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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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"Es steigen beständig Dämpfe von der Erde auf, oft in "ungeheurer Menge viele Tage hinter einander, ohne daß "es deswegen regnet oder trübe wird. Was wird aus die"sem Wasser? In der Höhe, wo es sich nach der gemeinen "Meinung hin zieht, findet es sich nicht: im Gegentheil, je "höher man steigt, |desto trockner wird die Luft, ja sie erreicht "oft bey immer fortdauernder Evaporation in der Ebne, einen "Grad der Trockenheit auf den Bergen, der in der Ebene nie"mals Statt findet, und doch ist noch dazu die Luft in "der Höhe kalt. Man weiß aber, daß selbst eine sehr "trockne Luft, wenn sie kälter wird, Feuchtigkeit zeigt. Wo "also die Luft zugleich kalt und beträchtlich trocken ist, da ist "gewiß wenig Wasser in ihr. Und in dieser so äußerst trock"nen Luft entstehen plötzlich Wolken, und aus diesen öfters "Platzregen, die viele Stunden anhaltend das Land über"schwemmen, und wenn sie vorüber sind, so findet man den "Zustand der Luft in Rücksicht auf Feuchtigkeit wenig oder "gar nicht verändert. Woher kömmt nun auf einmal diese "ungeheure Menge Wasser, die sich durch die gewöhnliche "Auflösungstheorie schlechterdings nicht erklären ließe, selbst "wenn die Luft auf den Bergen warm und völlig saturirt ge"wesen wäre? Woher kömmt es, daß Gewitterwolken von "mäßiger Größe ganze Districte verhageln und überschwem"men, während die Luft rings um sie her, und auch gewiß "über ihnen, sehr trocken ist? Alles führt auf den Satz hin"aus: aller Regen ist zwar von der Erde aufgestiegen, aber "zwischen diesem Aufsteigen und dem Herabfallen befand sich "das Wasser in einem Zustande, worinn es kein Gegenstand "für das Hygrometer, d. i. kein Wasser mehr war, und da "wir an den Stellen, wo es verschwindet, blos Luft finden, "so ist es in einen luftförmigen Zustand übergegangen, und "der Regen ist der umgekehrte Prozeß; er ist kein Nieder"schlag aus der Luft, sondern die Luft selbst wird bey dessen "Erzeugung auf irgend eine Weise wieder zersetzt."

Aus diesem System läßt sich die beständige Erneurung der Atmosphäre, und die Wiederersetzung der Luft, deren respirabler Theil bey so vielen Operationen auf der Erdfläche verbraucht wird, sehr befriedigend erklären, s. den Zusatz


”Es ſteigen beſtaͤndig Daͤmpfe von der Erde auf, oft in ”ungeheurer Menge viele Tage hinter einander, ohne daß ”es deswegen regnet oder truͤbe wird. Was wird aus die”ſem Waſſer? In der Hoͤhe, wo es ſich nach der gemeinen ”Meinung hin zieht, findet es ſich nicht: im Gegentheil, je ”hoͤher man ſteigt, |deſto trockner wird die Luft, ja ſie erreicht ”oft bey immer fortdauernder Evaporation in der Ebne, einen ”Grad der Trockenheit auf den Bergen, der in der Ebene nie”mals Statt findet, und doch iſt noch dazu die Luft in ”der Hoͤhe kalt. Man weiß aber, daß ſelbſt eine ſehr ”trockne Luft, wenn ſie kaͤlter wird, Feuchtigkeit zeigt. Wo ”alſo die Luft zugleich kalt und betraͤchtlich trocken iſt, da iſt ”gewiß wenig Waſſer in ihr. Und in dieſer ſo aͤußerſt trock”nen Luft entſtehen ploͤtzlich Wolken, und aus dieſen oͤfters ”Platzregen, die viele Stunden anhaltend das Land uͤber”ſchwemmen, und wenn ſie voruͤber ſind, ſo findet man den ”Zuſtand der Luft in Ruͤckſicht auf Feuchtigkeit wenig oder ”gar nicht veraͤndert. Woher koͤmmt nun auf einmal dieſe ”ungeheure Menge Waſſer, die ſich durch die gewoͤhnliche ”Aufloͤſungstheorie ſchlechterdings nicht erklaͤren ließe, ſelbſt ”wenn die Luft auf den Bergen warm und voͤllig ſaturirt ge”weſen waͤre? Woher koͤmmt es, daß Gewitterwolken von ”maͤßiger Groͤße ganze Diſtricte verhageln und uͤberſchwem”men, waͤhrend die Luft rings um ſie her, und auch gewiß ”uͤber ihnen, ſehr trocken iſt? Alles fuͤhrt auf den Satz hin”aus: aller Regen iſt zwar von der Erde aufgeſtiegen, aber ”zwiſchen dieſem Aufſteigen und dem Herabfallen befand ſich ”das Waſſer in einem Zuſtande, worinn es kein Gegenſtand ”fuͤr das Hygrometer, d. i. kein Waſſer mehr war, und da ”wir an den Stellen, wo es verſchwindet, blos Luft finden, ”ſo iſt es in einen luftfoͤrmigen Zuſtand uͤbergegangen, und ”der Regen iſt der umgekehrte Prozeß; er iſt kein Nieder”ſchlag aus der Luft, ſondern die Luft ſelbſt wird bey deſſen ”Erzeugung auf irgend eine Weiſe wieder zerſetzt.“

Aus dieſem Syſtem laͤßt ſich die beſtaͤndige Erneurung der Atmoſphaͤre, und die Wiedererſetzung der Luft, deren reſpirabler Theil bey ſo vielen Operationen auf der Erdflaͤche verbraucht wird, ſehr befriedigend erklaͤren, ſ. den Zuſatz

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[746/0758] ”Es ſteigen beſtaͤndig Daͤmpfe von der Erde auf, oft in ”ungeheurer Menge viele Tage hinter einander, ohne daß ”es deswegen regnet oder truͤbe wird. Was wird aus die”ſem Waſſer? In der Hoͤhe, wo es ſich nach der gemeinen ”Meinung hin zieht, findet es ſich nicht: im Gegentheil, je ”hoͤher man ſteigt, |deſto trockner wird die Luft, ja ſie erreicht ”oft bey immer fortdauernder Evaporation in der Ebne, einen ”Grad der Trockenheit auf den Bergen, der in der Ebene nie”mals Statt findet, und doch iſt noch dazu die Luft in ”der Hoͤhe kalt. Man weiß aber, daß ſelbſt eine ſehr ”trockne Luft, wenn ſie kaͤlter wird, Feuchtigkeit zeigt. Wo ”alſo die Luft zugleich kalt und betraͤchtlich trocken iſt, da iſt ”gewiß wenig Waſſer in ihr. Und in dieſer ſo aͤußerſt trock”nen Luft entſtehen ploͤtzlich Wolken, und aus dieſen oͤfters ”Platzregen, die viele Stunden anhaltend das Land uͤber”ſchwemmen, und wenn ſie voruͤber ſind, ſo findet man den ”Zuſtand der Luft in Ruͤckſicht auf Feuchtigkeit wenig oder ”gar nicht veraͤndert. Woher koͤmmt nun auf einmal dieſe ”ungeheure Menge Waſſer, die ſich durch die gewoͤhnliche ”Aufloͤſungstheorie ſchlechterdings nicht erklaͤren ließe, ſelbſt ”wenn die Luft auf den Bergen warm und voͤllig ſaturirt ge”weſen waͤre? Woher koͤmmt es, daß Gewitterwolken von ”maͤßiger Groͤße ganze Diſtricte verhageln und uͤberſchwem”men, waͤhrend die Luft rings um ſie her, und auch gewiß ”uͤber ihnen, ſehr trocken iſt? Alles fuͤhrt auf den Satz hin”aus: aller Regen iſt zwar von der Erde aufgeſtiegen, aber ”zwiſchen dieſem Aufſteigen und dem Herabfallen befand ſich ”das Waſſer in einem Zuſtande, worinn es kein Gegenſtand ”fuͤr das Hygrometer, d. i. kein Waſſer mehr war, und da ”wir an den Stellen, wo es verſchwindet, blos Luft finden, ”ſo iſt es in einen luftfoͤrmigen Zuſtand uͤbergegangen, und ”der Regen iſt der umgekehrte Prozeß; er iſt kein Nieder”ſchlag aus der Luft, ſondern die Luft ſelbſt wird bey deſſen ”Erzeugung auf irgend eine Weiſe wieder zerſetzt.“ Aus dieſem Syſtem laͤßt ſich die beſtaͤndige Erneurung der Atmoſphaͤre, und die Wiedererſetzung der Luft, deren reſpirabler Theil bey ſo vielen Operationen auf der Erdflaͤche verbraucht wird, ſehr befriedigend erklaͤren, ſ. den Zuſatz

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/758>, abgerufen am 25.11.2024.