Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Hieraus erklärt er nun zuerst den Hauptumstand, daß unter dem Aequator die Barometerveränderungen fast gänzlich hinwegfallen, obgleich daselbst beständig starke Winde herrschen. Zwischen den Wendekreisen nemlich strömt die brennbare Luft in der Höhe in eben dem Maaße ab, in welchem in den untern Gegenden durch die Passatwinde nördliche und südliche Luft zugeführet wird. Außerhalb der Wendekreise hingegen sind wegen des größern Unterschiedes der mittlern Wärme und der Dichtigkeit die Ströme der obern Atmosphäre ohne alle Vergleichung geschwinder, und es müssen häufige Unterbrechungen statt finden, während welcher das Gewicht der Atmosphäre vermindert wird. Während des Sommers der nördlichen Halbkugel, da in der südlichen Winter ist, wird die nördliche Luft durch die Gegenwart der Sonne ausgedehnt, und leistet dem obern Strome einen stärkern Widerstand; daher wendet sich dieser Strom vorzüglich nach den südlichen Regionen, es fließt weniger davon über die nördlichen; deshalb sind bey uns im Sommer die Barometerveränderungen geringer. Im Winter hingegen ist der obere Strom vorzüglich nach der nördlichen Halbkugel hin gerichtet, und deshalb werden bey uns in dieser Jahreszeit die größten Quecksilberhöhen gefunden. Der Strom häuft sich da an, wo die Säulen der untern Luft am kältesten und folglich am kürzesten sind, d. i. über den Theilen von Asien, welche östlich vom Caspischen Meere bis zum Eismeere liegen, über Nordamerika, welches kälter, als das alte feste Land ist, und über den Polarregionen. Daher steht das Barometer gewöhnlich in Nordamerika höher, und verändert sich weniger, als bey uns: selbst in der Hudsonsbay unter 59° Breite, wo das Wetter so stürmisch ist, ändert sich das Barometer nur um 1,37 Zoll (Philos. Trans. for the year 1770. p. 148.), da es sich in Petersburg über 2 Zolle verändert.
Hieraus erklaͤrt er nun zuerſt den Hauptumſtand, daß unter dem Aequator die Barometerveraͤnderungen faſt gaͤnzlich hinwegfallen, obgleich daſelbſt beſtaͤndig ſtarke Winde herrſchen. Zwiſchen den Wendekreiſen nemlich ſtroͤmt die brennbare Luft in der Hoͤhe in eben dem Maaße ab, in welchem in den untern Gegenden durch die Paſſatwinde noͤrdliche und ſuͤdliche Luft zugefuͤhret wird. Außerhalb der Wendekreiſe hingegen ſind wegen des groͤßern Unterſchiedes der mittlern Waͤrme und der Dichtigkeit die Stroͤme der obern Atmoſphaͤre ohne alle Vergleichung geſchwinder, und es muͤſſen haͤufige Unterbrechungen ſtatt finden, waͤhrend welcher das Gewicht der Atmoſphaͤre vermindert wird. Waͤhrend des Sommers der noͤrdlichen Halbkugel, da in der ſuͤdlichen Winter iſt, wird die noͤrdliche Luft durch die Gegenwart der Sonne ausgedehnt, und leiſtet dem obern Strome einen ſtaͤrkern Widerſtand; daher wendet ſich dieſer Strom vorzuͤglich nach den ſuͤdlichen Regionen, es fließt weniger davon uͤber die noͤrdlichen; deshalb ſind bey uns im Sommer die Barometerveraͤnderungen geringer. Im Winter hingegen iſt der obere Strom vorzuͤglich nach der noͤrdlichen Halbkugel hin gerichtet, und deshalb werden bey uns in dieſer Jahreszeit die groͤßten Queckſilberhoͤhen gefunden. Der Strom haͤuft ſich da an, wo die Saͤulen der untern Luft am kaͤlteſten und folglich am kuͤrzeſten ſind, d. i. uͤber den Theilen von Aſien, welche oͤſtlich vom Caſpiſchen Meere bis zum Eismeere liegen, uͤber Nordamerika, welches kaͤlter, als das alte feſte Land iſt, und uͤber den Polarregionen. Daher ſteht das Barometer gewoͤhnlich in Nordamerika hoͤher, und veraͤndert ſich weniger, als bey uns: ſelbſt in der Hudſonsbay unter 59° Breite, wo das Wetter ſo ſtuͤrmiſch iſt, aͤndert ſich das Barometer nur um 1,37 Zoll (Philoſ. Trans. for the year 1770. p. 148.), da es ſich in Petersburg uͤber 2 Zolle veraͤndert. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0140" xml:id="P.5.128" n="128"/><lb/> Pole zu ergießen, wo ſie die Materie des <hi rendition="#b">Nord</hi> - und <hi rendition="#b">Suͤdlichts</hi> ausmacht, und bey dieſen Erſcheinungen durch Verbrennung zerſetzt wird. Dieſe Verbrennung ſieht er als die Hauptquelle der groͤßten Unruhen und Veraͤnderungen an, welche ſich in dem Gleichgewichte der Atmoſphaͤre zutragen.</p> <p>Hieraus erklaͤrt er nun zuerſt den Hauptumſtand, daß unter dem Aequator die Barometerveraͤnderungen faſt gaͤnzlich hinwegfallen, obgleich daſelbſt beſtaͤndig ſtarke Winde herrſchen. Zwiſchen den Wendekreiſen nemlich ſtroͤmt die brennbare Luft in der Hoͤhe in eben dem Maaße ab, in welchem in den untern Gegenden durch die Paſſatwinde noͤrdliche und ſuͤdliche Luft zugefuͤhret wird. Außerhalb der Wendekreiſe hingegen ſind wegen des groͤßern Unterſchiedes der mittlern Waͤrme und der Dichtigkeit die Stroͤme der obern Atmoſphaͤre ohne alle Vergleichung geſchwinder, und es muͤſſen haͤufige Unterbrechungen ſtatt finden, waͤhrend welcher das Gewicht der Atmoſphaͤre vermindert wird.</p> <p>Waͤhrend des Sommers der noͤrdlichen Halbkugel, da in der ſuͤdlichen Winter iſt, wird die noͤrdliche Luft durch die Gegenwart der Sonne ausgedehnt, und leiſtet dem obern Strome einen ſtaͤrkern Widerſtand; daher wendet ſich dieſer Strom vorzuͤglich nach den ſuͤdlichen Regionen, es fließt weniger davon uͤber die noͤrdlichen; deshalb ſind bey uns im Sommer die Barometerveraͤnderungen geringer. Im Winter hingegen iſt der obere Strom vorzuͤglich nach der noͤrdlichen Halbkugel hin gerichtet, und deshalb werden bey uns in dieſer Jahreszeit die groͤßten Queckſilberhoͤhen gefunden. Der Strom haͤuft ſich da an, wo die Saͤulen der untern Luft am kaͤlteſten und folglich am kuͤrzeſten ſind, d. i. uͤber den Theilen von Aſien, welche oͤſtlich vom Caſpiſchen Meere bis zum Eismeere liegen, uͤber Nordamerika, welches kaͤlter, als das alte feſte Land iſt, und uͤber den Polarregionen. Daher ſteht das Barometer gewoͤhnlich in Nordamerika hoͤher, und veraͤndert ſich weniger, als bey uns: ſelbſt in der Hudſonsbay unter 59° Breite, wo das Wetter ſo ſtuͤrmiſch iſt, aͤndert ſich das Barometer nur um 1,37 Zoll <hi rendition="#aq">(Philoſ. Trans. for the year 1770. p. 148.),</hi> da es ſich in Petersburg uͤber 2 Zolle veraͤndert.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0140]
Pole zu ergießen, wo ſie die Materie des Nord - und Suͤdlichts ausmacht, und bey dieſen Erſcheinungen durch Verbrennung zerſetzt wird. Dieſe Verbrennung ſieht er als die Hauptquelle der groͤßten Unruhen und Veraͤnderungen an, welche ſich in dem Gleichgewichte der Atmoſphaͤre zutragen.
Hieraus erklaͤrt er nun zuerſt den Hauptumſtand, daß unter dem Aequator die Barometerveraͤnderungen faſt gaͤnzlich hinwegfallen, obgleich daſelbſt beſtaͤndig ſtarke Winde herrſchen. Zwiſchen den Wendekreiſen nemlich ſtroͤmt die brennbare Luft in der Hoͤhe in eben dem Maaße ab, in welchem in den untern Gegenden durch die Paſſatwinde noͤrdliche und ſuͤdliche Luft zugefuͤhret wird. Außerhalb der Wendekreiſe hingegen ſind wegen des groͤßern Unterſchiedes der mittlern Waͤrme und der Dichtigkeit die Stroͤme der obern Atmoſphaͤre ohne alle Vergleichung geſchwinder, und es muͤſſen haͤufige Unterbrechungen ſtatt finden, waͤhrend welcher das Gewicht der Atmoſphaͤre vermindert wird.
Waͤhrend des Sommers der noͤrdlichen Halbkugel, da in der ſuͤdlichen Winter iſt, wird die noͤrdliche Luft durch die Gegenwart der Sonne ausgedehnt, und leiſtet dem obern Strome einen ſtaͤrkern Widerſtand; daher wendet ſich dieſer Strom vorzuͤglich nach den ſuͤdlichen Regionen, es fließt weniger davon uͤber die noͤrdlichen; deshalb ſind bey uns im Sommer die Barometerveraͤnderungen geringer. Im Winter hingegen iſt der obere Strom vorzuͤglich nach der noͤrdlichen Halbkugel hin gerichtet, und deshalb werden bey uns in dieſer Jahreszeit die groͤßten Queckſilberhoͤhen gefunden. Der Strom haͤuft ſich da an, wo die Saͤulen der untern Luft am kaͤlteſten und folglich am kuͤrzeſten ſind, d. i. uͤber den Theilen von Aſien, welche oͤſtlich vom Caſpiſchen Meere bis zum Eismeere liegen, uͤber Nordamerika, welches kaͤlter, als das alte feſte Land iſt, und uͤber den Polarregionen. Daher ſteht das Barometer gewoͤhnlich in Nordamerika hoͤher, und veraͤndert ſich weniger, als bey uns: ſelbſt in der Hudſonsbay unter 59° Breite, wo das Wetter ſo ſtuͤrmiſch iſt, aͤndert ſich das Barometer nur um 1,37 Zoll (Philoſ. Trans. for the year 1770. p. 148.), da es ſich in Petersburg uͤber 2 Zolle veraͤndert.
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