Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


"noch seltsamer. Keine vegetabilische Substanz (eine einzige "ausgenommen) dient zu diesem Nerven-Flicken. Und die"ses ist--rathen sie, welche? -- Helvella mitra, die gewöhn"liche Morchel. Sie allein (denn mit andern Schwämmen "will es nicht gelingen) verhält sich völlig, wie die thierischen "Substanzen. Ja, die Morchel braucht nur allein den Zink "zu berühren; liegt dann der Nerve auf der Morchel, so "gelingt der Versuch. Man kan sich nicht verwehren, bey "diesem Versuche an die starke Nahrhaftigkeit der Morcheln "und ihre erleichterte Assimilation mit dem thierischen Kör"per zu denken." Diese Entdeckung ist in der That sehr wichtig; vielleicht lassen sich durch fortgesetzte Versuche, besonders unter denjenigen Substanzen des Pflanzenreichs, welche viel glutinösen Stoff enthalten, noch mehrere entdecken, welche auch in dieser Hinsicht |den thierischen ähnlich sind.

Uebrigens gehört zu diesem Artikel noch folgende Beobachtung (s. Gothaisches Magazin für das Neuste aus der Physik u. Naturg. VIII. B. 3. St. S. 121.). D. Cotugni in Neapel faßte eine kleine Hausmaus mit Daumen und Vorderfinger an der Rückenhaut, und hielt sie mit dem Unterleibe aufwärts, um sie lebendig zu anatomiren. Kaum war ein Theil der Haut durchschnitten, als die Maus den Schwanz heftig gegen seinen dritten Finger bewegte, und ihm einen Stoß durch den ganzen Arm, mit einem innern Zittern, Schmerz in der Schulter, und Erschütterung des Kopfes beybrachte. Dieser Krampf hielt über eine Viertelstunde an, und der Beobachter gesteht, daß schon die Erinnerung daran ihm Abscheu erwecke. Man würde also die Maus den Thieren beyzählen müssen, welche elektrische Erschütterungen hervorzubringen geschickt sind, dergleichen man bisher nur unter der Classe der Fische gefunden hat. Vor allem andern wären wohl noch mehr Erfahrungen hierüber zu erwarten: denn die angeführte bleibt dem Verdachte ausgesetzt, daß bey der Stellung des Beobachters und bey dem Sträuben des Thiers die krampfhafte Erschütterung von einer gezwungnen Bewegung des Arms entstanden seyn könnte.


”noch ſeltſamer. Keine vegetabiliſche Subſtanz (eine einzige ”ausgenommen) dient zu dieſem Nerven-Flicken. Und die”ſes iſt—rathen ſie, welche? — Helvella mitra, die gewoͤhn”liche Morchel. Sie allein (denn mit andern Schwaͤmmen ”will es nicht gelingen) verhaͤlt ſich voͤllig, wie die thieriſchen ”Subſtanzen. Ja, die Morchel braucht nur allein den Zink ”zu beruͤhren; liegt dann der Nerve auf der Morchel, ſo ”gelingt der Verſuch. Man kan ſich nicht verwehren, bey ”dieſem Verſuche an die ſtarke Nahrhaftigkeit der Morcheln ”und ihre erleichterte Aſſimilation mit dem thieriſchen Koͤr”per zu denken.“ Dieſe Entdeckung iſt in der That ſehr wichtig; vielleicht laſſen ſich durch fortgeſetzte Verſuche, beſonders unter denjenigen Subſtanzen des Pflanzenreichs, welche viel glutinoͤſen Stoff enthalten, noch mehrere entdecken, welche auch in dieſer Hinſicht |den thieriſchen aͤhnlich ſind.

Uebrigens gehoͤrt zu dieſem Artikel noch folgende Beobachtung (ſ. Gothaiſches Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik u. Naturg. VIII. B. 3. St. S. 121.). D. Cotugni in Neapel faßte eine kleine Hausmaus mit Daumen und Vorderfinger an der Ruͤckenhaut, und hielt ſie mit dem Unterleibe aufwaͤrts, um ſie lebendig zu anatomiren. Kaum war ein Theil der Haut durchſchnitten, als die Maus den Schwanz heftig gegen ſeinen dritten Finger bewegte, und ihm einen Stoß durch den ganzen Arm, mit einem innern Zittern, Schmerz in der Schulter, und Erſchuͤtterung des Kopfes beybrachte. Dieſer Krampf hielt uͤber eine Viertelſtunde an, und der Beobachter geſteht, daß ſchon die Erinnerung daran ihm Abſcheu erwecke. Man wuͤrde alſo die Maus den Thieren beyzaͤhlen muͤſſen, welche elektriſche Erſchuͤtterungen hervorzubringen geſchickt ſind, dergleichen man bisher nur unter der Claſſe der Fiſche gefunden hat. Vor allem andern waͤren wohl noch mehr Erfahrungen hieruͤber zu erwarten: denn die angefuͤhrte bleibt dem Verdachte ausgeſetzt, daß bey der Stellung des Beobachters und bey dem Straͤuben des Thiers die krampfhafte Erſchuͤtterung von einer gezwungnen Bewegung des Arms entſtanden ſeyn koͤnnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0307" xml:id="P.5.295" n="295"/><lb/>
&#x201D;noch &#x017F;elt&#x017F;amer. Keine vegetabili&#x017F;che Sub&#x017F;tanz (eine einzige &#x201D;ausgenommen) dient zu die&#x017F;em Nerven-Flicken. Und die&#x201D;&#x017F;es i&#x017F;t&#x2014;rathen &#x017F;ie, welche? &#x2014; <hi rendition="#aq">Helvella mitra,</hi> die gewo&#x0364;hn&#x201D;liche <hi rendition="#b">Morchel.</hi> Sie allein (denn mit andern Schwa&#x0364;mmen &#x201D;will es nicht gelingen) verha&#x0364;lt &#x017F;ich vo&#x0364;llig, wie die thieri&#x017F;chen &#x201D;Sub&#x017F;tanzen. Ja, die Morchel braucht nur allein den Zink &#x201D;zu beru&#x0364;hren; liegt dann der Nerve auf der Morchel, &#x017F;o &#x201D;gelingt der Ver&#x017F;uch. Man kan &#x017F;ich nicht verwehren, bey &#x201D;die&#x017F;em Ver&#x017F;uche an die &#x017F;tarke Nahrhaftigkeit der Morcheln &#x201D;und ihre erleichterte A&#x017F;&#x017F;imilation mit dem thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;r&#x201D;per zu denken.&#x201C; Die&#x017F;e Entdeckung i&#x017F;t in der That &#x017F;ehr wichtig; vielleicht la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich durch fortge&#x017F;etzte Ver&#x017F;uche, be&#x017F;onders unter denjenigen Sub&#x017F;tanzen des Pflanzenreichs, welche viel glutino&#x0364;&#x017F;en Stoff enthalten, noch mehrere entdecken, welche auch in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht |den thieri&#x017F;chen a&#x0364;hnlich &#x017F;ind.</p>
              <p>Uebrigens geho&#x0364;rt zu die&#x017F;em Artikel noch folgende Beobachtung (&#x017F;. Gothai&#x017F;ches Magazin fu&#x0364;r das Neu&#x017F;te aus der Phy&#x017F;ik u. Naturg. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> B. 3. St. S. 121.). D. <hi rendition="#b">Cotugni</hi> in Neapel faßte eine kleine Hausmaus mit Daumen und Vorderfinger an der Ru&#x0364;ckenhaut, und hielt &#x017F;ie mit dem Unterleibe aufwa&#x0364;rts, um &#x017F;ie lebendig zu anatomiren. Kaum war ein Theil der Haut durch&#x017F;chnitten, als die Maus den Schwanz heftig gegen &#x017F;einen dritten Finger bewegte, und ihm einen Stoß durch den ganzen Arm, mit einem innern Zittern, Schmerz in der Schulter, und Er&#x017F;chu&#x0364;tterung des Kopfes beybrachte. Die&#x017F;er Krampf hielt u&#x0364;ber eine Viertel&#x017F;tunde an, und der Beobachter ge&#x017F;teht, daß &#x017F;chon die Erinnerung daran ihm Ab&#x017F;cheu erwecke. Man wu&#x0364;rde al&#x017F;o die Maus den Thieren beyza&#x0364;hlen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, welche elektri&#x017F;che Er&#x017F;chu&#x0364;tterungen hervorzubringen ge&#x017F;chickt &#x017F;ind, dergleichen man bisher nur unter der Cla&#x017F;&#x017F;e der Fi&#x017F;che gefunden hat. Vor allem andern wa&#x0364;ren wohl noch mehr Erfahrungen hieru&#x0364;ber zu erwarten: denn die angefu&#x0364;hrte bleibt dem Verdachte ausge&#x017F;etzt, daß bey der Stellung des Beobachters und bey dem Stra&#x0364;uben des Thiers die krampfhafte Er&#x017F;chu&#x0364;tterung von einer gezwungnen Bewegung des Arms ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0307] ”noch ſeltſamer. Keine vegetabiliſche Subſtanz (eine einzige ”ausgenommen) dient zu dieſem Nerven-Flicken. Und die”ſes iſt—rathen ſie, welche? — Helvella mitra, die gewoͤhn”liche Morchel. Sie allein (denn mit andern Schwaͤmmen ”will es nicht gelingen) verhaͤlt ſich voͤllig, wie die thieriſchen ”Subſtanzen. Ja, die Morchel braucht nur allein den Zink ”zu beruͤhren; liegt dann der Nerve auf der Morchel, ſo ”gelingt der Verſuch. Man kan ſich nicht verwehren, bey ”dieſem Verſuche an die ſtarke Nahrhaftigkeit der Morcheln ”und ihre erleichterte Aſſimilation mit dem thieriſchen Koͤr”per zu denken.“ Dieſe Entdeckung iſt in der That ſehr wichtig; vielleicht laſſen ſich durch fortgeſetzte Verſuche, beſonders unter denjenigen Subſtanzen des Pflanzenreichs, welche viel glutinoͤſen Stoff enthalten, noch mehrere entdecken, welche auch in dieſer Hinſicht |den thieriſchen aͤhnlich ſind. Uebrigens gehoͤrt zu dieſem Artikel noch folgende Beobachtung (ſ. Gothaiſches Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik u. Naturg. VIII. B. 3. St. S. 121.). D. Cotugni in Neapel faßte eine kleine Hausmaus mit Daumen und Vorderfinger an der Ruͤckenhaut, und hielt ſie mit dem Unterleibe aufwaͤrts, um ſie lebendig zu anatomiren. Kaum war ein Theil der Haut durchſchnitten, als die Maus den Schwanz heftig gegen ſeinen dritten Finger bewegte, und ihm einen Stoß durch den ganzen Arm, mit einem innern Zittern, Schmerz in der Schulter, und Erſchuͤtterung des Kopfes beybrachte. Dieſer Krampf hielt uͤber eine Viertelſtunde an, und der Beobachter geſteht, daß ſchon die Erinnerung daran ihm Abſcheu erwecke. Man wuͤrde alſo die Maus den Thieren beyzaͤhlen muͤſſen, welche elektriſche Erſchuͤtterungen hervorzubringen geſchickt ſind, dergleichen man bisher nur unter der Claſſe der Fiſche gefunden hat. Vor allem andern waͤren wohl noch mehr Erfahrungen hieruͤber zu erwarten: denn die angefuͤhrte bleibt dem Verdachte ausgeſetzt, daß bey der Stellung des Beobachters und bey dem Straͤuben des Thiers die krampfhafte Erſchuͤtterung von einer gezwungnen Bewegung des Arms entſtanden ſeyn koͤnnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/307
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/307>, abgerufen am 21.11.2024.