annehme, der Koͤrper A bleibe in abſoluter Ruhe, muß ich ſchon vorausſetzen, daß ſeine Bewegung dem gleichfoͤrmigen Fortſchieben der Flaͤche durch DA gerade entgegengeſetzt ſey, d. i. daß er ſich, wenn die Flaͤche ruhete, gleichfoͤrmig durch AD bewegen wuͤrde. Noch einen andern Verſuch eines ſolchen Beweiſes finde ich beym Briſſon. Man ſetze, zwo Kraͤfte nach AB und AC wirken eine gewiſſe Zeit hindurch auf den Punkt A, und verlaſſen ihn hernach, ſo ift gewiß, daß er wenigſtens waͤhrend der Zeit, da die Kraͤfte wirken, die Diagonale AD beſchreiben wird. Verlaſſen ihn nun dieſe Kraͤfte, ſo wird er vermoͤge der Traͤgheit in der angefangenen Diagonale gleichfoͤrmig fortgehen, die Zeit, durch welche die Kraͤfte gewirkt haben, mag lang oder kurz geweſen ſeyn. Da alſo auf die Laͤnge dieſer Zeit nichts ankoͤmmt, und ſie weder in der Richtung, noch in der Geſchwindigkeit der Bewegung etwas aͤndert, ſo folgt, daß der Koͤrper auch ſelbſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0940" xml:id="P.4.930" n="930"/><lb/> </p> <p>Andere, z. <hi rendition="#b">B. Daniel Bernoulli</hi> (<hi rendition="#aq">Comment. acad. ſc. Petropol. T. I.</hi>) und <hi rendition="#b">d'Alembert</hi> (<hi rendition="#aq">Traité de Dynamique. à Paris, 1743. 4. p. 22.</hi>) haben Beweiſe zu geben verſucht, die auch fuͤr den Fall gelten ſollten, wenn der Koͤrper waͤhrend der Bewegung ganz ſich ſelbſt uͤberlaſſen bleibt. Gegen Bernoulli's Demonſtration iſt erinnert worden, ſie ſey zu weitlaͤufig und enthalte unerwieſene Vorausſetzungen. <hi rendition="#b">D'Alembert</hi> ſtellt ſich vor, der Koͤrper liege auf einer Flaͤche, die ſich in einem Falze der Bewegung nach <hi rendition="#aq">AB</hi> gleichfoͤrmig entgegenſchiebe, waͤhrend der Falz ſelbſt mit der Flaͤche zugleich der andern Bewegung nach <hi rendition="#aq">AC</hi> ebenfalls gleichfoͤrmig entgegengeſchoben werde. Hiebey muͤßte der Koͤrper <hi rendition="#aq">A</hi> in abſoluter Ruhe bleiben, weil ſeine beyden Bewegungen durch die entgegengeſetzten, die ihm die Flaͤche giebt, gerade aufgehoben werden. Weil nun die Flaͤche geſchoben werden ſoll, d. h. weil immerfortwirkende Kraͤfte ſie gleichfoͤrmig bewegen ſollen, ſo wird ſie ſich nach der Diagonale <hi rendition="#aq">DA</hi> bewegen, und der Koͤrper, der in abſoluter Ruhe iſt, wird auf ihr die Linie <hi rendition="#aq">AD</hi> beſchreiben. Hierin liegt aber offenbar Vorausſetzung deſſen, was erwieſen werden ſoll (<hi rendition="#aq">petitio principii</hi>). Denn indem ich annehme, der Koͤrper <hi rendition="#aq">A</hi> bleibe in abſoluter Ruhe, muß ich ſchon vorausſetzen, daß ſeine Bewegung dem gleichfoͤrmigen Fortſchieben der Flaͤche durch <hi rendition="#aq">DA</hi> gerade entgegengeſetzt ſey, d. i. daß er ſich, wenn die Flaͤche ruhete, gleichfoͤrmig durch <hi rendition="#aq">AD</hi> bewegen wuͤrde.</p> <p>Noch einen andern Verſuch eines ſolchen Beweiſes finde ich beym <hi rendition="#b">Briſſon.</hi> Man ſetze, zwo Kraͤfte nach <hi rendition="#aq">AB</hi> und <hi rendition="#aq">AC</hi> wirken eine gewiſſe Zeit hindurch auf den Punkt <hi rendition="#aq">A,</hi> und verlaſſen ihn hernach, ſo ift gewiß, daß er wenigſtens waͤhrend der Zeit, da die Kraͤfte wirken, die Diagonale <hi rendition="#aq">AD</hi> beſchreiben wird. Verlaſſen ihn nun dieſe Kraͤfte, ſo wird er vermoͤge der Traͤgheit in der angefangenen Diagonale gleichfoͤrmig fortgehen, die Zeit, durch welche die Kraͤfte gewirkt haben, mag lang oder kurz geweſen ſeyn. Da alſo auf die Laͤnge dieſer Zeit nichts ankoͤmmt, und ſie weder in der Richtung, noch in der Geſchwindigkeit der Bewegung etwas aͤndert, ſo folgt, daß der Koͤrper auch ſelbſt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [930/0940]
Andere, z. B. Daniel Bernoulli (Comment. acad. ſc. Petropol. T. I.) und d'Alembert (Traité de Dynamique. à Paris, 1743. 4. p. 22.) haben Beweiſe zu geben verſucht, die auch fuͤr den Fall gelten ſollten, wenn der Koͤrper waͤhrend der Bewegung ganz ſich ſelbſt uͤberlaſſen bleibt. Gegen Bernoulli's Demonſtration iſt erinnert worden, ſie ſey zu weitlaͤufig und enthalte unerwieſene Vorausſetzungen. D'Alembert ſtellt ſich vor, der Koͤrper liege auf einer Flaͤche, die ſich in einem Falze der Bewegung nach AB gleichfoͤrmig entgegenſchiebe, waͤhrend der Falz ſelbſt mit der Flaͤche zugleich der andern Bewegung nach AC ebenfalls gleichfoͤrmig entgegengeſchoben werde. Hiebey muͤßte der Koͤrper A in abſoluter Ruhe bleiben, weil ſeine beyden Bewegungen durch die entgegengeſetzten, die ihm die Flaͤche giebt, gerade aufgehoben werden. Weil nun die Flaͤche geſchoben werden ſoll, d. h. weil immerfortwirkende Kraͤfte ſie gleichfoͤrmig bewegen ſollen, ſo wird ſie ſich nach der Diagonale DA bewegen, und der Koͤrper, der in abſoluter Ruhe iſt, wird auf ihr die Linie AD beſchreiben. Hierin liegt aber offenbar Vorausſetzung deſſen, was erwieſen werden ſoll (petitio principii). Denn indem ich annehme, der Koͤrper A bleibe in abſoluter Ruhe, muß ich ſchon vorausſetzen, daß ſeine Bewegung dem gleichfoͤrmigen Fortſchieben der Flaͤche durch DA gerade entgegengeſetzt ſey, d. i. daß er ſich, wenn die Flaͤche ruhete, gleichfoͤrmig durch AD bewegen wuͤrde.
Noch einen andern Verſuch eines ſolchen Beweiſes finde ich beym Briſſon. Man ſetze, zwo Kraͤfte nach AB und AC wirken eine gewiſſe Zeit hindurch auf den Punkt A, und verlaſſen ihn hernach, ſo ift gewiß, daß er wenigſtens waͤhrend der Zeit, da die Kraͤfte wirken, die Diagonale AD beſchreiben wird. Verlaſſen ihn nun dieſe Kraͤfte, ſo wird er vermoͤge der Traͤgheit in der angefangenen Diagonale gleichfoͤrmig fortgehen, die Zeit, durch welche die Kraͤfte gewirkt haben, mag lang oder kurz geweſen ſeyn. Da alſo auf die Laͤnge dieſer Zeit nichts ankoͤmmt, und ſie weder in der Richtung, noch in der Geſchwindigkeit der Bewegung etwas aͤndert, ſo folgt, daß der Koͤrper auch ſelbſt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |