Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Daß endlich die Grundlage des Stickgas auch einen Bestandtheil des Ammoniaks ausmache, wird von den Antiphlogistikern durch eine zahlreiche Menge analytischer und synthetischer Versuche erwiesen. Man fülle z. B. eine Glocke mit Ammoniakgas, setze sie auf den Quecksilberapparat, und lasse elektrische Funken durch das Gas gehen, so wird dasselbe zerlegt werden, mehr als um die Hälfte an Umfange zunehmen, und sich zuletzt als reines Stickgas zeigen. Man erklärt dieses auf folgende Art. Die Oberfläche des Quecksilbers ist jederzeit mit einem feinen aus Quecksilberkalk bestehenden Häutchen bedeckt. Mit dem Sauerstoffe dieses Kalks verbinder sich der Wasserstoff des Ammoniakgas zu Wasser, das Quecksilber wird aus dem Häutchen hergestellt, der Stickstoff bleibt zurück, und das aus ihm gebildete Gas wird von dem Wärmestoff, für den es weniger Capacität hat, in einen größern Raum ausgedehnt. Der Stickstoff macht also mit Wasserstoff die Bestandtheile des Ammoniaks aus. Mehrere Versuche s. unter Ammoniak (oben S. 23 u. f.). Dem Wachsthum der Pflanzen ist das Stickgas eben so, wie dem Leben der Thiere, nachtheilig, und vermindert ihre Reizbarkeit. Herr von Humboldt (Aphorismen aus der chem. Physiologie der Pflanzen. Leipz. 1794. 8. S. 95.) sahe, daß die Mimosa pudica im Azot verwelkte, und bey erschöpften Kräften weniger reizbar war. Fast auf eben die Art geben die Thiere, welche in phlogistischer Luft erstickt sind, nach dem Tode kein Kennzeichen der Reizbarkeit von sich. Dagegen ist das Stickgas der grünen Farbe der Pflanzen vortheilhaft, und ersetzt in dieser Rücksicht den Mangel des Lichts, s. den Art. Stickstoff. Daß man eine Gasart erhalte, die sich in ihrer Beschaffenheit als Stickgas zeigt, wenn man Wasserdämpfe durch ein glühendes irdenes Rohr gehen läßt, führt außer Herrn
Daß endlich die Grundlage des Stickgas auch einen Beſtandtheil des Ammoniaks ausmache, wird von den Antiphlogiſtikern durch eine zahlreiche Menge analytiſcher und ſynthetiſcher Verſuche erwieſen. Man fuͤlle z. B. eine Glocke mit Ammoniakgas, ſetze ſie auf den Queckſilberapparat, und laſſe elektriſche Funken durch das Gas gehen, ſo wird daſſelbe zerlegt werden, mehr als um die Haͤlfte an Umfange zunehmen, und ſich zuletzt als reines Stickgas zeigen. Man erklaͤrt dieſes auf folgende Art. Die Oberflaͤche des Queckſilbers iſt jederzeit mit einem feinen aus Queckſilberkalk beſtehenden Haͤutchen bedeckt. Mit dem Sauerſtoffe dieſes Kalks verbinder ſich der Waſſerſtoff des Ammoniakgas zu Waſſer, das Queckſilber wird aus dem Haͤutchen hergeſtellt, der Stickſtoff bleibt zuruͤck, und das aus ihm gebildete Gas wird von dem Waͤrmeſtoff, fuͤr den es weniger Capacitaͤt hat, in einen groͤßern Raum ausgedehnt. Der Stickſtoff macht alſo mit Waſſerſtoff die Beſtandtheile des Ammoniaks aus. Mehrere Verſuche ſ. unter Ammoniak (oben S. 23 u. f.). Dem Wachsthum der Pflanzen iſt das Stickgas eben ſo, wie dem Leben der Thiere, nachtheilig, und vermindert ihre Reizbarkeit. Herr von Humboldt (Aphorismen aus der chem. Phyſiologie der Pflanzen. Leipz. 1794. 8. S. 95.) ſahe, daß die Mimoſa pudica im Azot verwelkte, und bey erſchoͤpften Kraͤften weniger reizbar war. Faſt auf eben die Art geben die Thiere, welche in phlogiſtiſcher Luft erſtickt ſind, nach dem Tode kein Kennzeichen der Reizbarkeit von ſich. Dagegen iſt das Stickgas der gruͤnen Farbe der Pflanzen vortheilhaft, und erſetzt in dieſer Ruͤckſicht den Mangel des Lichts, ſ. den Art. Stickſtoff. Daß man eine Gasart erhalte, die ſich in ihrer Beſchaffenheit als Stickgas zeigt, wenn man Waſſerdaͤmpfe durch ein gluͤhendes irdenes Rohr gehen laͤßt, fuͤhrt außer Herrn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0465" xml:id="P.5.453" n="453"/><lb/> Stickgas, das man durch Aufloͤſung thieriſcher Koͤrper in der Salpeterſaͤure bereitet hat, mit 27 Theilen Sauerſroffgas aus dem Queckſilberkalk oder Braunſtein vermiſcht, atmoſphaͤriſche Luft geben, und man dergleichen auch wiedererhaͤlt, wenn man die obigen 5/6 Stickgas wieder mit dem 1/6 aus dem reducirten Queckſilberkalk miſcht.</p> <p>Daß endlich die Grundlage des Stickgas auch einen Beſtandtheil des Ammoniaks ausmache, wird von den Antiphlogiſtikern durch eine zahlreiche Menge analytiſcher und ſynthetiſcher Verſuche erwieſen. Man fuͤlle z. B. eine Glocke mit Ammoniakgas, ſetze ſie auf den Queckſilberapparat, und laſſe elektriſche Funken durch das Gas gehen, ſo wird daſſelbe zerlegt werden, mehr als um die Haͤlfte an Umfange zunehmen, und ſich zuletzt als reines Stickgas zeigen. Man erklaͤrt dieſes auf folgende Art. Die Oberflaͤche des Queckſilbers iſt jederzeit mit einem feinen aus Queckſilberkalk beſtehenden Haͤutchen bedeckt. Mit dem Sauerſtoffe dieſes Kalks verbinder ſich der Waſſerſtoff des Ammoniakgas zu Waſſer, das Queckſilber wird aus dem Haͤutchen hergeſtellt, der Stickſtoff bleibt zuruͤck, und das aus ihm gebildete Gas wird von dem Waͤrmeſtoff, fuͤr den es weniger Capacitaͤt hat, in einen groͤßern Raum ausgedehnt. Der Stickſtoff macht alſo mit Waſſerſtoff die Beſtandtheile des Ammoniaks aus. Mehrere Verſuche ſ. unter <hi rendition="#b">Ammoniak</hi> (oben S. 23 u. f.).</p> <p>Dem Wachsthum der Pflanzen iſt das Stickgas eben ſo, wie dem Leben der Thiere, nachtheilig, und vermindert ihre Reizbarkeit. Herr <hi rendition="#b">von Humboldt</hi> (Aphorismen aus der chem. Phyſiologie der Pflanzen. Leipz. 1794. 8. S. 95.) ſahe, daß die <hi rendition="#aq">Mimoſa pudica</hi> im Azot verwelkte, und bey erſchoͤpften Kraͤften weniger reizbar war. Faſt auf eben die Art geben die Thiere, welche in phlogiſtiſcher Luft erſtickt ſind, nach dem Tode kein Kennzeichen der Reizbarkeit von ſich. Dagegen iſt das Stickgas der gruͤnen Farbe der Pflanzen vortheilhaft, und erſetzt in dieſer Ruͤckſicht den Mangel des Lichts, ſ. den Art. <hi rendition="#b">Stickſtoff.</hi></p> <p>Daß man eine Gasart erhalte, die ſich in ihrer Beſchaffenheit als Stickgas zeigt, wenn man Waſſerdaͤmpfe durch ein gluͤhendes irdenes Rohr gehen laͤßt, fuͤhrt außer Herrn<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [453/0465]
Stickgas, das man durch Aufloͤſung thieriſcher Koͤrper in der Salpeterſaͤure bereitet hat, mit 27 Theilen Sauerſroffgas aus dem Queckſilberkalk oder Braunſtein vermiſcht, atmoſphaͤriſche Luft geben, und man dergleichen auch wiedererhaͤlt, wenn man die obigen 5/6 Stickgas wieder mit dem 1/6 aus dem reducirten Queckſilberkalk miſcht.
Daß endlich die Grundlage des Stickgas auch einen Beſtandtheil des Ammoniaks ausmache, wird von den Antiphlogiſtikern durch eine zahlreiche Menge analytiſcher und ſynthetiſcher Verſuche erwieſen. Man fuͤlle z. B. eine Glocke mit Ammoniakgas, ſetze ſie auf den Queckſilberapparat, und laſſe elektriſche Funken durch das Gas gehen, ſo wird daſſelbe zerlegt werden, mehr als um die Haͤlfte an Umfange zunehmen, und ſich zuletzt als reines Stickgas zeigen. Man erklaͤrt dieſes auf folgende Art. Die Oberflaͤche des Queckſilbers iſt jederzeit mit einem feinen aus Queckſilberkalk beſtehenden Haͤutchen bedeckt. Mit dem Sauerſtoffe dieſes Kalks verbinder ſich der Waſſerſtoff des Ammoniakgas zu Waſſer, das Queckſilber wird aus dem Haͤutchen hergeſtellt, der Stickſtoff bleibt zuruͤck, und das aus ihm gebildete Gas wird von dem Waͤrmeſtoff, fuͤr den es weniger Capacitaͤt hat, in einen groͤßern Raum ausgedehnt. Der Stickſtoff macht alſo mit Waſſerſtoff die Beſtandtheile des Ammoniaks aus. Mehrere Verſuche ſ. unter Ammoniak (oben S. 23 u. f.).
Dem Wachsthum der Pflanzen iſt das Stickgas eben ſo, wie dem Leben der Thiere, nachtheilig, und vermindert ihre Reizbarkeit. Herr von Humboldt (Aphorismen aus der chem. Phyſiologie der Pflanzen. Leipz. 1794. 8. S. 95.) ſahe, daß die Mimoſa pudica im Azot verwelkte, und bey erſchoͤpften Kraͤften weniger reizbar war. Faſt auf eben die Art geben die Thiere, welche in phlogiſtiſcher Luft erſtickt ſind, nach dem Tode kein Kennzeichen der Reizbarkeit von ſich. Dagegen iſt das Stickgas der gruͤnen Farbe der Pflanzen vortheilhaft, und erſetzt in dieſer Ruͤckſicht den Mangel des Lichts, ſ. den Art. Stickſtoff.
Daß man eine Gasart erhalte, die ſich in ihrer Beſchaffenheit als Stickgas zeigt, wenn man Waſſerdaͤmpfe durch ein gluͤhendes irdenes Rohr gehen laͤßt, fuͤhrt außer Herrn
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