Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.Wenn nach Galvani jeder Muskel einer leidner Flasche ähnlich ist, und durch eine leitende Verbindung seiner äußern und innern Fläche entladen wird; woher nehmen die Muskeln das Vermögen, die Zusammenziehungen so oft und lange zu wiederholen, da doch kein Grund da ist, warum nach einer Entladuung das Innere wieder von neuem + E erhalten sollte? Warum erfolgen die Contractionen auch dann, wenn blos Nerven, oder blos die Muskeln auf ihrer äußern Fläche, mit verschiedenen Metallen belegt werden; und warum erfolgen sie nicht, wenn die Extremitäten mit den belegten Cruralnerven ins Wasser getaucht werden, da doch hier offenbar eine leitende Verbindung zwischen innerer und äußerer Fläche der Muskeln statt findet? Auch würde sich nach dieser Theorie der unläugbar große Einfluß der Verschiedenheit der Metalle und ihrer Leitungskraft gar nicht erklären lassen, da nach ihr die Wirkung vielmehr dann am stärksten seyn müßte, wenn die Verbindung durch den besten Leiter, also durch ein einziges Metall, gemacht würde. Wenn hingegen nach Valli die elektrische Materie in den Nerven von Natur angehäuft seyn, und durch ihren Uebergang in die Muskeln als unmittelbare Ursache die Zusammenziehungen erregen soll, so widerspricht nicht nur eine solche Anhäufung der freyen elektrischen Materie in einem leitenden mit andern Leitern umgebnen Körper aller Analogie, sondern es läßt sich auch damit der Satz nicht vereinigen, daß die Elektricität blos als Reizungsmittel der Nerven wirke, welchen doch die im vorigen angeführten Gründe sehr wahrscheinlich machen. Es bleibt also nichts übrig, als anzunehmen, daß die Elektricität von außen her, erst während der Versuche, erregt werde, und durch den Nervenreiz die Phänomene hervorbringe. Volta leitet ihre Erregung unmittelbar von der Berührung zweyer verschiedenen Metalle mit feuchten Theilen her. "Die Metalle, sagt er, sind nicht blos als Leiter, "sondern als wahre Beweger (motori) der Elektricität zu "betrachten. Durch ihre bloße mehr oder weniger ausge"dehnte Berührung und Anlegung an andere minder voll"kommne Leiter heben sie das Gleichgewicht der elektrischen Wenn nach Galvani jeder Muskel einer leidner Flaſche aͤhnlich iſt, und durch eine leitende Verbindung ſeiner aͤußern und innern Flaͤche entladen wird; woher nehmen die Muskeln das Vermoͤgen, die Zuſammenziehungen ſo oft und lange zu wiederholen, da doch kein Grund da iſt, warum nach einer Entladuung das Innere wieder von neuem + E erhalten ſollte? Warum erfolgen die Contractionen auch dann, wenn blos Nerven, oder blos die Muskeln auf ihrer aͤußern Flaͤche, mit verſchiedenen Metallen belegt werden; und warum erfolgen ſie nicht, wenn die Extremitaͤten mit den belegten Cruralnerven ins Waſſer getaucht werden, da doch hier offenbar eine leitende Verbindung zwiſchen innerer und aͤußerer Flaͤche der Muskeln ſtatt findet? Auch wuͤrde ſich nach dieſer Theorie der unlaͤugbar große Einfluß der Verſchiedenheit der Metalle und ihrer Leitungskraft gar nicht erklaͤren laſſen, da nach ihr die Wirkung vielmehr dann am ſtaͤrkſten ſeyn muͤßte, wenn die Verbindung durch den beſten Leiter, alſo durch ein einziges Metall, gemacht wuͤrde. Wenn hingegen nach Valli die elektriſche Materie in den Nerven von Natur angehaͤuft ſeyn, und durch ihren Uebergang in die Muskeln als unmittelbare Urſache die Zuſammenziehungen erregen ſoll, ſo widerſpricht nicht nur eine ſolche Anhaͤufung der freyen elektriſchen Materie in einem leitenden mit andern Leitern umgebnen Koͤrper aller Analogie, ſondern es laͤßt ſich auch damit der Satz nicht vereinigen, daß die Elektricitaͤt blos als Reizungsmittel der Nerven wirke, welchen doch die im vorigen angefuͤhrten Gruͤnde ſehr wahrſcheinlich machen. Es bleibt alſo nichts uͤbrig, als anzunehmen, daß die Elektricitaͤt von außen her, erſt waͤhrend der Verſuche, erregt werde, und durch den Nervenreiz die Phaͤnomene hervorbringe. Volta leitet ihre Erregung unmittelbar von der Beruͤhrung zweyer verſchiedenen Metalle mit feuchten Theilen her. ”Die Metalle, ſagt er, ſind nicht blos als Leiter, ”ſondern als wahre Beweger (motori) der Elektricitaͤt zu ”betrachten. 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Auch wuͤrde ſich nach dieſer Theorie der unlaͤugbar große Einfluß der Verſchiedenheit der Metalle und ihrer Leitungskraft gar nicht erklaͤren laſſen, da nach ihr die Wirkung vielmehr dann am ſtaͤrkſten ſeyn muͤßte, wenn die Verbindung durch den beſten Leiter, alſo durch ein einziges Metall, gemacht wuͤrde.</p> <p>Wenn hingegen nach <hi rendition="#b">Valli</hi> die elektriſche Materie in den Nerven von Natur angehaͤuft ſeyn, und durch ihren Uebergang in die Muskeln als unmittelbare Urſache die Zuſammenziehungen erregen ſoll, ſo widerſpricht nicht nur eine ſolche Anhaͤufung der freyen elektriſchen Materie in einem leitenden mit andern Leitern umgebnen Koͤrper aller Analogie, ſondern es laͤßt ſich auch damit der Satz nicht vereinigen, daß die Elektricitaͤt blos als Reizungsmittel der Nerven wirke, welchen doch die im vorigen angefuͤhrten Gruͤnde ſehr wahrſcheinlich machen.</p> <p>Es bleibt alſo nichts uͤbrig, als anzunehmen, daß die Elektricitaͤt von außen her, erſt waͤhrend der Verſuche, erregt werde, und durch den Nervenreiz die Phaͤnomene hervorbringe. <hi rendition="#b">Volta</hi> leitet ihre Erregung unmittelbar von der Beruͤhrung zweyer verſchiedenen Metalle mit feuchten Theilen her. ”Die Metalle, ſagt er, ſind nicht blos als <hi rendition="#b">Leiter,</hi> ”ſondern als wahre <hi rendition="#b">Beweger</hi> <hi rendition="#aq">(motori)</hi> der Elektricitaͤt zu ”betrachten. 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Wenn nach Galvani jeder Muskel einer leidner Flaſche aͤhnlich iſt, und durch eine leitende Verbindung ſeiner aͤußern und innern Flaͤche entladen wird; woher nehmen die Muskeln das Vermoͤgen, die Zuſammenziehungen ſo oft und lange zu wiederholen, da doch kein Grund da iſt, warum nach einer Entladuung das Innere wieder von neuem + E erhalten ſollte? Warum erfolgen die Contractionen auch dann, wenn blos Nerven, oder blos die Muskeln auf ihrer aͤußern Flaͤche, mit verſchiedenen Metallen belegt werden; und warum erfolgen ſie nicht, wenn die Extremitaͤten mit den belegten Cruralnerven ins Waſſer getaucht werden, da doch hier offenbar eine leitende Verbindung zwiſchen innerer und aͤußerer Flaͤche der Muskeln ſtatt findet? Auch wuͤrde ſich nach dieſer Theorie der unlaͤugbar große Einfluß der Verſchiedenheit der Metalle und ihrer Leitungskraft gar nicht erklaͤren laſſen, da nach ihr die Wirkung vielmehr dann am ſtaͤrkſten ſeyn muͤßte, wenn die Verbindung durch den beſten Leiter, alſo durch ein einziges Metall, gemacht wuͤrde.
Wenn hingegen nach Valli die elektriſche Materie in den Nerven von Natur angehaͤuft ſeyn, und durch ihren Uebergang in die Muskeln als unmittelbare Urſache die Zuſammenziehungen erregen ſoll, ſo widerſpricht nicht nur eine ſolche Anhaͤufung der freyen elektriſchen Materie in einem leitenden mit andern Leitern umgebnen Koͤrper aller Analogie, ſondern es laͤßt ſich auch damit der Satz nicht vereinigen, daß die Elektricitaͤt blos als Reizungsmittel der Nerven wirke, welchen doch die im vorigen angefuͤhrten Gruͤnde ſehr wahrſcheinlich machen.
Es bleibt alſo nichts uͤbrig, als anzunehmen, daß die Elektricitaͤt von außen her, erſt waͤhrend der Verſuche, erregt werde, und durch den Nervenreiz die Phaͤnomene hervorbringe. Volta leitet ihre Erregung unmittelbar von der Beruͤhrung zweyer verſchiedenen Metalle mit feuchten Theilen her. ”Die Metalle, ſagt er, ſind nicht blos als Leiter, ”ſondern als wahre Beweger (motori) der Elektricitaͤt zu ”betrachten. Durch ihre bloße mehr oder weniger ausge”dehnte Beruͤhrung und Anlegung an andere minder voll”kommne Leiter heben ſie das Gleichgewicht der elektriſchen
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