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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Wasserthermometer, bey welchem die Ausdehnung um den Gefrierpunkt sehr gering ist, in den höhern Temperaturen aber immer schneller zunimmt, s. Thermometer (Th. IV. S. 328.). Wenn sich nemlich die Theilchen nahe sind, so hat das Feuer große Mühe, sie von einander zu entfernen; je weiter sie aber schon entfernt sind, desto leichter wird es, sie noch mehr aus einander zu bringen. Hierinn liegt ein auszeichnendes Merkmal eines Bestrebens nach Entfernung, welches das Feuer ausübt. Werden die Wassertheilchen durch Verwandtschaft anderer damit verbundener Substanzen weiter auseinander gehalten, wie z. B. bey Salzwasser, so gefrieren sie später, weil sie sich erst so weit nähern müssen, daß die Verwandtschaft mit den Salztheilen durch die Anziehung der Wassertheile unter einander selbst überwunden werden kan.

Eben so zersetzen sich die Wasserdünste, wenn sich ihre Theilchen so nahe kommen, daß ihre Anziehung unter sich stärker wird, als das Bestreben des Feuers, sie aus einander zu treiben. Hieraus entspringt ein fester Punkt in ihrer Dichtigkeit, der bey einerley Temperatur immer derselbe ist. Bey veränderter Temperatur aber verändert sich auch dieser Punkt; bey mehr Hitze z. B. müssen die Dämpfe weit dichter werden, ehe sie anfangen, sie zu zersetzen, weil das Bestreben des Feuers stärker ist, und die Anziehung durch größere Nähe der Theile verstärkt werden muß, wenn sie es überwinden soll.

Der Wasserdunst ist nur im Ganzen etwas bleibendes; seine Theilchen erleiden beständige Veränderungen. Wassertheilchen, die sich so nahe kommen, daß sie sich verbinden können, veranlassen eine Zersetzung; stößt ihnen aber im Augenblicke dieser Zersetzung neues Feuer auf, so werden sie wieder zu Dunst. Der bleibende Zustand der ganzen Masse ist also nur der, wo sich die Zersetzungen und Wiedervereinigungen in den Theilen das Gleichgewicht halten; bey gegebner Temperatur ist der Grad der Dichtigkeit oder der mittlere Abstand der Theilchen, bey dem diese Aufhebung statt findet, bestimmt. Bey wärmerer Temperatur entsteht Hang nach neuen Vereinigungen, und es wird dadurch jenes


Waſſerthermometer, bey welchem die Ausdehnung um den Gefrierpunkt ſehr gering iſt, in den hoͤhern Temperaturen aber immer ſchneller zunimmt, ſ. Thermometer (Th. IV. S. 328.). Wenn ſich nemlich die Theilchen nahe ſind, ſo hat das Feuer große Muͤhe, ſie von einander zu entfernen; je weiter ſie aber ſchon entfernt ſind, deſto leichter wird es, ſie noch mehr aus einander zu bringen. Hierinn liegt ein auszeichnendes Merkmal eines Beſtrebens nach Entfernung, welches das Feuer ausuͤbt. Werden die Waſſertheilchen durch Verwandtſchaft anderer damit verbundener Subſtanzen weiter auseinander gehalten, wie z. B. bey Salzwaſſer, ſo gefrieren ſie ſpaͤter, weil ſie ſich erſt ſo weit naͤhern muͤſſen, daß die Verwandtſchaft mit den Salztheilen durch die Anziehung der Waſſertheile unter einander ſelbſt uͤberwunden werden kan.

Eben ſo zerſetzen ſich die Waſſerduͤnſte, wenn ſich ihre Theilchen ſo nahe kommen, daß ihre Anziehung unter ſich ſtaͤrker wird, als das Beſtreben des Feuers, ſie aus einander zu treiben. Hieraus entſpringt ein feſter Punkt in ihrer Dichtigkeit, der bey einerley Temperatur immer derſelbe iſt. Bey veraͤnderter Temperatur aber veraͤndert ſich auch dieſer Punkt; bey mehr Hitze z. B. muͤſſen die Daͤmpfe weit dichter werden, ehe ſie anfangen, ſie zu zerſetzen, weil das Beſtreben des Feuers ſtaͤrker iſt, und die Anziehung durch groͤßere Naͤhe der Theile verſtaͤrkt werden muß, wenn ſie es uͤberwinden ſoll.

Der Waſſerdunſt iſt nur im Ganzen etwas bleibendes; ſeine Theilchen erleiden beſtaͤndige Veraͤnderungen. Waſſertheilchen, die ſich ſo nahe kommen, daß ſie ſich verbinden koͤnnen, veranlaſſen eine Zerſetzung; ſtoͤßt ihnen aber im Augenblicke dieſer Zerſetzung neues Feuer auf, ſo werden ſie wieder zu Dunſt. Der bleibende Zuſtand der ganzen Maſſe iſt alſo nur der, wo ſich die Zerſetzungen und Wiedervereinigungen in den Theilen das Gleichgewicht halten; bey gegebner Temperatur iſt der Grad der Dichtigkeit oder der mittlere Abſtand der Theilchen, bey dem dieſe Aufhebung ſtatt findet, beſtimmt. Bey waͤrmerer Temperatur entſteht Hang nach neuen Vereinigungen, und es wird dadurch jenes

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[208/0220] Waſſerthermometer, bey welchem die Ausdehnung um den Gefrierpunkt ſehr gering iſt, in den hoͤhern Temperaturen aber immer ſchneller zunimmt, ſ. Thermometer (Th. IV. S. 328.). Wenn ſich nemlich die Theilchen nahe ſind, ſo hat das Feuer große Muͤhe, ſie von einander zu entfernen; je weiter ſie aber ſchon entfernt ſind, deſto leichter wird es, ſie noch mehr aus einander zu bringen. Hierinn liegt ein auszeichnendes Merkmal eines Beſtrebens nach Entfernung, welches das Feuer ausuͤbt. Werden die Waſſertheilchen durch Verwandtſchaft anderer damit verbundener Subſtanzen weiter auseinander gehalten, wie z. B. bey Salzwaſſer, ſo gefrieren ſie ſpaͤter, weil ſie ſich erſt ſo weit naͤhern muͤſſen, daß die Verwandtſchaft mit den Salztheilen durch die Anziehung der Waſſertheile unter einander ſelbſt uͤberwunden werden kan. Eben ſo zerſetzen ſich die Waſſerduͤnſte, wenn ſich ihre Theilchen ſo nahe kommen, daß ihre Anziehung unter ſich ſtaͤrker wird, als das Beſtreben des Feuers, ſie aus einander zu treiben. Hieraus entſpringt ein feſter Punkt in ihrer Dichtigkeit, der bey einerley Temperatur immer derſelbe iſt. Bey veraͤnderter Temperatur aber veraͤndert ſich auch dieſer Punkt; bey mehr Hitze z. B. muͤſſen die Daͤmpfe weit dichter werden, ehe ſie anfangen, ſie zu zerſetzen, weil das Beſtreben des Feuers ſtaͤrker iſt, und die Anziehung durch groͤßere Naͤhe der Theile verſtaͤrkt werden muß, wenn ſie es uͤberwinden ſoll. Der Waſſerdunſt iſt nur im Ganzen etwas bleibendes; ſeine Theilchen erleiden beſtaͤndige Veraͤnderungen. Waſſertheilchen, die ſich ſo nahe kommen, daß ſie ſich verbinden koͤnnen, veranlaſſen eine Zerſetzung; ſtoͤßt ihnen aber im Augenblicke dieſer Zerſetzung neues Feuer auf, ſo werden ſie wieder zu Dunſt. Der bleibende Zuſtand der ganzen Maſſe iſt alſo nur der, wo ſich die Zerſetzungen und Wiedervereinigungen in den Theilen das Gleichgewicht halten; bey gegebner Temperatur iſt der Grad der Dichtigkeit oder der mittlere Abſtand der Theilchen, bey dem dieſe Aufhebung ſtatt findet, beſtimmt. Bey waͤrmerer Temperatur entſteht Hang nach neuen Vereinigungen, und es wird dadurch jenes

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/220>, abgerufen am 24.11.2024.