weit weniger übersaure Salzsäure erhalten, als wenn man den rohen Braunstein dazu gebraucht hätte. Gießt man übersaure Kochsalzsäure auf Quecksilber, so wird dasselbe auf der Oberfläche in einen schwarzen Quecksilberkalk verwandelt, und die übersaure Kochsalzsäure hat alle Eigenschaften der gewöhnlichen Kochsalzsäure angenommen. Setzt man endlich übersaure Kochsalzsäure dem Sonnenlichte aus, so entwickelt sich Lebensluft, und es bleibt Kochsalzsäure zurück. Diese und mehrere Versuche zeigen freylich, daß gemeine Kochsalzsäure sich in dephlogistisirte verwandelt, wenn die Basis der Lebensluft mit ihr verbunden wird, und daß bey Entziehung dieser Basis das Umgekehrte statt findet; aber die zu erweisende Zusammensetzung folgt nur alsdann daraus, wenn man mit den Antiphlogistikern voraussetzt, daß die Basis der Lebensluft das säurende Princip sey.
Die Entzündung des Phosphors in dieser Säure und ihre heftigen Wirkungen auf verbrennliche Körper erklärt das antiphlogistische System dadurch, daß ihr diese Körper den überflüßigen Sauerstoff entziehen, und sie dadurch in eine gemeine Salzsäure verwandeln, wobey sie die elastische Form verliert, und eine große Menge Wärmestoff mit Hitze und Licht absetzt. Man nimmt davon einen neuen Beweis der Sätze her, daß das Verbrennen der Körper in nichts weiter, als ihrer Säurung, bestehe, und daß die übersaure Kochsalzsäure in der That aus Kochsalzsäure und Sauerstoff zusammengesetzt sey.
Das heftige Verpuffen des aus dieser Säure und dem firen Alkali bereiteten Neutralsalzes (Muriate de Potasse oxygene) mit verbrennlichen Dingen in der Hitze, leitet Lavoisier von der großen Menge des Wärmestoffs her, den die Säure auch bey ihrer Sättigung mit Alkali noch gebunden zurückbehält. Bringt man das Neutralsalz allein in die Hitze, so entwickelt sich Lebensluft, und das Alkali bleibt mit gemeiner Salzsäure gesättigt zurück.
Diese Theorie der dephlogistisirten Salzsäure ist von Herrn Westrumb mit wichtigen Einwürsen bestritten worden, welche man nebst den Antworten der Antiphlogistiker bey Girtanner(Anfangsgr. der antiphl. Chemie. Kap. 28.
weit weniger uͤberſaure Salzſaͤure erhalten, als wenn man den rohen Braunſtein dazu gebraucht haͤtte. Gießt man uͤberſaure Kochſalzſaͤure auf Queckſilber, ſo wird daſſelbe auf der Oberflaͤche in einen ſchwarzen Queckſilberkalk verwandelt, und die uͤberſaure Kochſalzſaͤure hat alle Eigenſchaften der gewoͤhnlichen Kochſalzſaͤure angenommen. Setzt man endlich uͤberſaure Kochſalzſaͤure dem Sonnenlichte aus, ſo entwickelt ſich Lebensluft, und es bleibt Kochſalzſaͤure zuruͤck. Dieſe und mehrere Verſuche zeigen freylich, daß gemeine Kochſalzſaͤure ſich in dephlogiſtiſirte verwandelt, wenn die Baſis der Lebensluft mit ihr verbunden wird, und daß bey Entziehung dieſer Baſis das Umgekehrte ſtatt findet; aber die zu erweiſende Zuſammenſetzung folgt nur alsdann daraus, wenn man mit den Antiphlogiſtikern vorausſetzt, daß die Baſis der Lebensluft das ſaͤurende Princip ſey.
Die Entzuͤndung des Phosphors in dieſer Saͤure und ihre heftigen Wirkungen auf verbrennliche Koͤrper erklaͤrt das antiphlogiſtiſche Syſtem dadurch, daß ihr dieſe Koͤrper den uͤberfluͤßigen Sauerſtoff entziehen, und ſie dadurch in eine gemeine Salzſaͤure verwandeln, wobey ſie die elaſtiſche Form verliert, und eine große Menge Waͤrmeſtoff mit Hitze und Licht abſetzt. Man nimmt davon einen neuen Beweis der Saͤtze her, daß das Verbrennen der Koͤrper in nichts weiter, als ihrer Saͤurung, beſtehe, und daß die uͤberſaure Kochſalzſaͤure in der That aus Kochſalzſaͤure und Sauerſtoff zuſammengeſetzt ſey.
Das heftige Verpuffen des aus dieſer Saͤure und dem firen Alkali bereiteten Neutralſalzes (Muriate de Potaſſe oxygèné) mit verbrennlichen Dingen in der Hitze, leitet Lavoiſier von der großen Menge des Waͤrmeſtoffs her, den die Saͤure auch bey ihrer Saͤttigung mit Alkali noch gebunden zuruͤckbehaͤlt. Bringt man das Neutralſalz allein in die Hitze, ſo entwickelt ſich Lebensluft, und das Alkali bleibt mit gemeiner Salzſaͤure geſaͤttigt zuruͤck.
Dieſe Theorie der dephlogiſtiſirten Salzſaͤure iſt von Herrn Weſtrumb mit wichtigen Einwuͤrſen beſtritten worden, welche man nebſt den Antworten der Antiphlogiſtiker bey Girtanner(Anfangsgr. der antiphl. Chemie. Kap. 28.
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weit weniger uͤberſaure Salzſaͤure erhalten, als wenn man den rohen Braunſtein dazu gebraucht haͤtte. Gießt man uͤberſaure Kochſalzſaͤure auf Queckſilber, ſo wird daſſelbe auf der Oberflaͤche in einen ſchwarzen Queckſilberkalk verwandelt, und die uͤberſaure Kochſalzſaͤure hat alle Eigenſchaften der gewoͤhnlichen Kochſalzſaͤure angenommen. Setzt man endlich uͤberſaure Kochſalzſaͤure dem Sonnenlichte aus, ſo entwickelt ſich Lebensluft, und es bleibt Kochſalzſaͤure zuruͤck. Dieſe und mehrere Verſuche zeigen freylich, daß gemeine Kochſalzſaͤure ſich in dephlogiſtiſirte verwandelt, wenn die Baſis der Lebensluft mit ihr verbunden wird, und daß bey Entziehung dieſer Baſis das Umgekehrte ſtatt findet; aber die zu erweiſende Zuſammenſetzung folgt nur alsdann daraus, wenn man mit den Antiphlogiſtikern vorausſetzt, daß die Baſis der Lebensluft das ſaͤurende Princip ſey.</p><p>Die Entzuͤndung des Phosphors in dieſer Saͤure und ihre heftigen Wirkungen auf verbrennliche Koͤrper erklaͤrt das antiphlogiſtiſche Syſtem dadurch, daß ihr dieſe Koͤrper den uͤberfluͤßigen Sauerſtoff entziehen, und ſie dadurch in eine gemeine Salzſaͤure verwandeln, wobey ſie die elaſtiſche Form verliert, und eine große Menge Waͤrmeſtoff mit Hitze und Licht abſetzt. Man nimmt davon einen neuen Beweis der Saͤtze her, daß das Verbrennen der Koͤrper in nichts weiter, als ihrer Saͤurung, beſtehe, und daß die uͤberſaure Kochſalzſaͤure in der That aus Kochſalzſaͤure und Sauerſtoff zuſammengeſetzt ſey.</p><p>Das heftige Verpuffen des aus dieſer Saͤure und dem firen Alkali bereiteten Neutralſalzes (<hirendition="#i"><hirendition="#aq">Muriate de Potaſſe oxygèné</hi></hi>) mit verbrennlichen Dingen in der Hitze, leitet <hirendition="#b">Lavoiſier</hi> von der großen Menge des Waͤrmeſtoffs her, den die Saͤure auch bey ihrer Saͤttigung mit Alkali noch gebunden zuruͤckbehaͤlt. Bringt man das Neutralſalz allein in die Hitze, ſo entwickelt ſich Lebensluft, und das Alkali bleibt mit gemeiner Salzſaͤure geſaͤttigt zuruͤck.</p><p>Dieſe Theorie der dephlogiſtiſirten Salzſaͤure iſt von Herrn <hirendition="#b">Weſtrumb</hi> mit wichtigen Einwuͤrſen beſtritten worden, welche man nebſt den Antworten der Antiphlogiſtiker bey <hirendition="#b">Girtanner</hi><hirendition="#aq">(Anfangsgr. der antiphl. Chemie. Kap. 28.<lb/></hi></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
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weit weniger uͤberſaure Salzſaͤure erhalten, als wenn man den rohen Braunſtein dazu gebraucht haͤtte. Gießt man uͤberſaure Kochſalzſaͤure auf Queckſilber, ſo wird daſſelbe auf der Oberflaͤche in einen ſchwarzen Queckſilberkalk verwandelt, und die uͤberſaure Kochſalzſaͤure hat alle Eigenſchaften der gewoͤhnlichen Kochſalzſaͤure angenommen. Setzt man endlich uͤberſaure Kochſalzſaͤure dem Sonnenlichte aus, ſo entwickelt ſich Lebensluft, und es bleibt Kochſalzſaͤure zuruͤck. Dieſe und mehrere Verſuche zeigen freylich, daß gemeine Kochſalzſaͤure ſich in dephlogiſtiſirte verwandelt, wenn die Baſis der Lebensluft mit ihr verbunden wird, und daß bey Entziehung dieſer Baſis das Umgekehrte ſtatt findet; aber die zu erweiſende Zuſammenſetzung folgt nur alsdann daraus, wenn man mit den Antiphlogiſtikern vorausſetzt, daß die Baſis der Lebensluft das ſaͤurende Princip ſey.
Die Entzuͤndung des Phosphors in dieſer Saͤure und ihre heftigen Wirkungen auf verbrennliche Koͤrper erklaͤrt das antiphlogiſtiſche Syſtem dadurch, daß ihr dieſe Koͤrper den uͤberfluͤßigen Sauerſtoff entziehen, und ſie dadurch in eine gemeine Salzſaͤure verwandeln, wobey ſie die elaſtiſche Form verliert, und eine große Menge Waͤrmeſtoff mit Hitze und Licht abſetzt. Man nimmt davon einen neuen Beweis der Saͤtze her, daß das Verbrennen der Koͤrper in nichts weiter, als ihrer Saͤurung, beſtehe, und daß die uͤberſaure Kochſalzſaͤure in der That aus Kochſalzſaͤure und Sauerſtoff zuſammengeſetzt ſey.
Das heftige Verpuffen des aus dieſer Saͤure und dem firen Alkali bereiteten Neutralſalzes (Muriate de Potaſſe oxygèné) mit verbrennlichen Dingen in der Hitze, leitet Lavoiſier von der großen Menge des Waͤrmeſtoffs her, den die Saͤure auch bey ihrer Saͤttigung mit Alkali noch gebunden zuruͤckbehaͤlt. Bringt man das Neutralſalz allein in die Hitze, ſo entwickelt ſich Lebensluft, und das Alkali bleibt mit gemeiner Salzſaͤure geſaͤttigt zuruͤck.
Dieſe Theorie der dephlogiſtiſirten Salzſaͤure iſt von Herrn Weſtrumb mit wichtigen Einwuͤrſen beſtritten worden, welche man nebſt den Antworten der Antiphlogiſtiker bey Girtanner (Anfangsgr. der antiphl. Chemie. Kap. 28.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/799>, abgerufen am 22.11.2024.
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