Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Um diese beyden Bestandtheile zu trennen, darf man nur das Sauerstoffgas mit Körpern in Verbindung bringen, zu welchen sein Sauerstoff eine stärkere Verwandtschaft hat, als zu dem Wärmestoff. In diesem Falle wird sich jener mit dem hinzugebrachten Körper verbinden, ihn säuern und sein Gewicht vermehren, der Wärmestoff hingegen wird frey werden, und sich durch Hitze, vielleicht auch durch Licht, zeigen. Dieses geschieht bey den Verkalkungen der Metalle bey der Verbrennung des Phosphors, des Schwefels und der Kohle, mithin der Analogie gemäß bey allen den Operationen, die man sonst phlogistische Processe nannte, die aber hier vielmehr als Säurungen durch Zersetzung der Lebensluft betrachtet werden. Wo man sonst annahm, es gehe Phlogiston aus einem Körper, da kömmt nach diesem System vielmehr Sauerstoff zu demselben hinzu; und wo man sagte, es verbinde sich Phlogiston mit einer Luftmasse, da wird vielmehr das Sauerstoffgas zersetzt, aus dem diese Masse ganz oder zum Theil besteht. Die atmosphärische Luft enthält ein Drittel (0,27) Sauerstoffgas, aber mit zwey Dritteln (0,63) Stickgas vermischt. Jeder Cubikzoll Sauerstoffgas wiegt 1/2 Gran, bey einer Temperatur von 10° Reaum. und der Barometerhöhe von 28 Zoll. Sein eigenthümliches Gewicht verhält sich zu dem der atmosphärischen Luft, wie 765:720 = 17 :16. Im Sauerstoffgas brennen die Körper schneller, lebhafter und stärker, die Metalle säuern sich schneller, die Thiere athmen freyer und leben länger, als in der atmosphärischen Luft. Man will auch bemerkt haben, daß einige leuchtende Körper, z. B. Johanniswürmer, darinn heller leuchten. Dies alles kömmt nun daher, weil dieses Gas in der Atmosphäre mit einem andern zu jenen Verrichtungen untauglichen Gas vermischt ist, wiewohl in Absicht des Leuchtens neuere
Um dieſe beyden Beſtandtheile zu trennen, darf man nur das Sauerſtoffgas mit Koͤrpern in Verbindung bringen, zu welchen ſein Sauerſtoff eine ſtaͤrkere Verwandtſchaft hat, als zu dem Waͤrmeſtoff. In dieſem Falle wird ſich jener mit dem hinzugebrachten Koͤrper verbinden, ihn ſaͤuern und ſein Gewicht vermehren, der Waͤrmeſtoff hingegen wird frey werden, und ſich durch Hitze, vielleicht auch durch Licht, zeigen. Dieſes geſchieht bey den Verkalkungen der Metalle bey der Verbrennung des Phosphors, des Schwefels und der Kohle, mithin der Analogie gemaͤß bey allen den Operationen, die man ſonſt phlogiſtiſche Proceſſe nannte, die aber hier vielmehr als Saͤurungen durch Zerſetzung der Lebensluft betrachtet werden. Wo man ſonſt annahm, es gehe Phlogiſton aus einem Koͤrper, da koͤmmt nach dieſem Syſtem vielmehr Sauerſtoff zu demſelben hinzu; und wo man ſagte, es verbinde ſich Phlogiſton mit einer Luftmaſſe, da wird vielmehr das Sauerſtoffgas zerſetzt, aus dem dieſe Maſſe ganz oder zum Theil beſteht. Die atmoſphaͤriſche Luft enthaͤlt ein Drittel (0,27) Sauerſtoffgas, aber mit zwey Dritteln (0,63) Stickgas vermiſcht. Jeder Cubikzoll Sauerſtoffgas wiegt 1/2 Gran, bey einer Temperatur von 10° Reaum. und der Barometerhoͤhe von 28 Zoll. Sein eigenthuͤmliches Gewicht verhaͤlt ſich zu dem der atmoſphaͤriſchen Luft, wie 765:720 = 17 :16. Im Sauerſtoffgas brennen die Koͤrper ſchneller, lebhafter und ſtaͤrker, die Metalle ſaͤuern ſich ſchneller, die Thiere athmen freyer und leben laͤnger, als in der atmoſphaͤriſchen Luft. Man will auch bemerkt haben, daß einige leuchtende Koͤrper, z. B. Johanniswuͤrmer, darinn heller leuchten. Dies alles koͤmmt nun daher, weil dieſes Gas in der Atmoſphaͤre mit einem andern zu jenen Verrichtungen untauglichen Gas vermiſcht iſt, wiewohl in Abſicht des Leuchtens neuere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0446" xml:id="P.5.434" n="434"/><lb/> des <hi rendition="#b">Waͤrmeſtoffs</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Calorique)</hi></hi> mit dem von ihnen angenommenen <hi rendition="#b">Sauerſtoffe</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Oxygène),</hi></hi> den ſie als Anti- <*>oden des Phlogiſtons aufſtellen, ſ. die Art. <hi rendition="#b">Antiphlogiſtiſches Syſtem</hi> und <hi rendition="#b">Sauerſtoff</hi> (beyde in dieſem Bande).</p> <p>Um dieſe beyden Beſtandtheile zu trennen, darf man nur das Sauerſtoffgas mit Koͤrpern in Verbindung bringen, zu welchen ſein Sauerſtoff eine ſtaͤrkere Verwandtſchaft hat, als zu dem Waͤrmeſtoff. In dieſem Falle wird ſich jener mit dem hinzugebrachten Koͤrper verbinden, ihn ſaͤuern und ſein Gewicht vermehren, der Waͤrmeſtoff hingegen wird frey werden, und ſich durch Hitze, vielleicht auch durch Licht, zeigen. Dieſes geſchieht bey den Verkalkungen der Metalle bey der Verbrennung des Phosphors, des Schwefels und der Kohle, mithin der Analogie gemaͤß bey allen den Operationen, die man ſonſt <hi rendition="#b">phlogiſtiſche Proceſſe</hi> nannte, die aber hier vielmehr als <hi rendition="#b">Saͤurungen</hi> durch Zerſetzung der Lebensluft betrachtet werden. Wo man ſonſt annahm, es gehe Phlogiſton aus einem Koͤrper, da koͤmmt nach dieſem Syſtem vielmehr Sauerſtoff zu demſelben hinzu; und wo man ſagte, es verbinde ſich Phlogiſton mit einer Luftmaſſe, da wird vielmehr das Sauerſtoffgas zerſetzt, aus dem dieſe Maſſe ganz oder zum Theil beſteht.</p> <p>Die atmoſphaͤriſche Luft enthaͤlt ein Drittel (0,27) Sauerſtoffgas, aber mit zwey Dritteln (0,63) Stickgas vermiſcht. Jeder Cubikzoll Sauerſtoffgas wiegt 1/2 Gran, bey einer Temperatur von 10° Reaum. und der Barometerhoͤhe von 28 Zoll. Sein eigenthuͤmliches Gewicht verhaͤlt ſich zu dem der atmoſphaͤriſchen Luft, wie 765:720 = 17 :16.</p> <p>Im Sauerſtoffgas brennen die Koͤrper ſchneller, lebhafter und ſtaͤrker, die Metalle ſaͤuern ſich ſchneller, die Thiere athmen freyer und leben laͤnger, als in der atmoſphaͤriſchen Luft. Man will auch bemerkt haben, daß einige leuchtende Koͤrper, z. B. Johanniswuͤrmer, darinn heller leuchten. Dies alles koͤmmt nun daher, weil dieſes Gas in der Atmoſphaͤre mit einem andern zu jenen Verrichtungen untauglichen Gas vermiſcht iſt, wiewohl in Abſicht des Leuchtens neuere<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [434/0446]
des Waͤrmeſtoffs (Calorique) mit dem von ihnen angenommenen Sauerſtoffe (Oxygène), den ſie als Anti- <*>oden des Phlogiſtons aufſtellen, ſ. die Art. Antiphlogiſtiſches Syſtem und Sauerſtoff (beyde in dieſem Bande).
Um dieſe beyden Beſtandtheile zu trennen, darf man nur das Sauerſtoffgas mit Koͤrpern in Verbindung bringen, zu welchen ſein Sauerſtoff eine ſtaͤrkere Verwandtſchaft hat, als zu dem Waͤrmeſtoff. In dieſem Falle wird ſich jener mit dem hinzugebrachten Koͤrper verbinden, ihn ſaͤuern und ſein Gewicht vermehren, der Waͤrmeſtoff hingegen wird frey werden, und ſich durch Hitze, vielleicht auch durch Licht, zeigen. Dieſes geſchieht bey den Verkalkungen der Metalle bey der Verbrennung des Phosphors, des Schwefels und der Kohle, mithin der Analogie gemaͤß bey allen den Operationen, die man ſonſt phlogiſtiſche Proceſſe nannte, die aber hier vielmehr als Saͤurungen durch Zerſetzung der Lebensluft betrachtet werden. Wo man ſonſt annahm, es gehe Phlogiſton aus einem Koͤrper, da koͤmmt nach dieſem Syſtem vielmehr Sauerſtoff zu demſelben hinzu; und wo man ſagte, es verbinde ſich Phlogiſton mit einer Luftmaſſe, da wird vielmehr das Sauerſtoffgas zerſetzt, aus dem dieſe Maſſe ganz oder zum Theil beſteht.
Die atmoſphaͤriſche Luft enthaͤlt ein Drittel (0,27) Sauerſtoffgas, aber mit zwey Dritteln (0,63) Stickgas vermiſcht. Jeder Cubikzoll Sauerſtoffgas wiegt 1/2 Gran, bey einer Temperatur von 10° Reaum. und der Barometerhoͤhe von 28 Zoll. Sein eigenthuͤmliches Gewicht verhaͤlt ſich zu dem der atmoſphaͤriſchen Luft, wie 765:720 = 17 :16.
Im Sauerſtoffgas brennen die Koͤrper ſchneller, lebhafter und ſtaͤrker, die Metalle ſaͤuern ſich ſchneller, die Thiere athmen freyer und leben laͤnger, als in der atmoſphaͤriſchen Luft. Man will auch bemerkt haben, daß einige leuchtende Koͤrper, z. B. Johanniswuͤrmer, darinn heller leuchten. Dies alles koͤmmt nun daher, weil dieſes Gas in der Atmoſphaͤre mit einem andern zu jenen Verrichtungen untauglichen Gas vermiſcht iſt, wiewohl in Abſicht des Leuchtens neuere
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