Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


des Stickgas und der brennbaren Luft, oder nach der neuern Sprache aus Stickstoff (Azote) und Wasserstoff (Hydrogen), und zwar im Verhältnisse 6 : 1, zusammengesetzt, wiewohl neuere Untersuchungen das Verhältniß 4 : 1 angeben, oder noch bestimmter zu 100 Theilen Ammoniak 80,66 Theile Azote und 19,34 Theile Hydrogen erfordern.

Man erweiset im antiphlogistischen System diese Zusammensetzung des Ammoniaks durch eine Menge analytischer und synthetischer Versuche, wovon hier einige anzuführen sind.

Man fülle eine ganz kleine Retorte mit Quecksilber, und lasse alsdann Ammoniakgas (urinöse Luft) hineingehen, so daß die Retorte damit ganz angefüllt wird, und das Quecksilber in den Hals derselben zurücktritt, welchen man mit dem Quecksilberapparat verbindet. Man bringe nun unter dem Quecksilber etwas weißen Bleykalk in die Retorte, so daß derselbe an den Boden der Retorte in das Gas fällt und das Quecksilber nicht berührt. Hält man alsdann die Flamme eines Wachslichts unter die Stelle, wo der Bleykalk liegt, so wird derselbe in ein Bleykorn verwandelt (reducirt), es entstehen einige Tropfen Wasser, und statt des Ammoniakgas bleibt Stickgas zurück, welches einen größern Umfang hat, und daher das Quecksilber aus dem Halse der Retorte heraustreibt. Der Sauerstoff, sagen die Antiphlogistiker, verläßt den Bleykalk, und verbindet sich mit einem Theile des Ammoniaks zu Wasser; der andere Bestandtheil, der Stickstoff, bleibt in Gasgestalt zurück, und wird stärker ausgedehnt, so wie ein einfacher Stoff immer von der Wärme in einen größern Umfang gebracht wird, als ein zusammengesetzter. Folglich besteht das Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff.

Ammoniak mit Braunstein digerirt, giebt Wasser und Stickgas, wie schon Scheele bemerkt hat. Man löse Kupferkalk in Ammoniak auf, trockne das erhaltene Ammoniak- Kupfer sorgfältig, und erhitze es in einer gläsernen Röhre, welche mit dem pnevmatischen Apparat verbunden ist. Es entstehen Wassertropfen, man erhält Stickgas, und das Kupfer wird hergestellt, wie Berthollet gezeigt hat.


des Stickgas und der brennbaren Luft, oder nach der neuern Sprache aus Stickſtoff (Azote) und Waſſerſtoff (Hydrogen), und zwar im Verhaͤltniſſe 6 : 1, zuſammengeſetzt, wiewohl neuere Unterſuchungen das Verhaͤltniß 4 : 1 angeben, oder noch beſtimmter zu 100 Theilen Ammoniak 80,66 Theile Azote und 19,34 Theile Hydrogen erfordern.

Man erweiſet im antiphlogiſtiſchen Syſtem dieſe Zuſammenſetzung des Ammoniaks durch eine Menge analytiſcher und ſynthetiſcher Verſuche, wovon hier einige anzufuͤhren ſind.

Man fuͤlle eine ganz kleine Retorte mit Queckſilber, und laſſe alsdann Ammoniakgas (urinoͤſe Luft) hineingehen, ſo daß die Retorte damit ganz angefuͤllt wird, und das Queckſilber in den Hals derſelben zuruͤcktritt, welchen man mit dem Queckſilberapparat verbindet. Man bringe nun unter dem Queckſilber etwas weißen Bleykalk in die Retorte, ſo daß derſelbe an den Boden der Retorte in das Gas faͤllt und das Queckſilber nicht beruͤhrt. Haͤlt man alsdann die Flamme eines Wachslichts unter die Stelle, wo der Bleykalk liegt, ſo wird derſelbe in ein Bleykorn verwandelt (reducirt), es entſtehen einige Tropfen Waſſer, und ſtatt des Ammoniakgas bleibt Stickgas zuruͤck, welches einen groͤßern Umfang hat, und daher das Queckſilber aus dem Halſe der Retorte heraustreibt. Der Sauerſtoff, ſagen die Antiphlogiſtiker, verlaͤßt den Bleykalk, und verbindet ſich mit einem Theile des Ammoniaks zu Waſſer; der andere Beſtandtheil, der Stickſtoff, bleibt in Gasgeſtalt zuruͤck, und wird ſtaͤrker ausgedehnt, ſo wie ein einfacher Stoff immer von der Waͤrme in einen groͤßern Umfang gebracht wird, als ein zuſammengeſetzter. Folglich beſteht das Ammoniak aus Stickſtoff und Waſſerſtoff.

Ammoniak mit Braunſtein digerirt, giebt Waſſer und Stickgas, wie ſchon Scheele bemerkt hat. Man loͤſe Kupferkalk in Ammoniak auf, trockne das erhaltene Ammoniak- Kupfer ſorgfaͤltig, und erhitze es in einer glaͤſernen Roͤhre, welche mit dem pnevmatiſchen Apparat verbunden iſt. Es entſtehen Waſſertropfen, man erhaͤlt Stickgas, und das Kupfer wird hergeſtellt, wie Berthollet gezeigt hat.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0036" xml:id="P.5.24" n="24"/><lb/>
des Stickgas und der brennbaren Luft, oder nach der neuern Sprache aus Stick&#x017F;toff (Azote) und Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff (Hydrogen), und zwar im Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e 6 : 1, zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, wiewohl neuere Unter&#x017F;uchungen das Verha&#x0364;ltniß 4 : 1 angeben, oder noch be&#x017F;timmter zu 100 Theilen Ammoniak 80,66 Theile Azote und 19,34 Theile Hydrogen erfordern.</p>
              <p>Man erwei&#x017F;et im antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;chen Sy&#x017F;tem die&#x017F;e Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung des Ammoniaks durch eine Menge analyti&#x017F;cher und &#x017F;yntheti&#x017F;cher Ver&#x017F;uche, wovon hier einige anzufu&#x0364;hren &#x017F;ind.</p>
              <p>Man fu&#x0364;lle eine ganz kleine Retorte mit Queck&#x017F;ilber, und la&#x017F;&#x017F;e alsdann Ammoniakgas (urino&#x0364;&#x017F;e Luft) hineingehen, &#x017F;o daß die Retorte damit ganz angefu&#x0364;llt wird, und das Queck&#x017F;ilber in den Hals der&#x017F;elben zuru&#x0364;cktritt, welchen man mit dem Queck&#x017F;ilberapparat verbindet. Man bringe nun unter dem Queck&#x017F;ilber etwas weißen Bleykalk in die Retorte, &#x017F;o daß der&#x017F;elbe an den Boden der Retorte in das Gas fa&#x0364;llt und das Queck&#x017F;ilber nicht beru&#x0364;hrt. Ha&#x0364;lt man alsdann die Flamme eines Wachslichts unter die Stelle, wo der Bleykalk liegt, &#x017F;o wird der&#x017F;elbe in ein Bleykorn verwandelt (reducirt), es ent&#x017F;tehen einige Tropfen Wa&#x017F;&#x017F;er, und &#x017F;tatt des Ammoniakgas bleibt Stickgas zuru&#x0364;ck, welches einen gro&#x0364;ßern Umfang hat, und daher das Queck&#x017F;ilber aus dem Hal&#x017F;e der Retorte heraustreibt. Der Sauer&#x017F;toff, &#x017F;agen die Antiphlogi&#x017F;tiker, verla&#x0364;ßt den Bleykalk, und verbindet &#x017F;ich mit einem Theile des Ammoniaks zu Wa&#x017F;&#x017F;er; der andere Be&#x017F;tandtheil, der Stick&#x017F;toff, bleibt in Gasge&#x017F;talt zuru&#x0364;ck, und wird &#x017F;ta&#x0364;rker ausgedehnt, &#x017F;o wie ein einfacher Stoff immer von der Wa&#x0364;rme in einen gro&#x0364;ßern Umfang gebracht wird, als ein zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzter. Folglich be&#x017F;teht das Ammoniak aus Stick&#x017F;toff und Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff.</p>
              <p>Ammoniak mit Braun&#x017F;tein digerirt, giebt Wa&#x017F;&#x017F;er und Stickgas, wie &#x017F;chon <hi rendition="#b">Scheele</hi> bemerkt hat. Man lo&#x0364;&#x017F;e Kupferkalk in Ammoniak auf, trockne das erhaltene Ammoniak- Kupfer &#x017F;orgfa&#x0364;ltig, und erhitze es in einer gla&#x0364;&#x017F;ernen Ro&#x0364;hre, welche mit dem pnevmati&#x017F;chen Apparat verbunden i&#x017F;t. Es ent&#x017F;tehen Wa&#x017F;&#x017F;ertropfen, man erha&#x0364;lt Stickgas, und das Kupfer wird herge&#x017F;tellt, wie <hi rendition="#b">Berthollet</hi> gezeigt hat.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0036] des Stickgas und der brennbaren Luft, oder nach der neuern Sprache aus Stickſtoff (Azote) und Waſſerſtoff (Hydrogen), und zwar im Verhaͤltniſſe 6 : 1, zuſammengeſetzt, wiewohl neuere Unterſuchungen das Verhaͤltniß 4 : 1 angeben, oder noch beſtimmter zu 100 Theilen Ammoniak 80,66 Theile Azote und 19,34 Theile Hydrogen erfordern. Man erweiſet im antiphlogiſtiſchen Syſtem dieſe Zuſammenſetzung des Ammoniaks durch eine Menge analytiſcher und ſynthetiſcher Verſuche, wovon hier einige anzufuͤhren ſind. Man fuͤlle eine ganz kleine Retorte mit Queckſilber, und laſſe alsdann Ammoniakgas (urinoͤſe Luft) hineingehen, ſo daß die Retorte damit ganz angefuͤllt wird, und das Queckſilber in den Hals derſelben zuruͤcktritt, welchen man mit dem Queckſilberapparat verbindet. Man bringe nun unter dem Queckſilber etwas weißen Bleykalk in die Retorte, ſo daß derſelbe an den Boden der Retorte in das Gas faͤllt und das Queckſilber nicht beruͤhrt. Haͤlt man alsdann die Flamme eines Wachslichts unter die Stelle, wo der Bleykalk liegt, ſo wird derſelbe in ein Bleykorn verwandelt (reducirt), es entſtehen einige Tropfen Waſſer, und ſtatt des Ammoniakgas bleibt Stickgas zuruͤck, welches einen groͤßern Umfang hat, und daher das Queckſilber aus dem Halſe der Retorte heraustreibt. Der Sauerſtoff, ſagen die Antiphlogiſtiker, verlaͤßt den Bleykalk, und verbindet ſich mit einem Theile des Ammoniaks zu Waſſer; der andere Beſtandtheil, der Stickſtoff, bleibt in Gasgeſtalt zuruͤck, und wird ſtaͤrker ausgedehnt, ſo wie ein einfacher Stoff immer von der Waͤrme in einen groͤßern Umfang gebracht wird, als ein zuſammengeſetzter. Folglich beſteht das Ammoniak aus Stickſtoff und Waſſerſtoff. Ammoniak mit Braunſtein digerirt, giebt Waſſer und Stickgas, wie ſchon Scheele bemerkt hat. Man loͤſe Kupferkalk in Ammoniak auf, trockne das erhaltene Ammoniak- Kupfer ſorgfaͤltig, und erhitze es in einer glaͤſernen Roͤhre, welche mit dem pnevmatiſchen Apparat verbunden iſt. Es entſtehen Waſſertropfen, man erhaͤlt Stickgas, und das Kupfer wird hergeſtellt, wie Berthollet gezeigt hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/36
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/36>, abgerufen am 21.11.2024.