Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Newton giebt diesen Satz ohne Beweis, und er ist daher, immer mit Beybehaltung des Druckfehlers (der den Sinn ganz entstellt) von mehrern Schriftstellern, z. B. Martin (Philos. Britannica, Vol. III.), dem Grafen von Redern (Mem. de l'acad. de Prusse. 1760.), u. a. m. wiederholet worden, bis Matth. Young (Transact. of the Royal Irish Academy. Vol. IV. art. 11.) erst 1791 den Beweis der Formel aufgesucht, und den Fehler angezeigt hat.

Eulers schöner Gedanke, daß das Auge vermöge seiner Zusammensetzung aus verschiedenen Mitteln die Farbenverbreitung aufhebe, ist doch neuerlich von D. Maskelyne (An Attempt to explain a difficulty in the Theory of Vision depending on the different refrangibility of Light. Philos. Transact. for 1789. Vol. LXXIX. p. 256. übers. in Grens Journal der Phys. B. II. S. 370 u. f.) sehr in Zweifel gezogen worden. Dieser englische Gelehrte erzählt, es habe schon Dollond gegen ihn bemerkt, daß weder Eulers noch Newtons Theorie der Farbenverbreitung im Stande sey, die Deutlichkeit des menschlichen Gesichts auf diese Art zu erklären, indem die Brechungen in den verschiedenen Feuchtigkeiten des Auges alle nach einerley Seite geschähen, mithin die durch die erste Brechung entstandenen Farben durch die beyden folgenden, anstatt vermindert zu werden, vielmehr zunehmen müßten. Herr Maskelyne führt hierüber eine Rechnung, wozu die Data theils aus Petit's Angaben bey Iurin (s. Auge, Th. I. S. 191.), theils aus Hawksbee's Versuchen genommen sind, und findet dadurch nach Newtons Lehrsätzen, daß der Durchmesser des undeutlichen Kreises im menschlichen Auge einem äußern Winkel von 15' 8" zugehöre, und die wirkliche Undeutlichkeit im Auge 14 bis 15mal geringer, als in einem gemeinen dioptrischen Fernrohre, sey. Weil aber die Stralen in der Mitte des Zerstreuungskreises unendlich dichter, als am Rande, beysammen sind, und überdieses die blauen das Auge weit schwächer, als die gelben und rothen, rühren, so kan man nach Newton den Durchmesser des merklichen Zerstreuungskreises noch im Verhältnisse 250:55 herabsetzen, und folglich im Auge=3' 18" annehmen. Diese Undeutlichkeit


Newton giebt dieſen Satz ohne Beweis, und er iſt daher, immer mit Beybehaltung des Druckfehlers (der den Sinn ganz entſtellt) von mehrern Schriftſtellern, z. B. Martin (Philoſ. Britannica, Vol. III.), dem Grafen von Redern (Mém. de l'acad. de Pruſſe. 1760.), u. a. m. wiederholet worden, bis Matth. Young (Transact. of the Royal Iriſh Academy. Vol. IV. art. 11.) erſt 1791 den Beweis der Formel aufgeſucht, und den Fehler angezeigt hat.

Eulers ſchoͤner Gedanke, daß das Auge vermoͤge ſeiner Zuſammenſetzung aus verſchiedenen Mitteln die Farbenverbreitung aufhebe, iſt doch neuerlich von D. Maſkelyne (An Attempt to explain a difficulty in the Theory of Viſion depending on the different refrangibility of Light. Philoſ. Transact. for 1789. Vol. LXXIX. p. 256. uͤberſ. in Grens Journal der Phyſ. B. II. S. 370 u. f.) ſehr in Zweifel gezogen worden. Dieſer engliſche Gelehrte erzaͤhlt, es habe ſchon Dollond gegen ihn bemerkt, daß weder Eulers noch Newtons Theorie der Farbenverbreitung im Stande ſey, die Deutlichkeit des menſchlichen Geſichts auf dieſe Art zu erklaͤren, indem die Brechungen in den verſchiedenen Feuchtigkeiten des Auges alle nach einerley Seite geſchaͤhen, mithin die durch die erſte Brechung entſtandenen Farben durch die beyden folgenden, anſtatt vermindert zu werden, vielmehr zunehmen muͤßten. Herr Maſkelyne fuͤhrt hieruͤber eine Rechnung, wozu die Data theils aus Petit's Angaben bey Iurin (ſ. Auge, Th. I. S. 191.), theils aus Hawksbee's Verſuchen genommen ſind, und findet dadurch nach Newtons Lehrſaͤtzen, daß der Durchmeſſer des undeutlichen Kreiſes im menſchlichen Auge einem aͤußern Winkel von 15′ 8″ zugehoͤre, und die wirkliche Undeutlichkeit im Auge 14 bis 15mal geringer, als in einem gemeinen dioptriſchen Fernrohre, ſey. Weil aber die Stralen in der Mitte des Zerſtreuungskreiſes unendlich dichter, als am Rande, beyſammen ſind, und uͤberdieſes die blauen das Auge weit ſchwaͤcher, als die gelben und rothen, ruͤhren, ſo kan man nach Newton den Durchmeſſer des merklichen Zerſtreuungskreiſes noch im Verhaͤltniſſe 250:55 herabſetzen, und folglich im Auge=3′ 18″ annehmen. Dieſe Undeutlichkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p>
                <pb facs="#f0022" xml:id="P.5.10" n="10"/><lb/>
              </p>
              <p><hi rendition="#b">Newton</hi> giebt die&#x017F;en Satz ohne Beweis, und er i&#x017F;t daher, immer mit Beybehaltung des Druckfehlers (der den Sinn ganz ent&#x017F;tellt) von mehrern Schrift&#x017F;tellern, z. <hi rendition="#b">B. Martin</hi> <hi rendition="#aq">(Philo&#x017F;. Britannica, Vol. III.),</hi> dem Grafen <hi rendition="#b">von Redern</hi> <hi rendition="#aq">(Mém. de l'acad. de Pru&#x017F;&#x017F;e. 1760.),</hi> u. a. m. wiederholet worden, bis <hi rendition="#b">Matth. Young</hi> <hi rendition="#aq">(Transact. of the Royal Iri&#x017F;h Academy. Vol. IV. art. 11.)</hi> er&#x017F;t 1791 den Beweis der Formel aufge&#x017F;ucht, und den Fehler angezeigt hat.</p>
              <p><hi rendition="#b">Eulers</hi> &#x017F;cho&#x0364;ner Gedanke, daß das Auge vermo&#x0364;ge &#x017F;einer Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung aus ver&#x017F;chiedenen Mitteln die Farbenverbreitung aufhebe, i&#x017F;t doch neuerlich von D. <hi rendition="#b">Ma&#x017F;kelyne</hi> <hi rendition="#aq">(An Attempt to explain a difficulty in the Theory of Vi&#x017F;ion depending on the different refrangibility of Light. Philo&#x017F;. Transact. for 1789. Vol. LXXIX. p. 256.</hi> u&#x0364;ber&#x017F;. in <hi rendition="#b">Grens</hi> Journal der Phy&#x017F;. B. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 370 u. f.) &#x017F;ehr in Zweifel gezogen worden. Die&#x017F;er engli&#x017F;che Gelehrte erza&#x0364;hlt, es habe &#x017F;chon <hi rendition="#b">Dollond</hi> gegen ihn bemerkt, daß weder <hi rendition="#b">Eulers</hi> noch <hi rendition="#b">Newtons</hi> Theorie der Farbenverbreitung im Stande &#x017F;ey, die Deutlichkeit des men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;ichts auf die&#x017F;e Art zu erkla&#x0364;ren, indem die Brechungen in den ver&#x017F;chiedenen Feuchtigkeiten des Auges alle nach einerley Seite ge&#x017F;cha&#x0364;hen, mithin die durch die er&#x017F;te Brechung ent&#x017F;tandenen Farben durch die beyden folgenden, an&#x017F;tatt vermindert zu werden, vielmehr zunehmen mu&#x0364;ßten. Herr <hi rendition="#b">Ma&#x017F;kelyne</hi> fu&#x0364;hrt hieru&#x0364;ber eine Rechnung, wozu die Data theils aus Petit's Angaben bey Iurin (&#x017F;. <hi rendition="#b">Auge,</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 191.), theils aus Hawksbee's Ver&#x017F;uchen genommen &#x017F;ind, und findet dadurch nach <hi rendition="#b">Newtons</hi> Lehr&#x017F;a&#x0364;tzen, daß der Durchme&#x017F;&#x017F;er des undeutlichen Krei&#x017F;es im men&#x017F;chlichen Auge einem a&#x0364;ußern Winkel von 15&#x2032; 8&#x2033; zugeho&#x0364;re, und die wirkliche Undeutlichkeit im Auge 14 bis 15mal geringer, als in einem gemeinen dioptri&#x017F;chen Fernrohre, &#x017F;ey. Weil aber die Stralen in der Mitte des Zer&#x017F;treuungskrei&#x017F;es unendlich dichter, als am Rande, bey&#x017F;ammen &#x017F;ind, und u&#x0364;berdie&#x017F;es die blauen das Auge weit &#x017F;chwa&#x0364;cher, als die gelben und rothen, ru&#x0364;hren, &#x017F;o kan man nach <hi rendition="#b">Newton</hi> den Durchme&#x017F;&#x017F;er des merklichen Zer&#x017F;treuungskrei&#x017F;es noch im Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e 250:55 herab&#x017F;etzen, und folglich im Auge=3&#x2032; 18&#x2033; annehmen. Die&#x017F;e Undeutlichkeit<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0022] Newton giebt dieſen Satz ohne Beweis, und er iſt daher, immer mit Beybehaltung des Druckfehlers (der den Sinn ganz entſtellt) von mehrern Schriftſtellern, z. B. Martin (Philoſ. Britannica, Vol. III.), dem Grafen von Redern (Mém. de l'acad. de Pruſſe. 1760.), u. a. m. wiederholet worden, bis Matth. Young (Transact. of the Royal Iriſh Academy. Vol. IV. art. 11.) erſt 1791 den Beweis der Formel aufgeſucht, und den Fehler angezeigt hat. Eulers ſchoͤner Gedanke, daß das Auge vermoͤge ſeiner Zuſammenſetzung aus verſchiedenen Mitteln die Farbenverbreitung aufhebe, iſt doch neuerlich von D. Maſkelyne (An Attempt to explain a difficulty in the Theory of Viſion depending on the different refrangibility of Light. Philoſ. Transact. for 1789. Vol. LXXIX. p. 256. uͤberſ. in Grens Journal der Phyſ. B. II. S. 370 u. f.) ſehr in Zweifel gezogen worden. Dieſer engliſche Gelehrte erzaͤhlt, es habe ſchon Dollond gegen ihn bemerkt, daß weder Eulers noch Newtons Theorie der Farbenverbreitung im Stande ſey, die Deutlichkeit des menſchlichen Geſichts auf dieſe Art zu erklaͤren, indem die Brechungen in den verſchiedenen Feuchtigkeiten des Auges alle nach einerley Seite geſchaͤhen, mithin die durch die erſte Brechung entſtandenen Farben durch die beyden folgenden, anſtatt vermindert zu werden, vielmehr zunehmen muͤßten. Herr Maſkelyne fuͤhrt hieruͤber eine Rechnung, wozu die Data theils aus Petit's Angaben bey Iurin (ſ. Auge, Th. I. S. 191.), theils aus Hawksbee's Verſuchen genommen ſind, und findet dadurch nach Newtons Lehrſaͤtzen, daß der Durchmeſſer des undeutlichen Kreiſes im menſchlichen Auge einem aͤußern Winkel von 15′ 8″ zugehoͤre, und die wirkliche Undeutlichkeit im Auge 14 bis 15mal geringer, als in einem gemeinen dioptriſchen Fernrohre, ſey. Weil aber die Stralen in der Mitte des Zerſtreuungskreiſes unendlich dichter, als am Rande, beyſammen ſind, und uͤberdieſes die blauen das Auge weit ſchwaͤcher, als die gelben und rothen, ruͤhren, ſo kan man nach Newton den Durchmeſſer des merklichen Zerſtreuungskreiſes noch im Verhaͤltniſſe 250:55 herabſetzen, und folglich im Auge=3′ 18″ annehmen. Dieſe Undeutlichkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/22
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/22>, abgerufen am 21.11.2024.