Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


1793. 8. §. 826.). Daß das Wasser einen wesentlichen Bestandtheil des trocknen luftsauren Gas ausmache, sucht Priestley (Philos. Trans. for 1788. Vol. LXXVIII. p. 147 sqq. übers. in Grens Journal der Phys. B. I. S. 104 u. f.) durch directe Versuche zu erweisen. Luftsaure natürliche Schwererde gab durch die bloße Hitze keine fixe Luft. Ließ man aber in einem irdenen Rohre bey der Weißglühhitze Wasserdampf über sie hinwegstreichen, so ward die fixe Luft mit der größten Schnelligkeit entwickelt. Zu 294 Gran fixer Luft waren 160 Gran Wasser verwendet worden; bey einem andern Versuche 100 Gran Wasser zur Bildung von 225 Gran fixer Luft. Ferner ward eine Auflösung von 48 Gran Schwererde in Salzgeist bis zur Trockniß abgeraucht, und der Rückstand geglüht, wobey er 4 Gran verlor. Bey der Auflösung lieferte er 7,2 Gran fixe Luft, daß also bey dem Processe eine Gewichtszunahme der Luft von 3,2 Gran entstanden war, welche wahrscheinlich von nichts anderm, als von Wasser, herrühren konnte. Dieses, sagt Priestley, macht es fast gewiß, daß bey der Bildung der fixen Luft ein Antheil Wasser als Menstrum derselben mit weggeführt wird, und daß dieser Antheil ohngefähr die Hälfte des Gewichts der ganzen Luft ausmacht, worüber die Resultate so verschiedener Versuche ganz nahe übereinstimmen.

Daß alles kohlengesäuerte oder luftsaure Gas Wasser enthalte, sagen die Antiphlogistiker selbst; sie nehmen aber an, es sey in dem Gas ausgelöst und kein eigentlicher Bestandtheil desselben. Sie erklären die Versuche durch die Zerlegung des Wassers, und lassen z. B. bey der Entwickelung der Luftsäure aus Schwererde nicht das Wasser selbst, sondern nur den Sauerstoff desselben, in das luftsaure Gas übergehen. Nach Priestley, de Luc, u. a. sind Wasser und Säure einfach; zur Bildung des Gas kömmt also das Wasser selbst, nicht blos einer von seinen Bestandtheilen: so wie die Kohle nach ihnen aus Luftsäure und Brennstoff zusammengesetzt, nach den Antiphlogistikern hingegen ein einfacher Stoff ist. Ueberhaupt bleibt es immer der Charakter beyder Systeme, daß sie in Erklärung der Zusammensetzungen und und Zerlegungen entgegengesetzte Wege gehen. Noch ist es


1793. 8. §. 826.). Daß das Waſſer einen weſentlichen Beſtandtheil des trocknen luftſauren Gas ausmache, ſucht Prieſtley (Philoſ. Trans. for 1788. Vol. LXXVIII. p. 147 ſqq. uͤberſ. in Grens Journal der Phyſ. B. I. S. 104 u. f.) durch directe Verſuche zu erweiſen. Luftſaure natuͤrliche Schwererde gab durch die bloße Hitze keine fixe Luft. Ließ man aber in einem irdenen Rohre bey der Weißgluͤhhitze Waſſerdampf uͤber ſie hinwegſtreichen, ſo ward die fixe Luft mit der groͤßten Schnelligkeit entwickelt. Zu 294 Gran fixer Luft waren 160 Gran Waſſer verwendet worden; bey einem andern Verſuche 100 Gran Waſſer zur Bildung von 225 Gran fixer Luft. Ferner ward eine Aufloͤſung von 48 Gran Schwererde in Salzgeiſt bis zur Trockniß abgeraucht, und der Ruͤckſtand gegluͤht, wobey er 4 Gran verlor. Bey der Aufloͤſung lieferte er 7,2 Gran fixe Luft, daß alſo bey dem Proceſſe eine Gewichtszunahme der Luft von 3,2 Gran entſtanden war, welche wahrſcheinlich von nichts anderm, als von Waſſer, herruͤhren konnte. Dieſes, ſagt Prieſtley, macht es faſt gewiß, daß bey der Bildung der fixen Luft ein Antheil Waſſer als Menſtrum derſelben mit weggefuͤhrt wird, und daß dieſer Antheil ohngefaͤhr die Haͤlfte des Gewichts der ganzen Luft ausmacht, woruͤber die Reſultate ſo verſchiedener Verſuche ganz nahe uͤbereinſtimmen.

Daß alles kohlengeſaͤuerte oder luftſaure Gas Waſſer enthalte, ſagen die Antiphlogiſtiker ſelbſt; ſie nehmen aber an, es ſey in dem Gas auſgeloͤſt und kein eigentlicher Beſtandtheil deſſelben. Sie erklaͤren die Verſuche durch die Zerlegung des Waſſers, und laſſen z. B. bey der Entwickelung der Luftſaͤure aus Schwererde nicht das Waſſer ſelbſt, ſondern nur den Sauerſtoff deſſelben, in das luftſaure Gas uͤbergehen. Nach Prieſtley, de Luc, u. a. ſind Waſſer und Saͤure einfach; zur Bildung des Gas koͤmmt alſo das Waſſer ſelbſt, nicht blos einer von ſeinen Beſtandtheilen: ſo wie die Kohle nach ihnen aus Luftſaͤure und Brennſtoff zuſammengeſetzt, nach den Antiphlogiſtikern hingegen ein einfacher Stoff iſt. Ueberhaupt bleibt es immer der Charakter beyder Syſteme, daß ſie in Erklaͤrung der Zuſammenſetzungen und und Zerlegungen entgegengeſetzte Wege gehen. Noch iſt es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0460" xml:id="P.5.448" n="448"/><lb/>
1793. 8. §. 826.). Daß das Wa&#x017F;&#x017F;er einen we&#x017F;entlichen Be&#x017F;tandtheil des trocknen luft&#x017F;auren Gas ausmache, &#x017F;ucht <hi rendition="#b">Prie&#x017F;tley</hi> <hi rendition="#aq">(Philo&#x017F;. Trans. for 1788. Vol. LXXVIII. p. 147 &#x017F;qq.</hi> u&#x0364;ber&#x017F;. in <hi rendition="#b">Grens</hi> Journal der Phy&#x017F;. B. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 104 u. f.) durch directe Ver&#x017F;uche zu erwei&#x017F;en. Luft&#x017F;aure natu&#x0364;rliche Schwererde gab durch die bloße Hitze keine fixe Luft. Ließ man aber in einem irdenen Rohre bey der Weißglu&#x0364;hhitze Wa&#x017F;&#x017F;erdampf u&#x0364;ber &#x017F;ie hinweg&#x017F;treichen, &#x017F;o ward die fixe Luft mit der gro&#x0364;ßten Schnelligkeit entwickelt. Zu 294 Gran fixer Luft waren 160 Gran Wa&#x017F;&#x017F;er verwendet worden; bey einem andern Ver&#x017F;uche 100 Gran Wa&#x017F;&#x017F;er zur Bildung von 225 Gran fixer Luft. Ferner ward eine Auflo&#x0364;&#x017F;ung von 48 Gran Schwererde in Salzgei&#x017F;t bis zur Trockniß abgeraucht, und der Ru&#x0364;ck&#x017F;tand geglu&#x0364;ht, wobey er 4 Gran verlor. Bey der Auflo&#x0364;&#x017F;ung lieferte er 7,2 Gran fixe Luft, daß al&#x017F;o bey dem Proce&#x017F;&#x017F;e eine Gewichtszunahme der Luft von 3,2 Gran ent&#x017F;tanden war, welche wahr&#x017F;cheinlich von nichts anderm, als von Wa&#x017F;&#x017F;er, herru&#x0364;hren konnte. Die&#x017F;es, &#x017F;agt <hi rendition="#b">Prie&#x017F;tley,</hi> macht es fa&#x017F;t gewiß, daß bey der Bildung der fixen Luft ein Antheil Wa&#x017F;&#x017F;er als Men&#x017F;trum der&#x017F;elben mit weggefu&#x0364;hrt wird, und daß die&#x017F;er Antheil ohngefa&#x0364;hr die Ha&#x0364;lfte des Gewichts der ganzen Luft ausmacht, woru&#x0364;ber die Re&#x017F;ultate &#x017F;o ver&#x017F;chiedener Ver&#x017F;uche ganz nahe u&#x0364;berein&#x017F;timmen.</p>
              <p>Daß alles kohlenge&#x017F;a&#x0364;uerte oder luft&#x017F;aure Gas Wa&#x017F;&#x017F;er enthalte, &#x017F;agen die Antiphlogi&#x017F;tiker &#x017F;elb&#x017F;t; &#x017F;ie nehmen aber an, es &#x017F;ey in dem Gas au&#x017F;gelo&#x0364;&#x017F;t und kein eigentlicher Be&#x017F;tandtheil de&#x017F;&#x017F;elben. Sie erkla&#x0364;ren die Ver&#x017F;uche durch die Zerlegung des Wa&#x017F;&#x017F;ers, und la&#x017F;&#x017F;en z. B. bey der Entwickelung der Luft&#x017F;a&#x0364;ure aus Schwererde nicht das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern nur den Sauer&#x017F;toff de&#x017F;&#x017F;elben, in das luft&#x017F;aure Gas u&#x0364;bergehen. Nach Prie&#x017F;tley, de Luc, u. a. &#x017F;ind Wa&#x017F;&#x017F;er und Sa&#x0364;ure einfach; zur Bildung des Gas ko&#x0364;mmt al&#x017F;o das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t, nicht blos einer von &#x017F;einen Be&#x017F;tandtheilen: &#x017F;o wie die Kohle nach ihnen aus Luft&#x017F;a&#x0364;ure und Brenn&#x017F;toff zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, nach den Antiphlogi&#x017F;tikern hingegen ein einfacher Stoff i&#x017F;t. Ueberhaupt bleibt es immer der Charakter beyder Sy&#x017F;teme, daß &#x017F;ie in Erkla&#x0364;rung der Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzungen und und Zerlegungen entgegenge&#x017F;etzte Wege gehen. Noch i&#x017F;t es<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0460] 1793. 8. §. 826.). Daß das Waſſer einen weſentlichen Beſtandtheil des trocknen luftſauren Gas ausmache, ſucht Prieſtley (Philoſ. Trans. for 1788. Vol. LXXVIII. p. 147 ſqq. uͤberſ. in Grens Journal der Phyſ. B. I. S. 104 u. f.) durch directe Verſuche zu erweiſen. Luftſaure natuͤrliche Schwererde gab durch die bloße Hitze keine fixe Luft. Ließ man aber in einem irdenen Rohre bey der Weißgluͤhhitze Waſſerdampf uͤber ſie hinwegſtreichen, ſo ward die fixe Luft mit der groͤßten Schnelligkeit entwickelt. Zu 294 Gran fixer Luft waren 160 Gran Waſſer verwendet worden; bey einem andern Verſuche 100 Gran Waſſer zur Bildung von 225 Gran fixer Luft. Ferner ward eine Aufloͤſung von 48 Gran Schwererde in Salzgeiſt bis zur Trockniß abgeraucht, und der Ruͤckſtand gegluͤht, wobey er 4 Gran verlor. Bey der Aufloͤſung lieferte er 7,2 Gran fixe Luft, daß alſo bey dem Proceſſe eine Gewichtszunahme der Luft von 3,2 Gran entſtanden war, welche wahrſcheinlich von nichts anderm, als von Waſſer, herruͤhren konnte. Dieſes, ſagt Prieſtley, macht es faſt gewiß, daß bey der Bildung der fixen Luft ein Antheil Waſſer als Menſtrum derſelben mit weggefuͤhrt wird, und daß dieſer Antheil ohngefaͤhr die Haͤlfte des Gewichts der ganzen Luft ausmacht, woruͤber die Reſultate ſo verſchiedener Verſuche ganz nahe uͤbereinſtimmen. Daß alles kohlengeſaͤuerte oder luftſaure Gas Waſſer enthalte, ſagen die Antiphlogiſtiker ſelbſt; ſie nehmen aber an, es ſey in dem Gas auſgeloͤſt und kein eigentlicher Beſtandtheil deſſelben. Sie erklaͤren die Verſuche durch die Zerlegung des Waſſers, und laſſen z. B. bey der Entwickelung der Luftſaͤure aus Schwererde nicht das Waſſer ſelbſt, ſondern nur den Sauerſtoff deſſelben, in das luftſaure Gas uͤbergehen. Nach Prieſtley, de Luc, u. a. ſind Waſſer und Saͤure einfach; zur Bildung des Gas koͤmmt alſo das Waſſer ſelbſt, nicht blos einer von ſeinen Beſtandtheilen: ſo wie die Kohle nach ihnen aus Luftſaͤure und Brennſtoff zuſammengeſetzt, nach den Antiphlogiſtikern hingegen ein einfacher Stoff iſt. Ueberhaupt bleibt es immer der Charakter beyder Syſteme, daß ſie in Erklaͤrung der Zuſammenſetzungen und und Zerlegungen entgegengeſetzte Wege gehen. Noch iſt es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/460
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/460>, abgerufen am 22.11.2024.