Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


hat. Ihr Geruch ist übler und stärker, als der des leichten, unterscheidet sich aber nach den Producten, woraus man sie erhält. Sie sind irrespirabel und unfähig, das Verbrennen zu unterhalten, aber in Berührung oder Vermischung mit respirabler Luft selbst entzündlich. Sie brennen mit stärkerer Flamme, als das leichte Gas, erfordern aber auch weit mehr respirable Luft, um durchs Verbrennen ganz zersetzt zu werden. Sie lösen sich nicht im Wasser auf, zersetzen die Salpeterluft nicht, röthen auch die Lakmustinktur nicht, wenn man sie vorher von der anklebenden Luftsäure gehörig befreyet hat. Läßt man sie in verschloßnen Gefäßen mit respirabler Luft abbrennen, so erhält man Wasser und luftsaures Gas (Gren Grundriß der Naturlehre. 1793. §. 841. 842.).

Nach dem antiphlogistischen Lehrgebäude besteht das Wasserstoffgas aus Wasserstoff und Wärmestoff, und seine Entzündlichkeit ist eine Folge der starken Verwandtschaft, welche zwischen dem Wasserstoff und Sauerstoff bey einer gewissen Höhe der Temperatur statt findet. Diese Verwandtschaft macht, daß beyde Stoffe gemeinschaftlich den Wärmestoff, der ihnen die Gasgestalt gab, fahren lassen, und sich zu Wasser vereinigen, der Wärmestoff aber mit Hitze und Licht entweicht.

Hieraus erklärt sich leicht, warum das Wasserstoffgas nicht für sich allein und ohne Berührung oder Vermischung mit respirabler Luft brennt, indem das Verbrennen, welches in einer Verbindung mit Sauerstoff besteht, ohne Gegenwart des Sauerstoffgas nicht statt finden kan. Oefnet man eine mit Wasserstoffgas gefüllte Flasche, und zündet das Gas an der Mündung an, so brennt es daselbst ruhig fort; aber die Flamme dringt niemals in das Innere der Flasche, wo der Sauerstoff fehlt. Mischt man hingegen Sauerstoffgas mit Wasserstoffgas, und entzündet das Gemisch, so verbrennt alles auf einmal mit einem heftigen Knalle, welcher durch die große Elasticität des frey gewordenen Wärmestoffs entsteht.

Das specifische Gewicht des Wasserstoffgas verhält sich zu dem der atmosphärischen Luft, wie 1 zu 12,63. Ein Pariser


hat. Ihr Geruch iſt uͤbler und ſtaͤrker, als der des leichten, unterſcheidet ſich aber nach den Producten, woraus man ſie erhaͤlt. Sie ſind irreſpirabel und unfaͤhig, das Verbrennen zu unterhalten, aber in Beruͤhrung oder Vermiſchung mit reſpirabler Luft ſelbſt entzuͤndlich. Sie brennen mit ſtaͤrkerer Flamme, als das leichte Gas, erfordern aber auch weit mehr reſpirable Luft, um durchs Verbrennen ganz zerſetzt zu werden. Sie loͤſen ſich nicht im Waſſer auf, zerſetzen die Salpeterluft nicht, roͤthen auch die Lakmustinktur nicht, wenn man ſie vorher von der anklebenden Luftſaͤure gehoͤrig befreyet hat. Laͤßt man ſie in verſchloßnen Gefaͤßen mit reſpirabler Luft abbrennen, ſo erhaͤlt man Waſſer und luftſaures Gas (Gren Grundriß der Naturlehre. 1793. §. 841. 842.).

Nach dem antiphlogiſtiſchen Lehrgebaͤude beſteht das Waſſerſtoffgas aus Waſſerſtoff und Waͤrmeſtoff, und ſeine Entzuͤndlichkeit iſt eine Folge der ſtarken Verwandtſchaft, welche zwiſchen dem Waſſerſtoff und Sauerſtoff bey einer gewiſſen Hoͤhe der Temperatur ſtatt findet. Dieſe Verwandtſchaft macht, daß beyde Stoffe gemeinſchaftlich den Waͤrmeſtoff, der ihnen die Gasgeſtalt gab, fahren laſſen, und ſich zu Waſſer vereinigen, der Waͤrmeſtoff aber mit Hitze und Licht entweicht.

Hieraus erklaͤrt ſich leicht, warum das Waſſerſtoffgas nicht fuͤr ſich allein und ohne Beruͤhrung oder Vermiſchung mit reſpirabler Luft brennt, indem das Verbrennen, welches in einer Verbindung mit Sauerſtoff beſteht, ohne Gegenwart des Sauerſtoffgas nicht ſtatt finden kan. Oefnet man eine mit Waſſerſtoffgas gefuͤllte Flaſche, und zuͤndet das Gas an der Muͤndung an, ſo brennt es daſelbſt ruhig fort; aber die Flamme dringt niemals in das Innere der Flaſche, wo der Sauerſtoff fehlt. Miſcht man hingegen Sauerſtoffgas mit Waſſerſtoffgas, und entzuͤndet das Gemiſch, ſo verbrennt alles auf einmal mit einem heftigen Knalle, welcher durch die große Elaſticitaͤt des frey gewordenen Waͤrmeſtoffs entſteht.

Das ſpecifiſche Gewicht des Waſſerſtoffgas verhaͤlt ſich zu dem der atmoſphaͤriſchen Luft, wie 1 zu 12,63. Ein Pariſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0441" xml:id="P.5.429" n="429"/><lb/>
hat. Ihr Geruch i&#x017F;t u&#x0364;bler und &#x017F;ta&#x0364;rker, als der des leichten, unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich aber nach den Producten, woraus man &#x017F;ie erha&#x0364;lt. Sie &#x017F;ind irre&#x017F;pirabel und unfa&#x0364;hig, das Verbrennen zu unterhalten, aber in Beru&#x0364;hrung oder Vermi&#x017F;chung mit re&#x017F;pirabler Luft &#x017F;elb&#x017F;t entzu&#x0364;ndlich. Sie brennen mit &#x017F;ta&#x0364;rkerer Flamme, als das leichte Gas, erfordern aber auch weit mehr re&#x017F;pirable Luft, um durchs Verbrennen ganz zer&#x017F;etzt zu werden. Sie lo&#x0364;&#x017F;en &#x017F;ich nicht im Wa&#x017F;&#x017F;er auf, zer&#x017F;etzen die Salpeterluft nicht, ro&#x0364;then auch die Lakmustinktur nicht, wenn man &#x017F;ie vorher von der anklebenden Luft&#x017F;a&#x0364;ure geho&#x0364;rig befreyet hat. La&#x0364;ßt man &#x017F;ie in ver&#x017F;chloßnen Gefa&#x0364;ßen mit re&#x017F;pirabler Luft abbrennen, &#x017F;o erha&#x0364;lt man Wa&#x017F;&#x017F;er und luft&#x017F;aures Gas (<hi rendition="#b">Gren</hi> Grundriß der Naturlehre. 1793. §. 841. 842.).</p>
              <p>Nach dem antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;chen Lehrgeba&#x0364;ude be&#x017F;teht das <hi rendition="#b">Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas</hi> aus Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff und Wa&#x0364;rme&#x017F;toff, und &#x017F;eine Entzu&#x0364;ndlichkeit i&#x017F;t eine Folge der &#x017F;tarken Verwandt&#x017F;chaft, welche zwi&#x017F;chen dem Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff und Sauer&#x017F;toff bey einer gewi&#x017F;&#x017F;en Ho&#x0364;he der Temperatur &#x017F;tatt findet. Die&#x017F;e Verwandt&#x017F;chaft macht, daß beyde Stoffe gemein&#x017F;chaftlich den Wa&#x0364;rme&#x017F;toff, der ihnen die Gasge&#x017F;talt gab, fahren la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich zu Wa&#x017F;&#x017F;er vereinigen, der Wa&#x0364;rme&#x017F;toff aber mit Hitze und Licht entweicht.</p>
              <p>Hieraus erkla&#x0364;rt &#x017F;ich leicht, warum das Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas nicht fu&#x0364;r &#x017F;ich allein und ohne Beru&#x0364;hrung oder Vermi&#x017F;chung mit re&#x017F;pirabler Luft brennt, indem das Verbrennen, welches in einer Verbindung mit Sauer&#x017F;toff be&#x017F;teht, ohne Gegenwart des Sauer&#x017F;toffgas nicht &#x017F;tatt finden kan. Oefnet man eine mit Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas gefu&#x0364;llte Fla&#x017F;che, und zu&#x0364;ndet das Gas an der Mu&#x0364;ndung an, &#x017F;o brennt es da&#x017F;elb&#x017F;t ruhig fort; aber die Flamme dringt niemals in das Innere der Fla&#x017F;che, wo der Sauer&#x017F;toff fehlt. Mi&#x017F;cht man hingegen Sauer&#x017F;toffgas mit Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas, und entzu&#x0364;ndet das Gemi&#x017F;ch, &#x017F;o verbrennt alles auf einmal mit einem heftigen Knalle, welcher durch die große Ela&#x017F;ticita&#x0364;t des frey gewordenen Wa&#x0364;rme&#x017F;toffs ent&#x017F;teht.</p>
              <p>Das &#x017F;pecifi&#x017F;che Gewicht des Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas verha&#x0364;lt &#x017F;ich zu dem der atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;chen Luft, wie 1 zu 12,63. Ein Pari&#x017F;er<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[429/0441] hat. Ihr Geruch iſt uͤbler und ſtaͤrker, als der des leichten, unterſcheidet ſich aber nach den Producten, woraus man ſie erhaͤlt. Sie ſind irreſpirabel und unfaͤhig, das Verbrennen zu unterhalten, aber in Beruͤhrung oder Vermiſchung mit reſpirabler Luft ſelbſt entzuͤndlich. Sie brennen mit ſtaͤrkerer Flamme, als das leichte Gas, erfordern aber auch weit mehr reſpirable Luft, um durchs Verbrennen ganz zerſetzt zu werden. Sie loͤſen ſich nicht im Waſſer auf, zerſetzen die Salpeterluft nicht, roͤthen auch die Lakmustinktur nicht, wenn man ſie vorher von der anklebenden Luftſaͤure gehoͤrig befreyet hat. Laͤßt man ſie in verſchloßnen Gefaͤßen mit reſpirabler Luft abbrennen, ſo erhaͤlt man Waſſer und luftſaures Gas (Gren Grundriß der Naturlehre. 1793. §. 841. 842.). Nach dem antiphlogiſtiſchen Lehrgebaͤude beſteht das Waſſerſtoffgas aus Waſſerſtoff und Waͤrmeſtoff, und ſeine Entzuͤndlichkeit iſt eine Folge der ſtarken Verwandtſchaft, welche zwiſchen dem Waſſerſtoff und Sauerſtoff bey einer gewiſſen Hoͤhe der Temperatur ſtatt findet. Dieſe Verwandtſchaft macht, daß beyde Stoffe gemeinſchaftlich den Waͤrmeſtoff, der ihnen die Gasgeſtalt gab, fahren laſſen, und ſich zu Waſſer vereinigen, der Waͤrmeſtoff aber mit Hitze und Licht entweicht. Hieraus erklaͤrt ſich leicht, warum das Waſſerſtoffgas nicht fuͤr ſich allein und ohne Beruͤhrung oder Vermiſchung mit reſpirabler Luft brennt, indem das Verbrennen, welches in einer Verbindung mit Sauerſtoff beſteht, ohne Gegenwart des Sauerſtoffgas nicht ſtatt finden kan. Oefnet man eine mit Waſſerſtoffgas gefuͤllte Flaſche, und zuͤndet das Gas an der Muͤndung an, ſo brennt es daſelbſt ruhig fort; aber die Flamme dringt niemals in das Innere der Flaſche, wo der Sauerſtoff fehlt. Miſcht man hingegen Sauerſtoffgas mit Waſſerſtoffgas, und entzuͤndet das Gemiſch, ſo verbrennt alles auf einmal mit einem heftigen Knalle, welcher durch die große Elaſticitaͤt des frey gewordenen Waͤrmeſtoffs entſteht. Das ſpecifiſche Gewicht des Waſſerſtoffgas verhaͤlt ſich zu dem der atmoſphaͤriſchen Luft, wie 1 zu 12,63. Ein Pariſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/441
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/441>, abgerufen am 21.11.2024.