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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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schwang Hr. de S. die Kugel an einer seidnen Schnur mit der größten Schnelligkeit eine Zeitlang in der Luft herum; allein es wurde auch nicht die geringste Elektricität dadurch hervorgebracht. Die bey den Wasserfällen und Strudeln, ja selbst schon im Kleinen bey Schleusen und Mühlrädern, bemerkte Elektricität, welche Hr. Tralles (Beytrag zur Lehre der Elektricität. Bern, 1786. 8) beschreibt, und aus dem Reiben der Wassertheilchen an der Luft erklärt, gab Hrn. Volta Anlaß, in seinen meteorologischen Briefen (7ter Brief, u. Zusatz zu demselben) die Sache genau zu untersuchen. Es fällt in die Augen, daß die Lufttheilchen jedem Drucke viel zu leicht ausweichen, als daß sie den zu einer Reibung nöthigen Widerstand leisten könnten. Auch zeigten wiederholte Versuche, wobey Körper eine lange Zeit aufs heftigste ins der Luft bewegt wurden, nie eine Spur dadurch erregter Elektricität. Volta schließt daraus, das Reiben der Luft an sich oder andern Körpern könne nie Elektricität hervorbringen, und die bey den Wasserfällen erregte sey vielmehr von der durch Bewegung und Zertrennung begünstigten schnellern Verdünstung des Wassers herzuleiten. Zuletzt fand er zwar, daß Körper, welche, wenn man sie ganz läßt, an der Luft gerieben, kein E zeigen, dieses dennoch oft thun, wenn sie gepülvert, geschabt oder sonst in feine Theile zertrennt in die Luft geworfen werden. So fand es Volta mit Mehl, Asche, Kalk, Gyps, Staub, Sand, sogar mit metallischem Sand, selbst mit Kohlen, wenn er diese Substanzen siebte, aus einem Blasebalge blies, aus einer Sandbüchse schüttete u. s. w. Es kan aber beym Blasen, Sieben, Ausschütten u. dergl. die Elektricität wohl eher von dem Reiben an den Werkzeugen kommen, womit diese Körper in die Luft getrieben werden; und es scheint demnach ziemlich ausgemacht, daß die Reibung der Lufttheile nicht die Ursache der Luftelektricität seyn könne.

Die Meinung, welche ich im Art. S. 34 als die wahrscheinlichste angab, daß die Luftelektricität von der Ausdünstung herrühre, gehört ganz eigentlich Hrn. Volta zu, durch dessen Condensator der Elektricität entdeckt ward, daß der aufsteigendende Wasserdampf positiv elektrisirt sey. Dieß


ſchwang Hr. de S. die Kugel an einer ſeidnen Schnur mit der groͤßten Schnelligkeit eine Zeitlang in der Luft herum; allein es wurde auch nicht die geringſte Elektricitaͤt dadurch hervorgebracht. Die bey den Waſſerfaͤllen und Strudeln, ja ſelbſt ſchon im Kleinen bey Schleuſen und Muͤhlraͤdern, bemerkte Elektricitaͤt, welche Hr. Tralles (Beytrag zur Lehre der Elektricitaͤt. Bern, 1786. 8) beſchreibt, und aus dem Reiben der Waſſertheilchen an der Luft erklaͤrt, gab Hrn. Volta Anlaß, in ſeinen meteorologiſchen Briefen (7ter Brief, u. Zuſatz zu demſelben) die Sache genau zu unterſuchen. Es faͤllt in die Augen, daß die Lufttheilchen jedem Drucke viel zu leicht ausweichen, als daß ſie den zu einer Reibung noͤthigen Widerſtand leiſten koͤnnten. Auch zeigten wiederholte Verſuche, wobey Koͤrper eine lange Zeit aufs heftigſte ins der Luft bewegt wurden, nie eine Spur dadurch erregter Elektricitaͤt. Volta ſchließt daraus, das Reiben der Luft an ſich oder andern Koͤrpern koͤnne nie Elektricitaͤt hervorbringen, und die bey den Waſſerfaͤllen erregte ſey vielmehr von der durch Bewegung und Zertrennung beguͤnſtigten ſchnellern Verduͤnſtung des Waſſers herzuleiten. Zuletzt fand er zwar, daß Koͤrper, welche, wenn man ſie ganz laͤßt, an der Luft gerieben, kein E zeigen, dieſes dennoch oft thun, wenn ſie gepuͤlvert, geſchabt oder ſonſt in feine Theile zertrennt in die Luft geworfen werden. So fand es Volta mit Mehl, Aſche, Kalk, Gyps, Staub, Sand, ſogar mit metalliſchem Sand, ſelbſt mit Kohlen, wenn er dieſe Subſtanzen ſiebte, aus einem Blaſebalge blies, aus einer Sandbuͤchſe ſchuͤttete u. ſ. w. Es kan aber beym Blaſen, Sieben, Ausſchuͤtten u. dergl. die Elektricitaͤt wohl eher von dem Reiben an den Werkzeugen kommen, womit dieſe Koͤrper in die Luft getrieben werden; und es ſcheint demnach ziemlich ausgemacht, daß die Reibung der Lufttheile nicht die Urſache der Luftelektricitaͤt ſeyn koͤnne.

Die Meinung, welche ich im Art. S. 34 als die wahrſcheinlichſte angab, daß die Luftelektricitaͤt von der Ausduͤnſtung herruͤhre, gehoͤrt ganz eigentlich Hrn. Volta zu, durch deſſen Condenſator der Elektricitaͤt entdeckt ward, daß der aufſteigendende Waſſerdampf poſitiv elektriſirt ſey. Dieß

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[564/0576] ſchwang Hr. de S. die Kugel an einer ſeidnen Schnur mit der groͤßten Schnelligkeit eine Zeitlang in der Luft herum; allein es wurde auch nicht die geringſte Elektricitaͤt dadurch hervorgebracht. Die bey den Waſſerfaͤllen und Strudeln, ja ſelbſt ſchon im Kleinen bey Schleuſen und Muͤhlraͤdern, bemerkte Elektricitaͤt, welche Hr. Tralles (Beytrag zur Lehre der Elektricitaͤt. Bern, 1786. 8) beſchreibt, und aus dem Reiben der Waſſertheilchen an der Luft erklaͤrt, gab Hrn. Volta Anlaß, in ſeinen meteorologiſchen Briefen (7ter Brief, u. Zuſatz zu demſelben) die Sache genau zu unterſuchen. Es faͤllt in die Augen, daß die Lufttheilchen jedem Drucke viel zu leicht ausweichen, als daß ſie den zu einer Reibung noͤthigen Widerſtand leiſten koͤnnten. Auch zeigten wiederholte Verſuche, wobey Koͤrper eine lange Zeit aufs heftigſte ins der Luft bewegt wurden, nie eine Spur dadurch erregter Elektricitaͤt. Volta ſchließt daraus, das Reiben der Luft an ſich oder andern Koͤrpern koͤnne nie Elektricitaͤt hervorbringen, und die bey den Waſſerfaͤllen erregte ſey vielmehr von der durch Bewegung und Zertrennung beguͤnſtigten ſchnellern Verduͤnſtung des Waſſers herzuleiten. Zuletzt fand er zwar, daß Koͤrper, welche, wenn man ſie ganz laͤßt, an der Luft gerieben, kein E zeigen, dieſes dennoch oft thun, wenn ſie gepuͤlvert, geſchabt oder ſonſt in feine Theile zertrennt in die Luft geworfen werden. So fand es Volta mit Mehl, Aſche, Kalk, Gyps, Staub, Sand, ſogar mit metalliſchem Sand, ſelbſt mit Kohlen, wenn er dieſe Subſtanzen ſiebte, aus einem Blaſebalge blies, aus einer Sandbuͤchſe ſchuͤttete u. ſ. w. Es kan aber beym Blaſen, Sieben, Ausſchuͤtten u. dergl. die Elektricitaͤt wohl eher von dem Reiben an den Werkzeugen kommen, womit dieſe Koͤrper in die Luft getrieben werden; und es ſcheint demnach ziemlich ausgemacht, daß die Reibung der Lufttheile nicht die Urſache der Luftelektricitaͤt ſeyn koͤnne. Die Meinung, welche ich im Art. S. 34 als die wahrſcheinlichſte angab, daß die Luftelektricitaͤt von der Ausduͤnſtung herruͤhre, gehoͤrt ganz eigentlich Hrn. Volta zu, durch deſſen Condenſator der Elektricitaͤt entdeckt ward, daß der aufſteigendende Waſſerdampf poſitiv elektriſirt ſey. Dieß

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/576>, abgerufen am 22.11.2024.